Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des professionellen Klimaschutzes an der CAU sprach DER ALBRECHT mit dem weltweit angesehenen deutschen Klimaforscher Dr. Mojib Latif, Professor für Klima- und Ozeanforschung am GEOMAR in Kiel, über die globale Erderwärmung.

DER ALBRECHT: Herr Professor Latif, Sie gehören zu den bekanntesten Klimaforschern Deutschlands. Woher kommt ihre Faszination für unser Klima? 

Prof. Mojib Latif: Als Kind wollte ich eigentlich immer Pilot werden, aber in der Schule bemerkte ich schon früh mein Interesse für das Schreiben und Ausarbeiten von naturwissenschaftlichen Themen. Manchmal musste ich Strafarbeiten machen und dann habe ich immer Aufsätze über ungewöhnliche Themen geschrieben, wie Tiere, die niemand kennt. Wissbegierde und Forschung steckten schon immer in mir drin. Zur Klimaforschung kam ich durch mein Studium der Meteorologie und Ozeanographie. Da war der Schritt zum Klima nicht mehr weit.

Sie warnen schon seit vielen Jahren vor den Folgen des Klimawandels. Nun war das Jahr 2015 das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturmessung. Warum fällt es uns Menschen so schwer, Verantwortung zu übernehmen und auf die vielen Warnungen zu hören?

Wir Menschen sind leider alle Egoisten. Solange uns Probleme nicht betreffen, verschließen wir gerne die Augen davor. Hinzu kommt, dass das Thema so groß und komplex ist, dass es sich außerhalb unseres räumlichen und zeitlichen Denkens befindet. Wir können uns das dicke Ende in der Zukunft einfach nicht vorstellen. Derzeit merken wir den Klimawandel in Deutschland nur durch unsere milderen Winter und die zunehmenden Wetterextreme – aber den größten Teil bemerken wir hier einfach nicht. In den letzten hundert Jahren ist beispielsweise der Meeresspiegel um 20 Zentimeter gestiegen: Hier bauen wir einfach unsere Deiche höher – aber auf den Marshallinseln* beispielsweise zählt jeder Zentimeter.

Welche Region auf unserem Planeten ist am stärksten von dem Klimawandel betroffen?

Das ist eindeutig die Arktis, was für uns Forscher nicht überraschend kommt. Das Eis geht drastisch zurück und die Nordostpassage ist im Sommer schon komplett befahrbar. Die Ökosysteme sind hier stark gefährdet, auch weil die arktischen Gewässer viel von dem CO2 aufnehmen, das wir in die Luft blasen.

Einmal zum Verständnis: Warum erwärmt Kohlenstoffdioxid unsere Erde?

Das ist der sogenannte Treibhauseffekt. Wir sind der einzige Planet in unserem Sonnensystem, der lebensfreundliche Bedingungen auf der Oberfläche hat. Um das zu verstehen, müssen wir uns die Zusammensetzung der Luft genauer anschauen: Sie besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff, zu 21 Prozent
aus Sauerstoff und zu gut 0,9 Prozent aus Edelgasen. Aber wären diese 99,9 Prozent alles, dann wäre die Erde ohne Leben und eine einzige Eiswüste. Der kleine Rest von weniger als 0,1 Prozent sind Spurengase wie Wasserdampf, CO2, Methan oder Lachgas. Sie verursachen den berühmten Treibhauseffekt auf unserer Erde. Die Sonne ist 6 000 Grad heiß und sendet kurzwellige Strahlung in Form von Licht aus. Die Erde ist im Vergleich zur Sonne kalt und strahlt deswegen langwellige Strahlung im Infrarotbereich aus. Einige der Spurengase absorbieren beziehungsweise verschlucken diese langwellige Strahlung und werfen sie teilweise wieder zurück an die Erdoberfläche. Das ist der natürliche Treibhauseffekt mit einer Erwärmung von über 30 Grad. Wenn wir jetzt anfangen, den Anteil der Spurengase, wie CO2 zu erhöhen, dann verstärken wir diesen Effekt und es kommt zu einer zusätzlichen Erwärmung.

Wie wird die Welt in einigen Jahren aussehen, wenn wir unser Umwelt- und Energiebewusstsein nicht verändern? Wie lange wird es unsere schöne Stadt Kiel noch geben oder wird Hannover bald Hafenstadt sein?

Wenn wir unser Verhalten nicht ändern, wird der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts noch einmal um maximal 80 Zentimeter steigen. Mit unserem jetzigen Anstieg von 20 Zentimetern wären wir dann bei einem Meter. Wir werden uns daran anpassen können, das heißt die Deiche gegebenenfalls höher bauen. Der Anstieg wird sich jedoch jahrhundertelang fortsetzen und noch beschleunigen. Dann wird es auch für uns kritisch. Sorgen machen uns aber auf jeden Fall die Wetterextreme: Im letzten Monat gab es einen Hurrikan unten im Atlantik – eigentlich gibt es keine Hurrikane im Januar. Es passieren leider immer wieder Dinge, über die wir uns nur wundern können.

Was kann jeder Einzelne tun?        

Es fängt schon bei der Mobilität an. Man braucht keinen Geländewagen, wenn man kein Förster ist. Und es muss auf den Straßen nicht immer Vollgas gegeben werden. Ich habe zum Beispiel mein persönliches Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn. Mir reicht das vollkommen und ich spare gleichzeitig Benzin und verringere den CO2-Ausstoß. Für kurze Wege schwinge ich mich auf das Rad. Zuhause kann zum Beispiel gespart werden, indem das Wasser zum Kochen von Nudeln vorher im Wasserkocher erhitzt wird oder Standby-Geräte an Steckerleisten mit Schalter angeschlossen werden. ‚Unten‘ muss auf jeden Fall etwas passieren – aber ich finde auch, dass etwas von ‚oben‘ kommen muss. Nach dem VW-Skandal im letzten Jahr hätte ich von der Bundesregierung gerne gehört, dass wir innerhalb der nächsten zwanzig Jahre aus dem Verbrennungsmotor aussteigen werden. Genauso wie die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, könnte auch die Elektromobilität attraktiver werden. Die Lösungen sind da. Die Brennstoffzelle beispielsweise speichert Windenergie in Form von Wasserstoff. In Hamburg fahren schon einige Linienbusse mit Brennstoffzellen. Die klimaneutralen Ideen und Techniken sind also nicht nur Fantasie der Zukunft, sondern schon längst vorhanden – wir müssen sie nur umsetzen und verbreiten. Derzeit leben wir aber leider noch immer in der Steinzeit – wir verbrennen etwas, um uns zu wärmen.

Die Christian-Albrechts-Universität feiert gerade das fünfjährige Bestehen des Arbeitskreises Umweltmanagement. Was möchten Sie der Universität und den Studierenden auf den Weg geben?

Ich sage nur: ‚Geht nicht, gibt’s nicht‘. Viele reden davon, dass die Energiewende so schwer und teuer sei. Aber mittlerweile haben wir in Deutschland schon 30 Prozent erneuerbare Energien beim Strom – vor zehn Jahren hätte das noch niemand geglaubt. Es geht also alles, wenn man es nur will. Und die CAU könnte durchaus auch schon vor dem Jahre 2030 klimaneutral werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Fenja Wiechel-Kramüller

*Ein Anstieg von circa 60 Zentimetern reicht, um die Hauptstadt Majuro der Republik Marshallinseln (westlicher pazifischer Ozean) zu überschwemmen.

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