„Im Plattenladen, da trifft man sich, da redet man über Musik und das heißt, man redet über’s Leben.“ Dieses romantische Bild zeichnet Jens Christiani, der Herausgeber des Stadtmagazins „eins.31“ und Mitorganisator der diesjährigen Plattenladenwoche in Kiel. Er bezieht sich in erster Linie auf einen ganz bestimmten Kieler Plattenladen: Blitz Records in der Hopfenstraße.

Hinter dem Begriff der „Plattenladenwoche“ steht ein Konzept, das die einzigartige Kultur rund um den individuellen Plattenladen feiern und ein bisschen Abwechslung in den Alltag eines solchen Geschäftes bringen soll: In dieser Woche finden in den einzelnen Läden kostenlose Konzerte während der ganz normalen Öffnungszeiten statt. Neben Kiel haben unter anderem auch Berlin und Göttingen an dieser Aktion teilgenommen.

Die Lions of Nebraska spielten das letzte Konzert der Plattenladenwoche. Foto: Sebastian Klein.

Die Idee ist keinesfalls neu: In den USA und Großbritannien existiert das Konzept des „Record Store Day“ schon seit 2007 und das sehr erfolgreich. Blitz nahm in diesem Jahr zum dritten Mal an der Aktion teil und bot mit dem Motto „Musik von hier“ vor allem regionalen Bands die Möglichkeit, in dieser ungewöhnlichen Umgebung ein Konzert zu geben. So spielten Kurschatten Terzett, Maasholm, Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen, Emelie und die Lions of Nebraska zwischen CDRegalen und Platteneinkäufern. Da Gäste ja aber auch immer eine gute Sache sind, holte man sich auch davon einen ins Haus: „berge“ aus Berlin eröffneten hier die Plattenladenwoche mit ihrem lyrischen Pop.

Für die vier jungen Musiker war es das erste Konzert in einem Plattenladen und eine besondere Erfahrung, die auch zum Nachdenken anregte. „Mir fällt gerade auf, dass ich schon ewig nicht mehr in einem Plattenladen war“, gesteht „berge“-Sängerin Marianne (24). Sie selbst hört meist MP3s und legt selten mal eine CD ein. Und damit liegt schon auf der Hand, was ebenfalls hinter diesem Projekt steckt: „Letztendlich ist das natürlich auch Marketing“, räumt Christiani ein. Denn leicht haben es unabhängige Plattenläden in der heutigen Wirtschaft nicht: MP3s kommen den gewieften Musikkonsumenten meist um einiges günstiger zu stehen.

Dabei sind die Vorteile eines echten Tonträgers für Blitz-Mitarbeiter Helge (32) offensichtlich: Zum einen habe man natürlich etwas zum Anfassen und ein Cover-Art. Das macht besonders Vinyl-Platten zu einem mehrdimensionalen Kunstwerk. Aber auch der Akt des „Auflegens“ spiele eine Rolle und lasse ein völlig anderes Verhältnis zur Musik entstehen als das Anklicken einer Datei. „Man hört viel bewusster, der ganze Hörprozess hat weniger Geschwindigkeit und wird wertvoller.“, sagt Helge und ist damit als eine immer seltenere Sorte von Musikliebhabern enttarnt, denn nur solche geben noch Geld für Platten oder CDs aus. Das macht sich auch an den Verkaufszahlen der Plattenindustrie bemerkbar, die sich immer weiter verringern. Von dieser Situation ist beim Blitz-Team, das neben Helge aus dem Filialmitarbeiter Stefan Loecke (48) und „Mittwochs-Basti“ besteht, allerdings nichts zu merken: „Wir kriegen davon nicht wirklich viel mit. Die Leute, die bei uns einkaufen, sind zum großen Teil treue Stammkunden.“

Hält man sich einige Zeit im Laden auf, kommt man nicht umhin, das aufs Wort zu glauben. Hier wird sich gegen allzu übertriebene Wirtschaftlichkeit hinweggesetzt und vor allem eines aufgebracht, um den Kunden glücklich zu machen: Zeit. So wird der regelmäßige Kundentelefonkontakt liebevoll aufrechterhalten und jeder Musikwunsch erfährt einen engagierten Realisierungsversuch.

Betritt ein Herr den Laden und sucht ein ganz bestimmtes Cher-BestOf-Album, auf dem sich dieser EINE Song befindet („Ich weiß jetzt nicht, wie der heißt, aber es war auf jeden Fall ein Chor mit dabei!“), dann wird selbstverständlich jedes einzelne Lied angespielt – in der Hoffnung, das gewünschte Stück zu finden. „Mal passiert sowas mit großartigem, mal mit mäßigem Erfolg, aber wir versuchen es auf jeden Fall“. Das erzählt Helge, während er hinter der Kasse ein weißes Billy- Regal zusammenschraubt. Hat Christiani also Recht und es gibt sie noch, die Plattenläden à la Nick Hornbys „High Fidelity“? „Im Prinzip stimmt das schon, nur geht es hier nicht die ganze Zeit um Frauen und so deprimierend wie bei Hornby ist es auch nicht“, ist Helges Antwort. Wer das für sich selbst überprüfen und sich ein wenig entschleunigen möchte, sei herzlich dazu aufgerufen, in der Hopfenstraße 71 sein neues Lieblingsalbum kennenzulernen – es gibt ja auch Unterstützung!

Autor*in
Share.
Leave A Reply