Am 16. Januar 2019 wurde in der ungarischen Hauptstadt Budapest der 30-jährige Portugiese Rui Pinto festgenommen, gesucht mit einem europäischen Haftbefehl. In seinem Heimatland Portugal ist er angeklagt wegen versuchter Erpressung und illegaler Datenbeschaffung. Die Verbrechen, die Rui Pinto begangen haben soll, sind Grundlage der Website Football Leaks, welche erstmals im Jahr 2015 online ging und seitdem Enthüllungen in Sachen Fußball veröffentlicht. Der Whistleblower Rui Pinto agierte jahrelang unter dem Pseudonym John und hatte dabei, laut Informationen seiner Anwälte, unter Morddrohungen und Einschüchterungen diverser Akteure zu leiden. Er wird vor Gericht durch William Bourdon vertreten, der bereits Edward Snowden verteidigte und in seinem Beruf als Experte im Bereich des ‚Whistleblowings‘, also der Aufdeckung illegaler Machenschaften, gilt.

Dass Whistleblower durch Gesetze der Europäischen Union einen besonderen Schutz genießen, verhindert bisher eine Auslieferung des Angeklagten nach Portugal. Die Anklagepunkte sind nach Aussage der Verteidiger dabei haltlos und beruhen auf Vermutungen und Anschuldigungen, nicht jedoch auf belegbaren Fakten.

Die Website Football Leaks arbeitet seit dem Jahr 2016 intensiv mit einem journalistischen Netzwerk zusammen, an dem unter anderem die deutsche Zeitschrift Der Spiegel beteiligt ist. Über Monate hinweg erarbeiteten Journalisten, Anwälte, Wissenschaftler und weitere Experten ein Bild, welches den aktuellen Weltfußball als reines Multimilliarden-Geschäft ohne jegliche rechtliche oder staatliche Kontrolle darstellt. In diesem werden Gesetze nicht nur geschickt umgangen, sondern wissentlich gebrochen. Das hat mit dem in Deutschland auf vielen Plätzen der Amateurligen geliebten Sportevent, an dem sich jeder beteiligen kann, scheinbar nichts mehr gemein. Auch auf das in den Erinnerungen der Fans strahlende Sommermärchen 2006, die WM in Deutschland, hat sich durch die Enthüllungen der letzten Jahre ein dunkler Schatten gelegt. Mit dubiosen Zahlungen in Millionenhöhe an FIFA-Mitglieder im Vorfeld der Abstimmung wurde diese gekauft. Ebenso zweifelhaft erscheint durch enthüllte Bestechung und Korruption die Entscheidung der FIFA, die WM 2022 an Katar zu vergeben. Die WM wird, da die Temperaturen von 55 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent im Sommer das Spielen unmöglich machen, nun im Winter ausgetragen, erstmals in der Geschichte der Weltmeisterschaften. Auch diverse Verstöße gegen Menschenrechte, wie die Beschäftigung von Sklaven auf Baustellen, ignorierte die FIFA im Vorfeld der Abstimmung bewusst, wie Berichte von NGOs belegen. Die folgende WM 2026 kommt dann erstmals mit 48 statt wie bisher 32 Mannschaften daher, eine weitere einschneidende Änderung. Diese wird laut Experten und Fans den Trend fortsetzen, das spielerische Niveau, also den eigentlichen Kern einer sportlichen Veranstaltung, noch weiter sinken zu lassen. Und dies zugunsten einer finanziell lukrativeren Vermarktungsform.

Weitere Enthüllungen wurden durch Football Leaks bekannt: Dabei geht es um Steuerhinterziehung diverser Fußballer und Vereine, Korruption, Spielmanipulation, gefälschte Dopingtests und Umgehungen des Financial Fairplay, welches die Einnahmen und Ausgaben der Fußballvereine regeln soll. Desweiteren geht es um illegale Vermittlungen minderjähriger Spieler durch Berater sowie Machenschaften des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino, der laut Spiegel-Redakteuren „noch schlimmer als Sepp Blatter“ sei. Dabei trat er 2016 als Reformer an, der versprach, die FIFA transparenter zu machen.

Auch für die Fans wird es zunehmend schwieriger, sich ohne großen finanziellen Aufwand ihrem Lieblingssport zu widmen. Wollen zu Hause alle Spiele der Deutschen Bundesliga gesehen werden, so müssen die Sender Sky, DAZN sowie neuerdings auch Eurosport abonniert werden. Ebenso steigen die Ticketpreise für einen Stadionbesuch seit Jahren kontinuierlich. Somit sind diejenigen, die als größte Kritiker der Kommerzialisierung des Fußballs auftreten, auch gleichzeitig seine Finanziers. Daneben sind es die diversen Milliardäre, wie der katarische Geschäftsmann Nasser Al-Khelaifi, Präsident und de facto Eigentümer des französischen Vereins Paris St. Germain. Diese sorgen dafür, dass beispielsweise für den Brasilianer Neymar bei seinem Wechsel nach Paris eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro gezahlt wurde oder der 19-jährige Kylian Mbappe ein fixes Jahresgehalt von 18 Millionen Euro ohne Boni und Werbeverträge bekommt. Auf der Website transfermarkt.de wird deutlich, dass der Kaderwert der englischen Premier League Vereine in den letzten zehn Jahren um 180 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro gestiegen ist. Zahlen, die beliebig erweitert werden können und die aufzeigen, dass im Fußball des Jahres 2019 der wirtschaftliche Faktor den sportlichen längst abgelöst zu haben scheint. Die Enthüllungen von Football Leaks haben die Vermutungen vieler dabei schwarz auf weiß bestätigt.

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