Was für die meisten undenkbar klingt, wurde für Simon U.* Realität. Ihm wird vorgeworfen, in einem Seminar die Arbeit seiner Kommilitonen kopiert zu haben. Eine Situation, die unwahrscheinlich scheint, aber jeden treffen könnte: Denn was ist Plagiat und was ist purer Zufall? Was kann rechtlich unternommen werden? Und wie sieht die psychische Belastung bei einem solchen Verfahren aus?

Simon begann im Wintersemester 2013/14 sein Studium an der CAU. Doch nur wenige Monate nach Studienbeginn bekommt er einen Brief, der dem Erstsemester ein frühzeitiges Ende seiner Uni-Karriere befürchten lässt: Gegen Simon werde ein Plagiatsverfahren eingeleitet. Es gebe in einer seiner Abgaben mehrfach Übereinstimmungen mit den Arbeiten anderer Kommilitonen. Er solle sich bei der zuständigen Seminarleiterin und dem Studienkoordinator melden, um einen Termin für das Plagiatsverfahren abzumachen. Weitere Informationen finden sich in dem Brief nicht.

Sofort versucht Simon, die jeweiligen Personen telefonisch zu erreichen. Doch es ist Freitag, das Büro ist leer und es werden keine Sprechzeiten angeboten. Auch vor Ort im Institut findet er keinen Ansprechpartner. Für Simon beginnt damit ein Albtraum: „Ich konnte nichts weiter tun, als drei Tage darauf zu warten, dass mir jemand erklärt, worum es überhaupt geht. Ich wusste nicht, ob ich exmatrikuliert werde und fühlte mich einfach nur wie ein Verbrecher, auf dem in Zukunft mit dem Finger gezeigt wird: ‚Plagiat! Das ist der mit dem Plagiat!‘“ Der AStA empfiehlt Simon, die kostenlose Rechtsberatung des Rechtsanwalts Nils Beth in Anspruch zu nehmen, die jeden Mittwoch im AStA-Büro für Studierende angeboten wird.

Im schlimmsten Falle habe Simon ein endgültiges ‚Nicht Bestanden‘ und die Exmatrikulation zu befürchten, so Beth. Dies sei aber unwahrscheinlich und erst bei wiederholten Plagiatsverdachten eine annehmbare Konsequenz. Wichtig sei, bei dem Gespräch mit dem Studienkoordinator deutlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Simon kann den genauen Grund des Verfahrens nur vermuten. Wahrscheinlich habe die Beschuldigung mit der Abgabe der Hausaufgaben zu tun, die Simon regelmäßig gemeinsam mit einem Kommilitonen bearbeitet. „Hilfreich könnte sein, die gemeinsame Arbeit herauszustellen“, erklärt Beth. Es nütze nichts zu behaupten, dass Partner- oder Gruppenarbeit in dem Seminar beim Anfertigen der Hausaufgaben Gang und Gäbe sei. Auch ein naives „Ich habe es nicht besser gewusst“ könne ihm im Gespräch nicht weiterhelfen.

Am folgenden Tag beginnt das Verfahren, für das Simon sich im Büro seines Studienkoordinators einfinden soll. Nachdem er seiner Dozentin und dem Koordinator die Lage aus seiner Perspektive schildert, erfährt er von ihnen den Aufgabenbereich, auf dem die Plagiatsvorwürfe basieren. Tatsächlich geht es um die Hausaufgaben, die einzeln bearbeitet und hochgeladen werden sollen. Für Simons Dozentin stellt Partnerarbeit jedoch kein Problem dar und während der Einführungswoche sei ihm und seinen Kommilitonen häufiger geraten worden, das Studium mit Lerngruppen zu absolvieren.

Doch wie erkläre er sich dann, dass er und sein Partner die exakt gleichen Antworten haben, fragt der Koordinator. Simon beginnt an sich selbst zu zweifeln. Dass er die Lösungen von seinem Kommilitonen kopiert haben soll, kann er sich nur schwer vorstellen. Als der Koordinator dann den Namen des Partners erfahren möchte, den Simon nur widerwillig erwähnen möchte, reagiert dieser laut und aggressiv: „Herr U. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand! Nennen Sie uns den Namen!“ Eingeschüchtert gesteht Simon daraufhin, dass er wohl unbedacht Textzeilen seines Partners übernommen haben muss. Anschließend löst sich das Problem auf: Als der Koordinator berichtet, Simon habe ein Dokument mit dem Namen eines anderen Studenten hochgeladen, wird diesem klar, dass er sich bei dem Upload der Aufgabe verklickt und statt seiner die Lösungen seines Lernpartners hochgeladen haben muss.

Simon kommt mit einem ‚Nicht Bestanden‘ davon. Er ist froh, dass sich damit die Sache geklärt hat und er nun weiß, dass er in seiner Arbeit nicht plagiiert, sondern aus eigener Unachtsamkeit lediglich die Dokumente vertauscht hat. Dennoch fragt er sich: „Von Anfang an war meinem Koordinator mein Fehler klar. Warum hat er mich dann mit einem falschen Geständnis durch die Hölle geschickt?“ Er ist sich nicht sicher, was für ihn schlimmer ist: Die 5,0 als Prüfungsergebnis oder die Tatsache, dass die Uni ihn als Erstsemester auf eine emotionale Achterbahnfahrt geschickt hat. Er wünscht sich, dass in solchen Situationen besser mit den Studierenden kommuniziert wird, denn ein Plagiat kann im Interesse keiner der Beteiligten sein.

*Name von der Redaktion geändert.

Foto: pur.pur

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