Eine Medienlandschaft, in der alle Mitglieder dieser Gesellschaft gleichwertig repräsentiert werden, ist auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Das Kieler Medienprojekt Raum 3, gefördert vom Bundesprogramm Demokratie leben, dem Land Schleswig-Holstein und dem Landesdemokratiezentrum, greift dieses Problem auf und begegnet ihm mit vielfältigen Angeboten für junge, muslimisch gelesene Menschen. Das Projekt richtet sich also nicht nur an gläubige Muslim:innen, denn antimuslimischer Rassismus trifft nicht nur dem Islam zugehörige Personen, sondern auch Menschen, die von der Gesellschaft als solche wahrgenommen (bzw. gelesen) werden. So versteht sich Raum 3 jungen Muslim:innen sowohl einen Safe-Space wie auch die Möglichkeit des Empowerments zu geben. 

Mehr ein Bild als ein Ort  

Raum 3 ist keine reale Räumlichkeit. Sondern ein Bild, geschaffen von dem Theoretiker Homi K. Bhabha. Nach diesem Bild gibt es den ersten, zweiten und dritten Raum. Der erste Raum ist der des Ichs und der subjektiven Wahrnehmung, den zweiten Raum des Wirs und des anderen. Der dritte Raum vereint schließlich beides und ist folglich ein imaginärer Raum, der überall da auftreten kann, wo Menschen verschiedener Kulturen oder Kategorien zusammentreffen, die sonst im Alltag unterteilt werden nach beispielsweise Geschlecht oder Nationalität. Raum 3– Empowerment junger MuslimInnen durch Medienarbeit, wie das Projekt mit vollem Namen heisst,  bietet diesen Menschen ein Zusammenkommen, denn an diesem „Ort” sind die genannten Kategorien dynamisch, sollen diskutiert werden und können sich dauernd ändern. „Auf dieser Basis funktioniert auch unser Projekt“, erklärt Leiterin Julia B. Raum 3 definiert sich als Jugend-, Medien- und Empowermentprojekt. Was das bedeutet, beschreibt Shalau B: „Wir wollen den Jugendlichen einen richtigen Umgang und ein Bewusstsein für Rassismus zeigen. Dafür geben wir ihnen praktische Tools und Mittel mit auf den Weg, damit sie sich selbst empowern können. Viele kennen zwar das Gefühl, wissen aber nicht, wie sie damit umgehen sollen oder ob sie mit ihrer Ansicht alleine sind. An diesem Punkt unterstützen wir die Jugendlichen und sagen: „Das ist schon richtig so. Das nennt sich Rassismus und hat mit Identität und Macht zu tun.“ Wir geben ihnen praktisch die nötigen Worte und Sprache, damit sie sich ausdrücken und besser definieren können. 

Nicht nur Medien – auch Bildungsarbeit 

Die verwendeten Medienformate sind facettenreich und orientieren sich immer an den Wünschen der Teilnehmenden: Von Instagramposts und Videos über Printmedien bis hin zu Musik, Beats und Podcasts aus dem eigenen Tonstudio: „Die Ideen und Wünsche kommen von den Jugendlichen und wir haben dann die Mittel, um diese umzusetzen“, so Shalau B.   

„Dabei werden unter anderem Themen wie Alltagsrassismus und die damit verbundenen Erfahrungen der Jugendlichen verarbeitet. Beispielsweise im selbstproduzierten Podcast zweier Projektteilnehmer:innen. Zwei Mädchen sprechen über ihren Alltag und stellen sich gegenseitig Fragen. In den Gesprächen kommen fast automatisch Themen auf, in denen Alltagsrassismus sichtbar wird. Beispielsweise fällt ihnen über ihre Lieblingsserien auf, dass People of Color oft unterrepräsentiert in bestimmten Rollen sind”, so Shalau B.   

Neben dem Podcast und den anderen produzierten Medien, reicht das Angebot von Raum 3 auch in die Bildungsarbeit hinein. Es werden regelmäßig Workshops zum Beispiel über Medienkompetenzen und Hate Speech im Internet oder Multiplikator:innenschulungen angeboten, welche die Jugendlichen weiterbilden, vor allem aber auch empowern sollen. Beispielsweise ist naher Zukunft ist ein Empowerment Workshop zu antimuslimischem Rassismus geplant.

Antimuslimischer Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem  

Mit all diesen Angeboten leistet Raum 3 einen wichtigen Beitrag, um antimuslimischen Rassismus sichtbar zu machen und aufzuzeigen, was für viele Menschen zum Alltag gehört. „Antimuslimischer Rassismus ist sehr viel mehr als nur physische Gewalt. Das ist noch nicht in der Gesellschaft und Politik angekommen. Antimuslimischer Rassismus ist der Alltag von unfassbar vielen Menschen hier“, erklärt Julia B. Gegen diesen anzugehen, kann allerdings nicht nur die Aufgabe der Betroffenen sein. So betont es auch Shalau B: „Dieses Problem anzugehen ist nicht die Aufgabe von muslimisch gelesenen Menschen. Den Rassismus in erster Linie zu bekämpfen ist nicht ihre Aufgabe. Die Betroffenen können nicht alles alleine ändern. Die Gesellschaft im Ganzen sollte sich mit dieser Thematik beschäftigen und sich weiterbilden, damit überhaupt verstanden wird, was passiert und was antimuslimischer Rassismus bedeutet.“  

Eine Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, können die vielfältigen Medien des Raum 3 sein. Einiges gibt es schon, vieles ist noch am Entstehen. Bald werden die ersten Podcastfolgen erscheinen und auch ein eigenes Magazin geht demnächst in den Druck. Über die Kanäle von Raum 3 wie etwa Instagram lässt sich verfolgen, was gerade entsteht und angeboten wird. Außerdem freut sich das Projekt auch immer sehr über neue Mitglieder. 

Raum 3 steht allen muslimisch gelesenen Menschen und Interessierten zwischen 15 und 27 Jahren offen und jede:r, der Lust hat, sich mit Medien auseinanderzusetzen, ist herzlich willkommen. 

Autor*in

Hier schreiben mehrere Autor:innen der ALBRECHT-Redaktion oder Personen, die ihren Text anonym veröffentlichen wollen.

Share.
Leave A Reply