Artikel von Annika Herrmann

Ein interessierter Blick auf mein Getränk, dann der Start in einen vermeintlich unverfänglichen Smalltalk auf einer Party: „Und, was trinkst du?“ Meine Antwort haut den Fragenden jedoch meist komplett von den Füßen. Denn was ich in meinem Glas habe, ist keine fancy Mische. Da ist nur Cola drin. Pur. Sobald das geklärt ist, wird aber direkt nachgehakt: „Ach, du fährst also?“ Würde ich dies einfach bejahen, wäre das Thema schnell beendet. Denn das wäre die Begründung, die mein Gegenüber beruhigen und nicht das Urvertrauen darin, dass jede*r Student*in Alkohol trinkt, erschüttern würde.  

Ich fahre auch wirklich oft. Aber die Kausalität zwischen diesem entspannteren Heimweg und meinem nicht vorhandenen Alkoholkonsum ist anders als zumeist angenommen. Es ist nicht so, dass ich nicht trinke, weil ich fahre. Vielmehr ist es so, dass ich fahre, weil ich keinen Alkohol trinke. Nein, auch keinen kleinen Schluck zum Anstoßen. Sollte ich allerdings nicht fahren und dies auch wahrheitsgemäß kundtun, folgt unweigerlich: „Wieso trinkst du dann nicht?“ Wer jetzt denkt, dass dann tatsächlich meine Antwort abgewartet wird, weil an ihr ein wirkliches Interesse besteht – falsch gedacht. Ganz oft wird mir stattdessen ungefragt das nächstbeste alkoholische Getränk in die Hand gedrückt. Nach dem Motto „Das wird dir auf jeden Fall schmecken!“ und „Du musst doch was trinken, um Spaß zu haben.“ Dass die großen Dramen meistens zwischen den Leuten mit dem höchsten Pegel passieren, lassen wir an dieser Stelle mal unausgeführt. Spaß sieht für mich so nur auch nicht aus, aber danke für die Fürsorge.  

Wird sich diese Situation umgekehrt vorgestellt, dann wird vielleicht deutlich, wie absurd sich das für mich anfühlt. Ich nehme den Umstehenden doch auch nicht die alkoholischen Getränke weg, oder ersetze diese durch Wasser. Frei nach dem Motto „Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben“. Ich erkundige mich nicht, wieso mein Gegenüber Alkohol im Glas hat – selbst, wenn mich das interessiert. Wie komisch würde es wohl anmuten, wenn ich eine Begründung für den Alkoholkonsum suche, indem ich unterstelle „Ach, du fährst also nicht?“. Denn das ist einzig und allein die Entscheidung meines Gegenübers. Es ist sein*ihr Körper, es sind seine*ihre Gehirnzellen. Das gilt für mich aber genauso.  

Wieso muss ich mich dafür rechtfertigen, dass ich meinem Körper diese Droge vorenthalte? Ich kann absolut nachvollziehen, dass es neugierig macht, wenn sich jemand nicht gewohnheitsgemäß verhält. Allerdings kann gerade beim Thema Alkoholkonsum diese scheinbar harmlose Erkundigung – „ Sag mal, wieso trinkst du eigentlich nicht?” – etwas beim Gegenüber auslösen, was auf einer Party wirklich keinen Platz hat. Vielleicht ist der*die Gegenüber krank und/oder muss starke Medikamente nehmen. Vielleicht hat er oder sie Alkoholabhängigkeit im nahen Kreis mitbekommen. Oder, für viele eine ganz abwegige Idee, vielleicht schmeckt es auch einfach nicht und ein Morgen danach ohne Kater ist sehr verlockend. 

Egal was es ist, der- oder diejenige will genau wie der Rest der Menschen auf dieser Party eine gute Zeit haben und nicht in die äußerst unangenehme Situation gedrängt werden, die vielleicht privatesten Probleme offenzulegen. Also schnappt euch euer (alkoholfreies) Getränk oder zur aktuellen Jahreszeit vielleicht sogar schon den Glühwein und habt einfach einen guten Abend . Ohne euch darüber Gedanken zu machen, wieviel Prozent wohl in dem Becher gegenüber sind, danach bemisst sich erschreckenderweise nämlich nicht der Spaßfaktor.  

Autor*in

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