Der Begriff Shorts kommt nicht von ungefähr

Was denn mit mir los sei, will er wissen. Dass er mich für schwul halten würde, kenne er mich nicht. Wir waren mal Nachbarn. Ich sitze vor ihm, schaue müde hoch und versuche, den Worten der Freundin neben mir zu folgen. Sie wirft ein, er solle doch still sein. Das Wort Hotpants fällt. Ich trage eine pastellgrüne kurze Hose, habe den Saum zweimal umgeschlagen. Dazu Bootsschuhe. Wenn ich sitze, sieht man etwa die Hälfte meiner Oberschenkel nackt. Die Abneigung gegen feuchten, warmen Baumwollstoff auf meinen Beinen hat mich dazu gebracht, kurze Hosen zu tragen, die teils deutlich oberhalb des Knies enden. Ich sehe den Sinn nicht in einem Kleidungsstück, dass Luftigkeit und Freiheit versprühen soll, aber meine Kniescheiben bedeckt. Die Freundin trägt ein Kleid. Man sieht ihre langen, gebräunten Beine. Meine sind im Gegensatz zu ihren haarig und fluoreszierend. Meine Füße sind feucht, Sandalen wären die Rettung, aber die sind für mein Geschlecht außerhalb von Stränden und Duschen tabu. Trüge ich, wie die Freundin neben mir, keine Ärmel, müsste ich einen breiten Bizeps haben oder sähe aus wie ein Asozialer. Wer nicht Sport treibt oder so aussieht, als täte er dies täglich stundenlang, trägt gefälligst Ärmel. Ich finde das ungerecht. Nur, weil den meisten Männern beim Anblick weiblicher Schenkel das Blut ins Glied strömt wie Menschen vor langen Wochenenden in die Supermärkte, sie aber eine riesige Angst haben, schwul zu wirken (oder gar zu werden), wenn sie meine nackten Beine sehen, sind sie intolerant. Lange Shorts sind ein Phänomen der letzten 30 Jahre. Erst Michael Jordan ließ sich während seiner NBA-Karriere Shorts aushändigen, die mehr als den Hintern bedeckten und startete so einen Trend zu ‚Shorts In Name Only‘, der wohl dazu führte, dass nackte Männerbeine außerhalb von sportlicher Betätigung mit Homosexualität assoziiert werden. Wer kennt nicht das Bild des Mannes in pinken Hotpants auf einer Gay-Pride-Parade? 1986 posierten noch Larry Bird und Magic Johnson mit knappem Beinkleid und der NBA-Trophäe für die amerikanische Sportzeitung Sports Illustrated. Magic Johnson ist einer der größten Lotharios seiner Zeit, sollte er schwul sein, dann allenfalls, weil ihm die Frauen ausgegangen sind. Es ist simpel: Bei der Arbeit folge ich einem Dresscode, im Privaten bestimme ich den selbst. Lasst mich doch halbnackt rumlaufen, wenn es mir Spaß macht. Lasst die Frau ‚Juicy‘ auf ihrem Hintern tragen. Nennt mich aber bitte erst schwul, wenn ich euch meinen Freund vorstelle, oder lasst es direkt ganz. Mode ist ein elitäres Thema und die meisten Menschen haben davon soviel Ahnung wie Kastraten von Erektionen. Dass das schade ist, ist ein Thema für einen anderen Text. Vorerst kann es euch aber egal sein.


Titelbild: pns

Autor*in

Paul war seit Ende 2012 Teil der Redaktion. Neben der Gestaltung des Layouts schrieb Paul gerne Kommentare und ließ die Weltöffentlichkeit an seiner Meinung teilhaben. In seiner Freizeit studierte Paul Deutsch und Anglistik an der CAU.

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