Herr Kämpfer Sie sagten, Sie würden „mit viel Vorfreude und viel Respekt an die Arbeit“ gehen. War die Vorfreude die schönste Freude?

Die Vorfreude ist noch immer da und wo sie nicht mehr da ist, ist sie der Freude über das Amt gewichen. Ich habe mir die Freude auch nicht verderben lassen von den Nachrichten um das geplante Gaskraftwerk und unsere Stadtwerke.

In einem Interview mit der taz antworteten Sie auf die Frage, was Ihre Projekte seien: „Wohnen, Wirtschaft, Kinder, Klima“. Heißt das konkret sozialer Wohnungsbau, Zentralbad, Gaskraftwerk, Stadtregionalbahn (SRB) und kleiner Kielkanal?

Kraftwerk und Schwimmbad, das sind Projekte an denen ein Oberbürgermeister gemessen wird. Ob er die erstens zeitgerecht und zweitens im Kostenrahmen verwirklicht. Beim Wohnen heißt das in einer wachsenden Stadt: Sozialer Wohnungsbau, studentisches Wohnen, Wohnraum für junge Akademiker- und Facharbeiterfamilien und der Ausbau von Kitas und Krippen.

Sie waren in der Vergangenheit auch als Familienrichter in Kiel tätig. Wie werden sich Ihre Erfahrungen auf Ihr neues Amt auswirken? Sehen Sie Probleme, die andere nicht sehen?

Das hat mich in dreifacher Hinsicht geprägt. Zum einen heißt Richter zu sein, viele existenzielle Entscheidungen in kurzer Frist gut und begründet zu treffen. Wenn man das nicht kann, ist man kein guter Familienrichter und auch kein guter Oberbürgermeister. Gleichzeitig erzielt man zu 80 bis 90 Prozent Vergleiche. Ich war auch Mediator und habe sowohl gelernt, Leute zusammenzubringen, als auch harte Entscheidungen zu treffen. Beides kommt mir in dieser Stadt zugute, die doch im letzten Jahr sehr politisch aufgeladen war.

Sie wollen sich für mehr Bürgerbeteiligung einsetzen. Was verstehen Sie genau darunter?

Wir haben neue niedrigere Hürden bei Bürgerentscheiden, das ist etwas, was ich begrüße. Ich fand den Bürgerentscheid zu Möbel Kraft richtig und das ist nur durch eine Gesetzesänderung möglich geworden, die ich noch als Staatssekretär begleitet habe. Wir hatten dadurch eine intensive Diskussion in der Stadt und wir haben trotz des knappen Ergebnisses eine gewisse Befriedung. Jenseits der gesetzlichen Beteiligungsrechte kann man durch Planungsworkshops, Werkstattverfahren oder Beteiligung von Ortsbeiräten sehr viel Anregungen und Lösungen finden. Manche Projekte wären möglicherweise ganz anders verlaufen, sowohl von der Verbitterung als auch vom Ergebnis her, wenn man es anders angefasst hätte.

Wir werden mit Ihnen also auch eine intensive Debatte zur SRB und zum Kleinen Kiel-Kanal erleben?

Die Debatten haben wir schon. Der Kleine Kiel-Kanal ist ein ganz gutes Beispiel, er war Ergebnis einer Bürgerbeteiligung, das hat nicht dazu geführt dass alle sagen: Ist doch prima! Bürgerbeteiligung ist also keine Garantie, dass es keinen Streit gibt. Eine SRB wird nur nach einem positiven Bürgerentscheid gebaut werden.

Sie wollen bis 2020 auch den Stadthaushalt „zurück in die Spur“ gebracht haben. Steht das nicht etwas im Widerspruch zu den vielen Vorhaben?

Ich würde nicht sagen, dass es einen Widerspruch gibt, aber ein akutes Spannungsverhältnis. Einerseits ist unser Haushalt schwierig und defizitär, andererseits haben wir sehr viele dringende Investitionen in der Stadt. Das überein zu bringen ist in der Tat fast die Quadratur des Kreises und die gibt es bekanntlich nicht. Wir müssen uns überlegen, was ist zumindest zeitlich nachrangig und was muss vielleicht begraben werden, obwohl es sinnvoll, notwendig oder ‚nice to have’ wäre. Wir müssen offen die Entweder-Oder-Frage stellen und sie auch beantworten. Der Haushalt setzt den Rahmen.

Gibt es etwas Konkretes, das Sie für die Studierenden in Ihrer Stadt tun werden?

Generell ist da das Thema Zusammenarbeit Stadt und Universität. Früher konnte man den Eindruck gewinnen, dass die CAU ein gelandetes Raumschiff in der Stadt ist. Das hat sich aber seit vielen Jahren ganz stark verbessert. Ich freue mich sehr, dass wir zum 350-jährigen Jubiläum der Universität gemeinsam ganz viel machen werden. Das andere ist natürlich, was kann die Stadt für die Studierenden tun? Das fängt bei ordentlichen Busverbindungen und dem Ausbau der fahrradfreundlichen Stadt an. Studentisches Wohnen, da hat meine Vorgängerin schon einiges angestoßen, das ich fortführen möchte. Es gibt noch Stadtteile, die von studentischer Seite noch wachgeküsst werden könnten, ich denke da an die Wik und Gaarden.

Die Studierenden der Uni Kiel haben sich in einer Abstimmung für die Einführung einer Zivilklausel ausgesprochen. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich finde es immer gut, wenn sich Studierende oder Universitäten nicht nur ihrem Studium widmen, sondern kritisch hinterfragen, was an der Universität gelehrt und geforscht wird. Mit einer Zivilklausel, die konkret heißt, alles was irgendwie mit militärischer, wehrtechnischer Forschung zu tun hat, ist nicht gewollt, habe ich aber ein Problem. Ich bin kein Pazifist. Solange demokratische, dem Frieden und den Menschenrechten verpflichtete Staaten Armeen brauchen, wird es auch Rüstungsindustrie und Wehrtechnik geben. In engen Grenzen und streng kontrolliert.

Aktuell befinden sich das Land und die Universitäten Kiel und Flensburg in einem Streit um das Lehramtsstudium. Kiel fürchtet den Bedeutungsverlust. Verstehen Sie diese Ängste?

Ich kann Befürchtungen verstehen, auch wenn an der Uni Kiel zunächst einmal nichts konkret abgebaut wird. Ich setzte mich aber dafür ein, dass es auch auf mittlere und längere Sicht keinen Rutschbahneffekt zu Lasten der Kieler Hochschulen und der Lehramtsausbildung der CAU gibt. Gute und faire Kompromisse zwischen den Universitäten sind notwendig, da müssen die Akteure auch in der Lage sein, etwas auszuhandeln, ohne das immer gleich Eklat und Kriegsrhetorik Platz ergreifen. (lacht) An der Stelle hätte ich für eine Zivilklausel durchaus Sympathie.

Sie haben mehrmals betont, dass Sie mindestens eine volle Amtszeit im Amt bleiben wollen. Können wir das als Versprechen notieren?

Das können sie als Versprechen notieren.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Das Interview führte Felix Rudroff

Foto: Felix Rudroff

 

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