Als ich noch ein kleiner Bub war, meinten meine Eltern stets: „Du kannst alles werden, was du möchtest!“ Ich mochte dieses Credo aus einem ganz bestimmten Grund: Es gab mir das Gefühl von Freiheit! Seit dem Start meiner Schullaufbahn habe ich immer versucht, diesen Gedanken zu bewahren. In der Oberstufe stellte ich mein Profil aus den Fächern zusammen, die ich wirklich belegen wollte. Mit diesen Noten bewarb ich mich für ein Studium meiner Wahl, das jedoch – wie sich im Laufe meiner Studienzeit herausstellte – ein Problem mit sich brachte: veraltete, teils dämliche Vorurteile gegenüber geisteswissenschaftlichen Fächern.

Wenn jemand eine der unzähligen Geisteswissenschaften studiert und sich nicht für die Lehramtslaufbahn oder eine der anderen vorbestimmten Berufsbezeichnungen entscheidet, folgt die automatische Konfrontation mit den Fragen derer, die es wie immer besser wissen wollen: Bist Du dann derjenige, der als Schulbusfahrer arbeitet? Holst Du mich mit deinem Taxi ab, wenn ich betrunken vor dem Club warte? Ganz ehrlich, was soll dieses Geschwätz? Anfangs konnte ich darüber noch schmunzeln,  doch allmählich wiederholen sich diese immer gleichen Fragen und verunsichern mich.

Natürlich frage ich mich, wieso gedacht wird, dass alle Geisteswissenschaftler mal so enden werden. Es ist unbestreitbar, dass ich wahrscheinlich keinen klassischen Karriereweg einschlagen werde, aber vielleicht ist es gerade das, was ich möchte. Woher wollen die Anderen wissen, was ich will? Was gibt ihnen das Recht, über mich zu urteilen? Ich stelle mich doch auch nicht vor jemanden und sage: „Und Du unterrichtest also später die Teenies, die keinen Bock auf Schule haben und dich terrorisieren?“

Als Geisteswissenschaftler habe ich einen großen Vorteil: Ich kann allein entscheiden, was ich aus meinem Leben machen will. Ich bekomme durch mein Studium keinen vorgefertigten Berufsweg und dieses Privileg nutze ich: Ob ich nun als Kurator für ein Institut arbeiten will, als Lektor bei einer Zeitung oder als wissenschaftlicher Referent im Ausland. Es wird zwar nicht ganz einfach, aber dafür stehen mir unzählige Berufszweige offen! Und wenn man von einem Fachgebiet in den Geisteswissenschaften keinen blassen Schimmer hat, sollte man sich einfach mal ganz dezent zurückhalten.

Titelbildquelle: Chatterstone Photography

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