Ein Kommentar von Sophie Luisa Dieckmann

„Warum siehst du heute denn schon wieder so chic aus?“. Diese Frage in gleicher oder abgewandelter Form bekomme ich seit meinem zwölften Lebensjahr mindestens einmal die Woche zu hören. Und häufig schwingt ein unterschwelliger Vorwurf in der Frage mit. Ganz so, als hätte ich mit meinem grünen Kleid und den türkis glänzenden Ohrringen eine ungeschriebene Regel gebrochen. Oder ich vernehme einen verwunderten Unterton mit der Intention zu verunsichern. Als sei mein Outfit eine kuriose Wahl für den gegebenen Tag oder Anlass.

Ich mag Mode. Dabei mache ich mir nichts aus aktuellen Trends, Marken oder regelmäßigen Shoppingnächten in der örtlichen Einkaufspassage. Ich trage auch keine Kleidung, die den Stilvorgaben der 80er folgt oder nur bunt gemustert daherkommt. Ich bin modisch kein Hipster, Skater, Yuppie und auch keine Audrey Tautou. Runtergebrochen auf ein Wort lässt sich mein Auftreten vielleicht ganz einfach als ‚gepflegt mit einem Hauch von Eleganz‘ beschreiben. Andere würden meinen Kleidungsstil wiederum als ’sorgfältig‘ bezeichnen. Das klingt weder individuell noch sexy. Eigentlich sogar ziemlich langweilig. Jedoch falle ich scheinbar auf.

Das mag daran liegen, dass ich mich gern feminin kleide und Kombinationen mit Bedacht wähle. Einmal greifen die Schuhe die Farbe des Schals auf, ein anderes Mal ist vielleicht alles weiß. An dieser Freiheit habe ich Freude. Außerdem trage ich häufig Kleider und Röcke. Wichtig beim Kauf von Kleidung – egal ob neu oder second-hand – ist mir eine gute Qualität und ein schöner Schnitt. Natürlich kostet dieser Anspruch. Aber dafür besitze ich weniger, trage meine Sachen lange und pflege sie.

Doch habe ich oftmals das Gefühl, mit meiner Art mich zu kleiden, missverstanden zu werden. Interessant hierbei ist, dass insbesondere im studentischen Umfeld einem vielleicht ’sorgsameren‘ Auftreten mit großer Skepsis begegnet wird. Häufig habe ich den Eindruck, zunächst in Schubladen wie ‚oberflächlich‘ oder ‚Mami und Papi haben Geld‘ wieder zu finden. Wer sich eleganter kleidet als der Durchschnitt, wird schnell in eine Rechtfertigungsposition gedrängt. Spitze Kommentare wie „Du siehst heute aber chic aus.“ zeigen, dass das eigene Auftreten auch noch im 21. Jahrhundert eine Provokation darstellt – eine Abweichung von der Norm und dem, was gesellschaftlich akzeptiert ist.

Für mich ist Mode eine Frage der Wertschätzung und eine gelebte Form des Feminismus. Indem ich mir mit meinem Äußeren ‚Mühe‘ gebe und mir Gedanken über mein Outfit mache, äußere ich indirekt Wertschätzung gegenüber mir und meiner Umwelt. Dadurch, dass ich mich feminin kleide, betone ich meine Weiblichkeit und erkenne diese öffentlich an. Ich signalisiere der Welt: „Ja, ich bin eine Frau und das sehr gern!“

Natürlich muss niemand seiner Weiblichkeit modisch Ausdruck verleihen geschweige denn sich elegant kleiden. Selbstverständlich kann Feminismus auch auf ganz andere Weise gelebt werden. Aber ist es nicht Teil des Feminismus, dass sich jede Frau so geben kann, wie sie möchte? Aber warum wird dann eine Angela Merkel für ein – für ihre Verhältnisse – ungewöhnlich tiefes Dekolleté bei den Bayreuther Festspielen immer noch von der Presse zerrissen?

Lange Zeit bedeutete Feminismus die Nivellierung des Weiblichen. Hosenanzug, Schulterpolster, kurze Haare, wenig bis kein Make-up lautete die Devise. Wer sein Äußeres betonte, galt als oberflächlich. Der Grund hierfür war die Emanzipation von dem Rollenbild der perfekten Hausfrau und Mutter in den 70er und 80er Jahren. Den Feministinnen von damals haben wir es zu verdanken, dass die Gleichberechtigung große Fortschritte gemacht hat. Gleichzeitig bedeutete der Erfolg aber auch eine optische Anpassung an das männliche Geschlecht. Und noch heutzutage scheint sich das Credo ‚bloß nicht zu viel‘ in der deutschen Gesellschaft zu halten. Es reicht ein Vergleich zwischen Christine Lagarde und Angela Merkel und einem wird das Verhältnis der Deutschen zum femininen Auftreten klar.

Für mich stellt sich die Frage, ob es nicht Zeit für ein Umdenken ist – für eine weiblichere Form des Feminismus. Einen Feminismus, der alle Formen von Weiblichkeit akzeptiert und im ‚Frau sein‘ seine Stärke erkennt. Und der endlich versteht, dass Frauen, die Wert auf ihr Äußeres legen und sich modisch kleiden, weder dumm noch oberflächlich oder weltfremd sind. Sondern einfach nur Frauen. Mehr nicht.

 

Autor*in

Sophie studiert Germanistik und Kunst. Seit April 2015 ist sie Teil der Redaktion des ALBRECHTs. Sophie ist für den Bereich 'Zeichnungen' zuständig und greift hier auch gerne selbst zum Stift.

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