Am Dienstag, dem 29. Oktober besuchte Bildungsministerin Dr. Waltraud „Wara“ Wende die CAU, um mit den anwesenden Studierenden über die geplante Reform der Lehrerbildung zu sprechen. Deutlich wurde dabei vor allem eines: Frau Wende scheint kein Interesse daran zu haben, sich mit den ärgsten Sorgen der Studierenden auseinanderzusetzen.

Noch eine Viertelstunde vor Beginn der Diskussionsrunde hat es den Anschein, dass nur wenige Studierende an den geplanten Reformen am Lehramtstudium interessiert sind. Im Klaus-Murmann-Hörsaal in der Leibnizstraße 1 herrscht gähnende Leere, doch glücklicherweise füllt sich der Hörsaal in den kommenden Minuten (zumindest ein wenig). Denn betroffen sind nicht nur angehende Lehramtsstudierende, sondern auch die künftigen Master-Studierenden.

Bildungsministerin Dr. Waltraud Wende beginnt den vom Referat Lehramt des Allgemeinen Studierendenausschusses initiierten Bildungsdialog mit einer Übersicht über die geplanten Reformen am Schulsystem des Landes Schleswig-Holstein. Besonders interessant ist hierbei die geplante Einführung eines Praxissemesters für Studierende im Master of Education. Denn dieser Punkt sorgt bei den anwesenden Lehrämtlern größtenteils für eine Menge Unmut. Frau Wende betont die Wichtigkeit des fachwissenschaftlichen Anteils des Lehramtsstudiums. Gerade diesen sehen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer im Hörsaal durch das Praxissemester bedroht. Die Bildungsministerin beruft sich hierbei auf den fachwissenschaftlichen Anteil an den Hochschulen der anderen Bundesländer. Im Vergleich habe Schleswig-Holstein eine Spitzenposition inne, auf die gerne verzichtet werden kann. Soweit noch nachvollziehbar.

Schwieriger wird das Thema im Bezug auf die Finanzierung dieses Praxissemesters. Die eventuellen Kosten, die durch eine weite Anreise oder sogar einem befristeten Wohnortswechsel ausgelöst können, sind Gegenstand zahlreicher Einwände der Studierenden. Wende steuert mit „bemühen Sie sich um eine Praktikumsstelle in Kiel und Umgebung oder in der Nähe Ihres Elternhauses“ gegen. Weiterhin befinde sich die Bildungsministerin „in Verhandlung“ um ein vergünstigtes Semesterticket für das Land Schleswig-Holstein. Weitere finanzielle Unterstützungen sind nicht geplant. Im Klartext heißt das also: Die Studierenden müssen selber sehen, wie sie im Praxissemester über die Runden kommen. Dass eventuelle Nebenjobs aufgegeben werden müssen, scheint nicht berücksichtigt worden zu sein.

Kurz vor der Explosion. Quelle: Tabea Stracke
Kurz vor der Explosion. Quelle: Tabea Stracke

Sehr schnell wirkt Wende aufgrund der Kritik der Studierendenschaft gereizt. Dass der Geduldsfaden der Bildungsministerin so schnell reißt, ist überraschend, sind die meisten Sorgen der Anwesenden doch nachvollziehbar. Auf viele Fragen geht Wende entweder gar nicht genauer ein oder beantwortet diese zunehmend herablassend und äußerst zynisch. Dass sie Deutsch-Studenten, die nicht auf Lehramt studieren, mit „Was soll denn aus denen schon werden?“ kommentiert, ist nur einer von vielen Höhepunkten des Bildungsdialogs. Solch eine Bemerkung von einer Bildungsministerin ist ganz schön harter Tobak.

In ihren abschließenden Worten, in denen sie die Lehramtsstudierenden abfällig als „Lobbyisten“ bezeichnet, drückt sie ihre Überraschung darüber aus, dass das Praxissemester nicht so gut ankommt, wie sie es sich wohl erhofft hatte. Das Praxissemester habe schon zu ihrer Studienzeit existiert, und was „vor 30 Jahren funktioniert hat, muss auch heute noch funktionieren können“. Na, wenn das so ist.

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8 Kommentare

  1. Das Geschehen kommt mir durchaus bekannt vor. So ähnlich verliefen die Verhandlungsgespräche an der Uni Flensburg auch. Aber mal Butter bei die Fische: es gibt Schlimmeres als ein Praxissemester! Nur so kann man verhindern, dass Lehrkräfte auf SuS losgelassen werden, die noch nie alleine vor der Klasse standen und wohl eigentlich auch woanders hingehören!

  2. Dass sie gereizt ist kann ich verstehen, wenn sie 10x gefragt wird, ob sie nicht vielleicht doch versucht die Studenten als unendgeldliche Lehrer auszubeuten. Sofern man sich wirklich mit seiner Arbeit Mühe gibt, die Bildung des Landes voranzubringen, ist diese Reaktion wohl verständlich.

    Das Grundproblem bleibt: Der Dialog wird missverstanden und das Bildungsministerium macht nicht klar, dass es selber noch in der Planungsphase sind. Die Infos, die bis jetzt bekannt sind, heißen immer noch, dass es nur ein doppelt solanges Master-Praktikum (8W) – und dies am Stück bzw. im Block – wird. Keine Vorlesungsbegleitung oder Semesterlänge, die in der Konnotation mitschwingt. Letztlich kommt es mir wie so oft vor, dass einige überegagierte Studierende viel zu emotional werden und das Ziel aus den Augen verlieren. Wir sollten mit dem Ministerium darüber reden, wie wir uns das „Praxissemester“ vorstellen. Und anstatt zu provozieren, ob man uns ausbeuten will, könnte man doch einfach sagen: Wir wünschen uns, dass es am Block ist, damit niemand gezwungen wird hin- und her zu fahren. Das wäre produktiv. Vielleicht kommt deswegen nur ein Minimum der betroffenen Studierenden – weil es eh uninteressant wird – so wie es war.

    PS: Lobbyismus ist nicht per se schlecht, sondern Teil des Korporatistischen Systems – quasi notwending. Also ist die Formulierung, dass man damit abfällig betitelt wird, wohl nicht ganz passend.

  3. Ich fände ein Praxissemester klasse. Alle Lehramtsstudierende, die ich kenne, wünschen sich einen höheren Praxis- und Pädagogikanteil. Die Erfahrung macht doch wohl alle Kosten wett.

    P.S. Ich bin ein für ein Komma nach dem Oktober, falls es eine Abstimmung gibt … 😉

  4. Merle, was macht man denn im praxissemester anderes als Leute auf die SuS loslassen, die noch nie vor selbigen standen?! Noch dazu ohne Bezahlung und ohne geklärt zu haben, ob es Mentoren an den Schulen gibt. Das riecht für mich schwer nach Sparmaßnahme unter dem Deckmantel der( angeblichen) Verbesserung der Ausbildung der Lehramtler.

    Und über den letzten Satz von Frau Wende kann ich nur lachen. Wenn dem so wäre, wieso hat man dann das Schulsystem geändert?! Das lief ja auch schon vor 30 Jahren und angeblich kann sowas ja heute nicht schlecht(er) sein. Jedenfalls wenn man Frau Wende glauben darf.

    • Tim, was macht man denn im Referendariat anderes, als Leute auf die SuS loszulassen, die noch nie vor selbigen standen?!

      • Mira, natürlich macht man im Referendariat nichts anderes. Aber zum einen ist da die Betreuung klar geregelt, was im Entwurf des Ministeriums bis jetzt nicht der Fall ist. Zum anderen ist die Bezahlung geregelt, was im Entwurf des Ministeriums ebenfalls (noch) nicht der Fall ist.
        Beides ist in meinen Augen essentiell. Denn mehr Praxis im Studium ist mehr als wichtig, aber doch bitte richtig organisiert und durchdacht. Was passiert, wenn man mit einem unfertigen Entwurf an die Öffentlichkeit geht, sieht man an den Reaktionen der Studenten und an den Problemen (Lehrermangel, ein Studium dessen Abschluss nicht der Realität entspricht, etc.) die das Bildungssystem aktuell hat.

  5. Höherer Praxisanteil ist gut und schön, aber diese Frau legt uns Studenten nicht nur einen sondern gleich mehrere Steine in den Weg.

    1. Ihr Argument, dass so viele Lehrer eigentlich nicht für den Beruf geeignet seien oder dass ein Praxissemester den Studenten auch selbst hilft, sich zu Frageen, ob das Berufsfeld wirklich etwas für sie sei, ist sicherlich erstmal korrekt. ABER: Diese Argumentation ist in diesem Fall nicht zulässig, da eine Orientierungsphase im zweiten oder dritten Mastersemester auch nicht mehr viel bringt. So ein Praxis(orientierungs)semester gehört dann in den Bachelor.

    2. Der Workload wird immer größer. Sie will neue Fachdidaktikmodule schaffen, die fachwissenschaftlichen Anteile so beibehalten und zudem am liebsten ein viermonatiges Praxissemester, welches ja dank dem Uniprasidium erstmal wieder vom Tisch ist. Gleichzeitig bleibt die Regelstudienzeit im Master bei 4 Semestern! Gerade für BAFöG Empfänger ist dies ziemlich blöd. Wir haben schon so kaum noch Zeit uns links und rechts umzusehen oder vielleicht ein Ehrenamt oder Ähnliches zu bestreiten. Außerdem ist ja burnout oder Depression wegen Leistungsdruck im Studium kein unbeschriebenes Blatt.

    3. Ja, ein Praxissemester kostet Geld. Auch gehe ich mit, wenn Wende sagt, dass wir Studenten ein klein wenig investieren müssen um bestmöglich ausgebildet zu werden. Aber die Belastungen sind zu extrem! Durch ein zweimonatiges Praxissemester müssen wir entweder durch ganz Schleswig-Holstein reisen oder uns eine Wohnung am Schulort besorgen. Gleichzeitig müssen wir eine Wohnung in Kiel finanzieren und den Nebenjob in den zwei Monaten aufgeben. Bei den Eltern wohnen können oder wollen viele Studenten auch nicht, zudem frage ich mich, ob dies das Bild sein soll, dass man von selbständigen Lehrern haben will.
    Wir haben bereits einen wissenschaftlichen Abschluss und sind (fast) am Ende unseres Studiums: Über eine Entlohnung nachzudenken sollte dann kein Problem sein. Sonst entzieht sich Fr. Wende niemals dem (gerechtfertigten) Vorwurf, möglichst gubstige Vertretungslehrer zu suchen! Schließlich ist s ja auch Fr. Wendes Idealvorstellung, wenn wir allein vor den Klassen stehen und die Lehrer im Nebenraum Klassenarbeiten korrigueren oder anderen Aufgaben nachgehen.

  6. Frau Wende hat mehrmals in ihrer Rede gezeigt, dass sie absolut keine Vorstellung hat von der Lebenswelt der Studierenden, von den Präferenzen der Schulen und Schülerschaft und generell von den Dingen, die sie eigentlich längst hätte wissen sollen bei der ihr so sehr am Herzen liegenden Planung eines Praxissemesters (sie wusste ja nicht mal, wie viele weiterführende Schulen dafür überhaupt in Frage kämen…). Gute (Vor-)Arbeit sieht anders aus und sorgt eigentlich auch dafür, dass man selbst auf unangenehme Fragen eine überzeugendere Antwort parat hat als:“Das ist keine Frage für eine Bildungsministerin!“ (Man merke: Fragen bezüglich der Bildung sind nicht der Frau für Bildung zu stellen…) Dementsprechend ist ihre Gereiztheit auch nur damit zu erklären, dass ihr die Mängel ihrer Arbeit durchaus bewusst waren und die Kritik ins Schwarze getroffen hat.

    Allerdings muss ich in diesem Zusammenhang auch ganz stark das Lehramtsreferat der AStA kritisieren. Es hätte eben diese Interessen der Studierenden vertreten sollen und statt Frau Wende ihren peinlichen Monolog halten zu lassen, einen produktiven Dialog führen sollen, indem es die bei der einige Wochen zuvor entstanden Ergebnisse der Online-Umfrage präsentiert und auf eventuelle Wünsche und Ängste bei der Gestaltung hingewiesen hätte. Stattdessen: Duckmäuser in den Reihen der studentischen Vertretung!

    Um mit den Worten meines Geschichtsdozenten zu endigen:“Mehr Praxisbezug im Lehramtsstudium ist absolut der richtige Weg! Aber die geplante Umsetzung…eine Katastrophe!“

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