Während sich viele Menschen bei ihren treuesten Begleitern alles von der Seele reden, bleiben die Tiere stumm. Christina Hunger und viele andere Hundebesitzer:innen haben sich die Frage gestellt: Was würden unsere Haustiere sagen, wenn sie auch mit uns sprechen könnten? Mit Hilfe von Sprachausgabe-Knöpfen scheint Hungers Hund das Reden schon zu beherrschen. Auch wenn das des Rätsels Lösung sein könnte, gibt es einige Stimmen, die sich dem nicht anschließen. Unter anderem der deutsche YouTuber Tomary ist der Meinung, dass die Tiere nicht richtig mit uns kommunizieren können.  


Wie sprechen unsere Vierbeiner?  

Bild: Heike Dauelsberg

Die US-amerikanische Logopädin Christina Hunger hat sich schon immer für das Sprechen und Kommunizieren interessiert. Mit ihrer Hündin Stella stand sie vor einer neuen Herausforderung: Auch ihr wollte Christina beibringen zu sprechen. Dafür kaufte sie sich mehrere große runde Geräte, die einem Buzzer ähneln. Mit Hilfe der integrierten Aufnahmefunktion konnte sie einzelne Wörter auf den Geräten speichern. Immer wenn Christina oder Stella einen Knopf betätigt, ertönt das entsprechende Wort. Dadurch wird dem Tier ermöglicht, eigene Bedürfnisse auszudrücken: Betätigt Stella den ‘outside’-Buzzer, so weiß Christina, dass sie nach draußen möchte. Die Logopädin versucht das Prinzip ihrem Haustier beizubringen, indem sie möglichst häufig die Wörter verwendet und auf die Buzzer drückt. So lerne der Hund das Wort mit der jeweiligen Bedeutung zu verknüpfen. Mittlerweile könne die Hündin über 45 Wörter. Die Logopädin schafft es mittlerweile, viele Menschen zu erreichen und zu inspirieren. Das Projekt, bei dem sie zahlreiche Menschen dazu animiert, ihren Hunden auch sprechen beizubringen, nennt sie hunger for words. Auf ihrer eigenen Website erzählt sie von ihrer Geschichte, gibt Tipps und verkauft Merchandise. Bekannt wurde sie durch zahlreiche Videos auf Instagram und TikTok. Doch auch große US-amerikanische Medien wie CNN und PEOPLE wurden auf sie aufmerksam und interviewten sie.  


„I love you, Mom! “ 

Das ist der Satz, den der Hund Bunny am häufigsten zu seiner US-amerikanischen Besitzerin Alexis Devine sagt. Auch sie trainiert ihren Vierbeiner mit dem hunger for words-Prinzip. Mit ähnlichen Videos, wie denen von Stella, wird Bunny zu einen der berühmtesten Hunde auf TikTok. Besonders Bunnys Lieblingssatz prägt dabei die Fangemeinde. Alexis erhält eine Reihe von Fan-Art und erstellt mit der Phrase eigenes Merch. Auch der Kommunikationspsychologe und Assistenzprofessor Federico Rossano wird auf Bunny aufmerksam. Mit der Hilfe des Hundes und seiner Besitzerin Alexis startete er ein Forschungsprojekt an der Universität in San Diego. Dabei untersucht er die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Tieren und Menschen. Mittlerweile nehmen an diesem immer noch laufenden Projekt über 700 Tiere teil. Dazu gehören nicht nur Hunde, sondern auch Katzen und Pferde.  


Nur bis zu einem unüberschreitbaren Punkt 

Auch der deutsche YouTuber Thomas Wellner wurde von den viralen Videos von Bunny und Stella erreicht. Aber anders als viele Fans der beiden reagierte er mit Skepsis. In seinem Video „Ich bringe meinem Hund sprechen bei: Ein Experiment” auf dem Kanal Tomary versucht er gemeinsam mit seiner Freundin Sophie herauszufinden, ob auch ihre Hündin Mae mit der hunger for words-Methode reden lernen kann. Schnell wird im Video deutlich, dass es dem Tier sehr leichtfällt, das Wort „Essen” zu lernen. Mae erkennt schnell, dass sie ein Leckerli bekommt, sobald sie auf den entsprechenden Knopf drückt.  

Im weiteren Verlauf des Videos bekommt Mae noch weitere Knöpfe mit anderen Wörtern, darunter auch „Schau” und „Angst”. Nun zeigt der YouTuber, wie seine Hündin alle Wörter richtig verwendet und mit ihm und seiner Freundin kommuniziert. Während einer Gesangsstunde von Sophie habe Mae Angst, weil die unüblichen Geräusche sie verunsichern. 

Doch obwohl die Hündin in diesem Szenario tatsächlich die Knöpfe gedrückt hat, lösen Thomas und seine Freundin zum Schluss auf: Sie haben Mae nicht wirklich sprechen lassen, sondern es nur so aussehen lassen. Mit Hilfe von filmischen Tricks und dem Zeigen auf einzelne Buzzer gelang es ihnen. Damit kritisieren sie die Leichtgläubigkeit der Menschen, die ähnliche Videos gucken, in denen Hunde angeblich sprechen könnten. Es sei sehr einfach, Videos wie diese nachzustellen, sodass es glaubwürdig erscheine und echt aussehe. Die Kommunikation sei deshalb nicht unbedingt vorhanden. Doch selbst wenn Mae in diesem Beispiel selbständig die Geräte betätigt hätte, wäre der Zusammenhang zwischen dem, was der Hund gesagt hat und der eigentlichen Bedeutung der Wörter nicht deutlich. Vermeintliche ‚Aussagen’ von Hunden lassen sich leicht überinterpretieren, ist die Meinung von Thomas. Ein Hund könne nicht alle Elemente der Sprache verstehen. Es gebe einen Punkt, den ein Hund dabei einfach nicht überschreiten könne, so Sophie. 


Alles nur fake? 

Anders als Menschen gelingt es Tieren nicht, Wörter oder Begriffe mit Emotionen zu verbinden. Sie lernen die Begriffe, indem sie die unmittelbare Reaktion darauf abwarten und diese damit verknüpfen. Mae lernt, dass sie Essen bekommt, wenn sie auf den „Essen”-Knopf drückt. Die für den Hund entstandene Bedeutung ist also nicht im eigentlichen Sinn des Wortes, sondern die Tatsache, dass er ein Leckerli bekommt. Auch, wenn das in diesem Zusammenhang nicht weiter schlimm ist, wird es bei Phrasen wie „I love you” schwieriger. Bunnys Lieblingssatz wird also im Kopf des Tieres nicht mit Liebe verknüpft, sondern mit der Reaktion auf den Ausdruck. ‚Sagt’ Bunny, dass er seine Besitzerin liebt, freut sich diese und lobt ihn. Das Tier stellt eine Verbindung zu Belohnung und Freude her. 

Bild: Kirstin Trittin

Hinzu kommt, dass Hunde anders als Menschen nicht zwischen einzelnen Lauten unterscheiden können. Sie verstehen lediglich die Betonung. Daher können die Wörter beliebig ausgetauscht werden, solange die Betonung die Gleiche bleibt. 

Schließlich ist deutlich, dass Hunde nicht sprechen können. Sie werden Wörter niemals in ihrer vollkommenen ursprünglichen Bedeutung verstehen. Jedoch können durch Tricks, wie die hunger for words-Methode Wege geschaffen werden, die es den Vierbeinern ermöglichen, Reaktionen zu provozieren. Zu entscheiden, ob das schon Kommunikation ist, bleibt vorerst jeder:jedem für sich überlassen. Allerdings werden diesbezüglich wahrscheinlich schon bald neue Erkenntnisse aus San Diego Klarheit verschaffen. 

Doch auch, wenn die Studie von Federico Rossano zeigen würde, dass Tiere nicht wirklich mit uns reden können, haben die Übungen etwas Positives: Die Methode nach Christina Hunger bringt nicht nur Mensch und Tier näher zusammen, sondern sie schafft auch einen abwechslungsreichen Alltag. Hunde haben die Möglichkeit, Tricks zu lernen und ihr Gehirn zu trainieren. Und die Besitzer:innen achten besonders auf ihre Tiere und können sie so von einer ganz neuen Seite kennenlernen. Deshalb steht zumindest fest, dass Christinas Idee definitiv einen guten Effekt für den Umgang mit unseren Vierbeinern hat. 

Autor*in

Nele studiert seit Wintersemester 2019/20 Politikwissenschaften und Deutsch an der CAU. Im Mai 2020 hat sie als Redakteurin und im Lektorat-Team beim ALBRECHT angefangen. Sie war bis zum SoSe 23 zwei Jahre lang Gesellschaft-Ressort-Leitung.

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