Über Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!, das neue Album der Liga der gewöhnlichen Gentlemen

In der deutschsprachigen Musik gab es einmal eine Zeit – ungefähr von Tocotronics Album Wir kommen um uns zu beschweren (1996) bis Olli Schulzs Brichst du mir das Herz, dann brech‘ ich dir die Beine (2003) – in der sperrige bis ausufernde Titel für die Qualität einer Platte bürgten. Nicht von ungefähr trug das wohl beste Album der Ärzte anno 2000 den Titel Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer!. Carsten Friedrichs furiose ‚Motown-Soul-trifft-auf-Garagen-Indie-Truppe‘ Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen greift diese etwas in Vergessenheit geratene Tugend mit dem Album Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen! wieder auf. Ein Titel, der alles hat, korrekte Interpunktion und abschließendes Satzzeichen inklusive.

Passend ist er ohnehin: Man kann sich die stets akkurat gekleidete Hamburger Band gut vorstellen, wie sie sonntagnachmittags im feinen Zwirn durch den Tierpark Hagenbeck flaniert und sich beim Personal über die mangelnde Action auf dem Primatenfelsen echauffiert. Möglicherweise richtet sich die Aufforderung aber auch ans Publikum und es sind die Musiker selbst, die auf Zuruf loslegen sollen und nur darauf warten, dass man ihnen ein paar Datteln vor die Füße wirft.

Den einzelnen Songs sind diese Mehrdeutigkeiten allerdings eher fremd: Wie Sänger Johnny das gleichnamige Debüt der Ramones 1976 hauptsächlich mit einer Aufzählung von Dingen bestritt, die er wollte (Now I wanna sniff some glue) oder eben nicht (I don’t wanna go down to the Basement), liest sich Rüttel mal am Käfig als Abfolge von Figuren, die Friedrichs entweder bewundert oder denen er, aufgrund der Ungerechtigkeit, die ihnen widerfahren ist, empathisch gegenübersteht. Der beste Zechpreller der Welt und Das härteste Mädchen der Stadt kontrastieren sich so mit dem zu Lebzeiten unterschätzten Vincent van Gogh (You are great but people are shit) und dem Heilbronner Mechaniker Rolf Wütherich (Die ganze Welt ist gegen mich), dem die Schuld am Tode James Deans zugeschoben wurde.

In der Bewunderung schwingt dabei immer der Wunsch mit, selbst Vergleichbares zu leisten, das Mitgefühl geht hingegen stets mit Identifikation einher: „Vincent alter Knabe, ärger dich nicht / ein verkanntes Genie, genauso wie ich“, entfährt es Friedrich in aller Bescheidenheit. Hier spricht ein lyrisches Ich in der Krise, welches zwar mit großen Augen in die Welt hinausblickt, die Rückwirkungen aber zutiefst betrüben müssten.

Das wäre so weit so gewöhnlich, entspräche der stoisch-markante Vorgang nicht der konsequent vorantreibenden Musik. Auf diese Weise unterbindet Friedrichs, der Mann, der uns in der Vergangenheit Zeilen wie „Ich bin ein sogenannter Drifter, der in der früh aufsteht / Und wie Teile einer alten Zeitung, über einen leeren Parkplatz weht / Und Carsten ist mein Name / noch ein Schnäpschen für die Dame“ schenkte, jegliche Sentimentalitäten. Das Durchhalten ist hier alternativlos, folglich bedarf es keiner Parolen. Nur eines Soundtracks mit einem sehr langen, korrekt interpunktierten Titel.

Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen! erschien am 15. Januar bei Tapete Records, am 3. Februar spielt die Liga der gewöhnlichen Gentlemen in der Kieler Schaubude.

Bannerhintergrund von Markus Spiske, bearbeitet (mlt)

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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