An der gläsernen Eingangstür im Grasweg 8 hängt ein Schild, Datschun und Schubert Gbr. Darunter eine Visitenkarte mit Axel Datschun – Kaffeekocher. Wir kennen uns keine fünf Minuten, da steht schon ein Kaffee vor mir und ich greife routinemäßig nach dem Zuckerstreuer. „Du trinkst deinen Kaffee mit Zucker?“, fragt Axel kritisch und der Unterton macht daraus eine relativ eindeutige Anweisung. Ich stelle den Zucker wieder auf den Tisch und ahne, dass dieser Besuch mein Kaffeetrinken verändern wird.

Axel und seine Partnerin Kira rösten ihren Kaffee erst seit ein paar Monaten in Kiel, davor nutzten sie den Röster von Freunden in Hamburg. Das Mauerwerk schaut noch unter der weißen Wandfarbe hervor, Kaffeesäcke liegen zu Stapeln geschichtet auf Paletten, das Holz eines alten Stegs dient als Tresen für die unterschiedlichsten Arten der Kaffeezubereitung. Die alte Werkstatt im Grasweg, mit ihren hohen Decken und großen Fenstern, bietet nicht nur Platz für die Röstung, sondern ist seit Ende September gleichzeitig auch ein Café. Die Tische sind liebevoll mit je einer Blume dekoriert, selbstgerösteter Kaffee wird auf einer alten Leiter präsentiert und über all dem liegt ein Hauch robusten Chics und heimeliger Gemütlichkeit. Man spürt hier die Liebe zum Detail; sieht, riecht und schmeckt, dass Wert auf Qualität gelegt wird.

Hier wird seit Oktober Kaffee geröstet und ausgeschenkt.
Hier wird seit Oktober Kaffee geröstet und ausgeschenkt. (Foto: bj)

Im hinteren Teil des Raumes steht er also, der nagelneue Trommelröster mit nostalgischem Charme – ein lang gehegter Traum, der vor ein paar Monaten endlich in Erfüllung gegangen ist. „Ich mache das mit dem Rösten seit fünf Jahren“, sagt Axel. Er hat sich nach dem Zivildienst selbstständig gemacht. Mit einem Startkapital, das kaum der Rede wert war, hat er das Kaffeefahrrad-Business des Loppokaffeeexpress ins Laufen gebracht. „Ich habe viel selbst gemacht. Jede Menge Trial and Error, man muss viel ausprobieren, wenn man anfängt, selbst zu rösten“. Auf den Wochenmärkten am Exer und Blücher sind Kira und Axel vier Mal die Woche im Einsatz, um die Kieler mit Koffeein zu versorgen und sie langsam aber sicher in Sachen Geschmacksbewusstsein umzuschulen. „Die Leute müssen probieren, um zu wissen, was gut ist. Und vor allem die allgemeine ‚Geiz ist geil‘-Haltung ablegen.“

Der Kaffee, den ich als zweites bekomme, schmeckt fast wie Tee und sieht auch so aus. Meine Oma hätte gesagt „der ist n büschn’ dünn“. Aber ich lasse mich drauf ein und der Geschmack ist tatsächlich ganz anders als der des gewohnten Kaffees. „Da schmeckst du mal was passiert, wenn man die Bohnen nicht tot-röstet. Es können sich viel mehr Aromen ausbilden. Kaffee ist unglaublich vielschichtig.“ Ich will wissen, wie das denn nun funktioniert mit dem Rösten. Dazu müssen wir allerdings einen Schritt zurückgehen und mit der Bohne beginnen. Das Stichwort heißt hier ‚Third Wave Coffee‘. Die ‚Second Wave‘ waren Starbucks und Co., Unternehmen, die Masse statt Klasse vermarkteten und den Kult um die Kaffeespezialitäten förderten – sprich viel Frappuccino-Schnickschnack.

Präzise Kontrolle der Bohnen während des Röstvorgan gs. (Foto: bj)
Präzise Kontrolle der Bohnen während des Röstvorgangs. (Foto: bj)

‚Third Wave‘ steht für mehr Qualität. Die dritte Welle ist puristisch, meistens wird Kaffee einfach schwarz getrunken. So kämen die Aromen besser durch, sagt Axel. Und insgesamt geht es dabei um viel mehr als nur das Endprodukt, das über die Theke geht. Der Ansatz ist ganzheitlich, es geht um ein gesteigertes Bewusstsein in puncto soziale Verantwortung und Hochwertigkeit des Produktes. Das beginnt beim Handel mit der Rohbohne, geht weiter beim Röstverfahren und schließlich kommt es natürlich auch auf die Zubereitungsart und das Equipment an, das man benutzt. Auf diesem Weg gibt es eine Menge Sachen, die man richtig oder eben auch ganz und gar falsch machen kann.

„Erstmal ist ‚direct trade‘ super wichtig“, sagt Axel. „Wir besuchen Plantagen oder arbeiten eng mit anderen Röstereien zusammen, die sich das direkt vor Ort anschauen. Das Besondere am direktem Handel ist, dass es keine Mittelsmänner und Organisationen zwischen den Kaffeefarmern beziehungsweise -kooperativen und dem Importeur und Röster gibt. Transparenz und Nachvollziehbarkeit werden groß geschrieben.“ Was das Rösten angeht, haben Mikroröstereien wie die von Axel und Kira nur wenige Sorten im Angebot und rösten insgesamt weniger Bohnen als die großen Vertreter. „Man hat so einen viel besseren Überblick und kann schonender rösten.“ Axel und Kira rösten für den eigenen Verbrauch im Café und auf den Märkten, inzwischen haben sie aber auch ein paar ausgewählte Cafés in Kiel, Berlin und sogar Nordfriesland, an die sie ihren Kaffee verkaufen.

Dann geht es los, der Trommelröster hat lange genug vorgewärmt. Zehn bis 15 Kilogramm Rohbohnen rauschen in das Innere. Axel dokumentiert genau, alle 30 Sekunden hält er die Parameter fest: Die Temperatur der Bohnen, die des Rösters, Temperaturveränderungen. In der Spalte daneben wird das Datum des Röstvorgangs festgehalten. Darunter lese ich ‚16°C, bewölkt, windig‘. Wetterdaten für Kaffeeröstung? „Das ist wichtig. Auch das Wetter spielt eine Rolle für das Ergebnis.“ Die rohen Bohnen werden herumgewirbelt und klackern geräuschvoll in der Trommel. Knacken nach ein paar Minuten. Durch die kleine, kreisrunde Scheibe hat man Einblick in den Röster. Das zarte Grün der rohen Bohnen weicht einem kaffeewarmen Braun und der wohlbekannte Duft strömt in das Café. Gemütlichkeit und Wohlbefinden kann man riechen.

Ich löchere ihn mit Fragen. Kann ich zu Hause rösten? Welches Zubehör brauche ich? Wie funktionieren die unterschiedlichen Röstverfahren? Welche Milch schäumt am besten? Es gibt viel auszuprobieren. Ab jetzt werde ich also den Zucker im Kaffee überdenken und meine Geschmacksnerven schulen. Der Mensakaffee wird in Zukunft keinen leichten Stand mehr haben.

Mehr Infos und Tipps zur Kaffeezubereitung unter: www.loppokaffeeexpress.de

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