Ministerpräsident Albig besucht Geflüchteten-Initiative Willkommen in der Wik

Am gestrigen 15. Februar besuchte Ministerpräsident Torsten Albig die Flüchtlingsinitiative Willkommen in der Wik und machte sich ein Bild dessen, was in den letzten fünf Monaten rund um den Kieler Anscharpark entstanden ist. Im September 2015 wurde die Initiative von Kieler Bürgerinnen und Bürgern anlässlich des Zuwachses in der Nachbarschaft ins Leben gerufen: Mehrere hundert Geflüchtete kamen in den roten Backsteingebäuden der ehemaligen Technischen Marineschule (TMS) an und fanden dort Zuflucht.

Nachdem die meilenweit gereisten Menschen mit dem grundlegend Wichtigen wie Schlafplätze, Essen, Trinken und Kleidung versorgt wurden, kommt die Initiative Willkommen in Kiel ins Spiel. Sie hat sich kulturelle Bildung zum Ziel gemacht, die es ermöglicht eine Willkommenskultur auf ganz wörtliche Weise zu leben. Die vier Arbeitsgruppen Sprache, Bewegung, Organisation und Kreatives stellten sich am gestrigen Montag dem Ministerpräsidenten und den Pressevertreter*innen vor.

Wir glauben an die internationale Sprache der Kunst

Der Anscharpark ist mit seinem Atelierhaus bereits mit Künstlerinnen und Künstlern besiedelt. Franny Petersen-Storck stellt jedoch nicht nur sein Atelier, sondern auch seine Zeit und Tatkraft zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit der Muthesius Kunsthochschule konnte ein gesamtes Kunstprojekt für die neuen Wikerinnen und Wiker entstehen. Es wird gemalt und gebastelt, Schmuck hergestellt, Farben und Materialien ausprobiert. „Dieses künstlerisch-kreative Tun bietet sich als erster Schritt in Richtung Heilung für die Geflüchteten an und stellt somit eine Möglichkeit zur Erlangung von Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit dar“, so der Künstler. Das Atelier wimmelt an diesem Montag von Kindern mit bunt angemalten Gesichtern, die sich von dem plötzlichen Pressetrubel um und mit Torsten Albig kaum ablenken lassen. Nur ein Junge mit Tigergesicht lächelt verschmitzt in jede Kamera, die er vor die Nase bekommt. Stolz präsentieren die Kinder die Bilder, Halsketten und Armbänder und was sie nicht noch alles gemeinsam mit ihren Eltern und den Betreuer*innen haben entstehen lassen. Auch Dr. Arne Zerbst, Präsident der Muthesius Kunsthochschule, erfreut sich an dem, was er sieht. „Wir glauben an die internationale Sprache der Kunst“, sagt Zerbst und erklärt so, weshalb sich auch die Muthesius hier mit finanzieller Unterstützung einsetzt.

Kleiderkammer soll Stolz zurück geben

Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch Künstlerin Lavanya Boesten, die das Konzept der Kleiderkammer erklärte. Durch den gemeinnützigen Verein RAN hilft sowie viele weitere ehrenamtliche Helfer wurden Kleiderspenden für die Geflüchteten gesammelt. Dies ist in erster Linie nichts Ungewöhnliches, jedoch ist es die Umsetzung, die bei Willkommen in der Wik besonders ist: Ein alter, trostloser Klassenraum der TMS wurde zur Kleiderkammer mit Boutique-Flair umfunktioniert. Boesten machte sich hierzu viele Gedanken, sei es um das Farbkonzept, als auch um die Beschäftigung der Kinder, wenn die Eltern nach Kleidern suchen. Eine warme, willkommen heißende Atmosphäre zu schaffen war hierbei besonders wichtig, denn dies habe sehr viel Einfluss auf den Umgang mit der Kleidung, so die Initiatorin. „Die Menschen sollen sich ihre Würde bewahren und ihre Kleidung selbst aussuchen dürfen“, erklärt Boesten. Dies wird dadurch unterstrichen, dass auch Schmuck zur Auswahl steht: „Es geht eben nicht immer nur ausschließlich um nützliche Dinge, sondern auch um solche, die einfach schön sind, ganz wie im normalen Leben“, erklärt die Künstlerin.

Moin Moin und Tschüss

Natürlich soll neben der kulturellen Weiterbildung der Sprachunterricht nicht fehlen. Mit fünf freiwilligen ‚Lehrer*innen‘ hätten sie begonnen – jetzt seien sie fünfzig, erzählt Ingeborg Axe, Leiterin der Sprachgruppe. Während die Kinder sobald wie möglich in DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) an der Friedrich-Junge-Schule in der Elendsredder aufgenommen werden, können die Eltern die kostenlosen Kurse der Willkommen in der Wik Initiative wahrnehmen. Das erste, was die Teilnehmenden mit Begeisterung lernen würden sei „Moin Moin“ und „Tschüss“. Der weitere Weg mit der deutschen Sprache sei jedoch natürlich schwierig und gerade anfangs müsse sich oft mit Händen und Füßen verständigt werden. Doch immer wieder seien sie überrascht, welch große Fortschritte die Lernenden machten. Diese neuen Sprachkenntnisse können dann beispielsweise in der Begegnung mit den Anwohnenden genutzt werden. Zweimal in der Woche werden dazu die Türen des ehemals leer stehenden Kiosks Kuddel geöffnet. Hier wird bei Kaffee und Kuchen Schach gespielt, geschnackt und Gemeinschaft erlebt. Es würden immer wieder schnell Wege gefunden, die Sprachbarriere zu umgehen, erklärt die Verantwortliche Ruth Müller. Das so genannte Café International findet immer dienstags und samstags von 15-17 Uhr statt und ist offen für alle, die kommen mögen.

Fahrräder sind Freiheit

Auch Sport ist ein wichtiges Thema in diesem Kieler Viertel. Regelmäßig wird gemeinsam Fußball und Tischtennis gespielt und erlebt, wie der Sport einander verbindet. Um eventuell Weiteres entstehen zu lassen, wird hier jedoch noch dringend nach Unterstützung gesucht. Des Weiteren wurden in den letzten Wochen viele Fahrräder gespendet, die von ehrenamtlichen Helfern sowie auch zwei der neuen Bewohner repariert werden und den Geflüchteten zur Verfügung stehen. Dieses Projekt erfreut sich außerordentlich großer Beliebtheit. Petersen-Storck wundert das nicht: „Fahrräder sind Freiheit“, sagt er lächelnd.

Schleswig-Holstein sagt Danke

Nach dem Rundgang durch die Ateliers und den vielen vorgestellten Einzelprojekten ist auch Ministerpräsident Torsten Albig beeindruckt. „Es ist wichtig, dass Menschen jenseits des halb-politischen Populärdiskurses Orte schaffen, wie Sie es hier tun“, lobt er die Initiatorinnen und Initiatoren und spielt damit auf solche Mitmenschen an, die sich allzu schnell ein negatives Urteil über die geflüchteten Menschen erlauben. Willkommen in der Wik sei dagegen ein Vorbild für eine gelebte Willkommens- und Anerkennungskultur in Schleswig-Holstein. Mit einem herzlichen Dankeschön vergab Torsten Albig somit im Namen der Landesregierung den neuen Schleswig-Holstein-Anstecker „Helfende Hände“ an die ehrenamtlich tätigen Kielerinnen und Kieler. „Wir geben nicht nur, wir lernen auch viel“, ergänzt Franny Petersen-Storck und macht noch einmal deutlich, wie wichtig Empathie und Gemeinschaft für unsere Gesellschaft sind. „Auch wir Kielerinnen und Kieler waren uns untereinander noch fremd“, erzählt er. Es sei umso beeindruckender, wie schnell Gutes entstehen würde, wenn man nur Hand in Hand arbeite.


Willkommen in der Wik sucht auch weiterhin nach neuen helfenden Händen! Ein Treffen mit allen Gruppen findet am Montag, den 22. Februar 2016 um 19 Uhr in der Lukas-Gemeinde in der Holtenauer Straße 327 statt. Alle, die sich für ehrenamtliches Engagement innerhalb der Wiker Initiative interessieren, sind herzlich eingeladen, dabei zu sein.

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

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