Meister und Meisterwerke der Beat Generation.

Wir, die wir den deutschen, schuldlastigen Geschichtsunterricht genossen haben, stellen uns die Welt nach dem zweiten Weltkrieg oft als globales Dresden-45 vor. Doch eine Entfernung vom Zentrum des Kriegsgeschehens und ein Blick über den Atlantik zeigen, dass zum Beispiel die amerikanische Gesellschaft sich nahezu unbeeinträchtigt enwickeln konnte. In den 50er Jahren war in den USA  statt Trümmerfrauen die Frauenbewegung aktiv – nur ohne Femen und Brüste, denn die Dessous der Frauen zeigten weniger Haut als die heutige Sommerkleidung. Die Männer jeden Alters trugen Hüte, Elvys lebte nachweislich noch, Schwarze waren nur in der Musik wirklich akzeptiert, und irgendwo zwischen prüder Zurückhaltung und überfüllten Bars entstand eine neue und ungezügelte Generation der Literatur.

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William S. Burroughs, Lucien Carr und Allen Ginsberg, 1953

Die Studenten und Gammler Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs gelten heute als die Begründer dieser Literaturströmung – der Beat Generation. Unkonventionell, spontan und meist pleite lebten sie zum später benannten Entstehungszeitraum in New York, im Laufe der Jahre aber eher überall. Die Werke der Strömung entstanden gleichzeitig aus und über die gelebte Haltung der Beatniks, womit sich die Beat Generation am besten selbst beschreibt.

Kerouac und Burroughs portraitieren ihre Generation genial und gleichzeitig verwirrend in der gemeinsamen Novelle And the Hippos were boiled in der Tanks. Ihre freie Zeit widmen die der Realität entnommenen Charaktere ihren semifesten Beziehungen oder Ehen oder dem Lesen und Philosphieren, meistens allerdings Bars oder spontanen Besuchen. Uneingeladen bis rücksichtlos fallen sie bei Freunden oder Bekannten ein, was Burroughs‘ Ich-Ezähler mit folgendem Zitat quitiert: „You are artists, you don’t believe in decency and honesty and gratitude.“ Durch den formlosen Umgang mit der Gesellschaft und ihrem Besitz und den ständigen Geldmangel bewegen sie sich oft am Rande der Legalität und Akzeptanz. Wenn Phillip (eigentlich Lucien Carr) spontan sein Glas zerkaut, wundert das niemanden mehr so richitg, ebensowenig wie Paare, die sich nicht zurückziehen, wenn sie die Lust überkommt. Die Rauschmittel, die die Handlung beeinflussen, sind meist Alkohol, Drogen und Frauen, abgesehen davon würden aber Musik, Poesie und das Leben selbst eh jeglichen nüchternen Zustand verhindern.

Da die Beatniks meist pleite waren, reisten sie per Anhalter, in Güterzügen oder in Autos, die woanders eigentlich heil erwartet wurden. So lebten sie sich durch Länder und Kulturen, Städte und Berge, von New York nach Bosten, Mexiko und Europa. Der bekannteste Roman der Beat Generation, Kerouacs On the Road, beschreibt seine Reisen mit Neil Cassady, der als Inspiration der Generation gilt. Diesen Status erwarb er sich durch seine irre Lust am Leben, dem Alkohol, Frauen und Reisen. Er selbst schrieb nur einige Briefe und eine Autobiografie, sein Schreib- und Redestil war allerdings die Quelle für Kerouacs seitenlange, abschweifende und malerische Sätze, wie zum Beispiel diese Beschreibung inspirierender Menschen:
„Aber damals tanzten sie durch die Straßen wie Kobolde, und ich stolperte hinterher, wie ich mein Leben lang hinter Leuten hergestolpert bin, die mich interessieren, denn die einzigen Menschen sind für mich die Verrückten, die verrückt sind aufs Leben, verrückt aufs Reden, verrückt auf Erlösung, voll Gier auf alles zugleich, die Leute , die niemals gähnen oder alltägliche Dinge sagen, sondern brennen, brennen, brennen wie phantastische gelbe Wunderkerzen und wie Feuerräder unter den Sternen explodieren, und in der Mitte sieht man den blauen Lichtkern knallen und alle rufen ‚Aaah!‘.“

Als Gegensatz und Rückzugsort zu den Ausschweifungen des Alltages dient die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus. In vielen Werken Kerouacs  wird beispielsweise das Studium alter Schriften und Gedichte, Mediation oder die Reise zu fernen Klöstern als Weg beschrieben vom Gammler (was er keineswegs als Abwertung sieht) zum Buddha zu werden.

Allen Ginsberg bei der International Poetry Incarnation in der Royal Albert Hall 1965
Allen Ginsberg bei der International Poetry Incarnation in der Royal Albert Hall 1965, Portrait von John Hopkins PR

Neben den drei Begründern fanden sich weitere Schriftsteller und Dichter in der Beat Generation. Zu Lebzeiten waren sie mit ihren Werken meist weder sonderlich bekannt, noch geschätzt. Allen Ginsbergs bekanntestes und zutiefst lesenswertes Gedicht Howl wurde zum Beispiel zunächst als ‚zu obszön‘ verboten, und sein Verleger verhaftet. Er beschreibt darin die „besten Geister“ seiner Generation, die Großartiges tun und erschaffen, die das Leben jagen. Doch durch die Grenzen, die ihnen dabei durch die Gesellschaft gesetzt sind, streben sie in ihren Ausschweifungen immer mehr dem Verfall entgegen. Kapitalismus, Regierung, prüde Ansichten, Kriege und die ‚Maschinerie‘ – Ginsberg nennt sie Moloch – werden immer wieder als zu stürzender Feind betrachtet, dem die Beatniks exzessiv entgegen leben. Die Unzufriedenheit wird unter anderem durch die Diskrimierung verständlich, die Ginsberg und ander Künstler auf Grund ihrer Homosexualität erfahren.
Allen Ginsberg erhob sich aus dem Leben in der Generation zu ihrem Vertreter. Er wurde international von Freunden und Schreibern der Dichtkunst bewundert und eingeladen und organisierte Lesungen und Konferenzen, die die Beat Generation weiter führten.

Was die Autoren der Beat Generation schreiben ist zugleich poetisch und schamlos. Ihr Leben und Schreiben motivierten eine Beat-Kultur, die schnell von anderen jungen Amerikanern übernommen wurde. Es entstanden Kreise von Leuten, die gemeinsam über Poesie sprachen und sich in Exzessen übten, was die Begründer zu einer gewissen Berühmtheit brachte. Auch heutzutage werden Beatnik-Festvials und Lesungen organisiert, und Texte verfilmt oder neu herausgegeben. Wer ihre Werke schon verschlungen hat, kann gut nachvollziehen, wie das vermittelte Lebensgefühl einen in seinen Bann zieht. Es treibt den Leser in einen Rausch und verdrängt die verantwortungsbewusste Realität durch neue, freie Gedanken. Es zieht ihn hinaus in die Welt, und macht verrückt: „Verrückt aufs Leben, verrückt aufs Reden, verrückt auf Erlösung, voll Gier auf alles zugleich“.


Literatur der Beat Generation:
Jack Kerouac: On the Road (Unterwegs); Gammler, Zen und hohe Berge; Engel, Kif und andere Länder
William S. Burroughs: Naked Lunch; Junky
Allen Ginsberg: Howl and other poems; Collected poems

Die bevorzugte Musik der Beatniks war der Bepop, eine Art des Jazz.

Filme über die Beat Generation:
On the Road (2012)
Kill Your Darlings (2013


„I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked,      […]
who poverty and tatters and hollow-eyed and high sat up smoking in the supernatural darkness of cold-water flats floating across the tops of cities contemplating jazz,                                     […]
who were expelled from the acadamies for crazy & publishing obscene odes on the windows of the skull,
who cowered in unshaven rooms in underwear, burning ther money in wastebaskets and listening to the Terror through the wall…“
Allen Ginsberg, Howl

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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