Wenn François Truffaut über Premingers Bonjour Tristesse schrieb: „Kino ist: schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen“, dann kehrt Jaume Colleet-Serra diese These mit The Shallows ins Gegenteil um. Der Regisseur, der vermutlich den meisten Zuschauern für seine Zusammenarbeit mit Liam Neeson (Unknown 2011, Non-Stop 2014) oder als Freund des Horrofilms (Orphan 2009, House of Wax 2005) bekannt ist, inszeniert mit The Shallows ein typisches Summer Movie.

Der Plot ist schnell erzählt: Die Medizinstudentin Nancy (Blake Lively) ist nach Mexiko gereist, um dort den einen Strand zu finden, von dem ihre Mutter ihr erzählt hat. Als sie das traumhafte Fleckchen findet, wird sie beim Surfen von einem Hai angegriffen. Mit Mühe und Not kann sie sich auf einen Felsen vor der Küste retten – doch der Hai lässt nicht von ihr ab, zudem wird die kommende Flut Nancys sicheren Felsen bald überspülen.

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Ganz so simpel ist die Geschichte dann doch nicht gestrickt, beziehungsweise möchte der Film das suggerieren. Denn Nancy verfügt über eine Backstory Wound. Der Ort ist nicht irgendein einsamer paradiesischer Strand. Nancys Mutter war mit ihr schwanger, als sie den Strand gefunden hat, doch dann starb sie an einer Krebserkrankung. Nancys Reise ist in Wahrheit ein Selbstfindungstrip. Die Geschichte konzentriert sich vollkommen auf sie, es gibt kaum Nebenfiguren und die wenig Existierenden dienen als potentielles, effektvolles Haifutter. Die beiden großen Rollen neben Nancy werden von Tieren übernommen, welche wiederum offensichtliche Projektionen der Protagonistin darstellen sollen. Der Hai symbolisiert ihre Ängste und die Möwe, mit der sie sich den Felsen teilt, ist eine Dopplung ihres verletzten Ichs.

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Unberücksichtigt aller Theorien über die Dramaturgie des Films im Allgemeinen, kann The Shallows in zwei Abschnitte unterteilt werden: Einen Baywatch- und einen Animal-Horror-Teil. Damit schlägt sich die Brücke zum einführenden Zitat von Truffaut. Der erste Teil dominiert durch schöne Bilder – der atemberaubende Urwald erscheint in einem Smaragdgrün mit weißen Lichtdurchbrüchen. Die wilde Natur wird dem, im Vergleich klein wirkenden Menschen, im weiteren Verlauf noch häufiger gegenübergestellt. Im Besonderen durch die top shots (Vogelperspektive), die einerseits tolle Landschaftsbilder aufzeigen und andererseits der Orientierung dienen, indem sie den Handlungsraum vorstellen. Der Strandsand schimmert golden und das Wasser blau oder grün, je nach Perspektive und Lichteinfall. Eben diese Farben finden sich bei der Protagonistin wieder, die blonden Haare, das gelbe Bikinioberteil, das blaue Shirt und ihre grünen Augen. Die schönen Bilder gipfeln dann in Nancys Surf-Routine, gefolgt von baywatchesken slowmo shots.

Die letzten zwei Drittel des Films (der Animal-Horror-Teil) behandeln den Überlebenskampf von Nancy. Obwohl die sichere Küste nur wenige hundert Meter entfernt ist, scheint es unmöglich, diese zu erreichen. Die folgenden Sequenzen sind für Nancy und uns reine Tortur. Es baut sich kaum Spannung auf, da die Ereignisse vorhersehbar sind und im Grunde eine Collage der schlimmsten Haiangriffe und Wassersportverletzungen darstellen. Sie dienen einzig dazu, auf unterschiedlichste Weise Schockmomente zu erzeugen.


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Die Geschichte von The Shallows scheint Jaume Colleet-Serra nicht besonders interessiert zu haben. Der Film wirkt wie eine Mischung aus Cast Away, 127 Hours und Deep Blue Sea, dessen einziges Ziel darin besteht, schöne und effektvolle Bilder zu zeigen. 


WERTUNG: 6,0 Kinokatzenpunkte


 

 

Bildquellen: Sony Pictures

 

Autor*in

Marc studierte Politik, Soziologie und Medienwissenschaft in Kiel. Für den ALBRECHT schreibt er seit 2015 insbesondere für das Kulturressort und dessen Filmsparte KinoKatze.

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