Treffen sich Diego Maradona, ein Supermodel und ein in die Jahre gekommener Komponist in einem Schweizer Kurhotel. Das klingt nach dem Beginn eines schlechten Witzes, doch zum Lachen ist Paolo Sorrentinos neuer Film Youth nicht. Ab und an kann er einem ein Schmunzeln entlocken, aber Sorrentino bedient in seinem neusten Werk andere Emotionen die des Dramas. Die Bedeutung von Gefühlen wird nicht nur durch das Schauspiel deutlich, sondern explizit benannt, zum Beispiel als Mick (Harvey Keitel) versucht seinem Freund Fred (Michael Caine), der nicht nur von seiner Tochter (Rachel Weisz) als teilnahmslos gegenüber anderen beschrieben wird, davon zu überzeugen, wie wichtig Gefühle seien: „You say that emotions are overrated. But that’s bullshit. Emotions are all we’ve got.“ Damit verweist Sorrentino zudem nicht das einzige Mal auf das Kino.

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Mick ist Regisseur und Drehbuchautor, sein Freund Fred ist Komponist. Beide sind für ihre früheren Arbeiten weltbekannt. Im Moment sind sie aus unterschiedlichen Gründen Gäste in einem Schweitzer Wellness-/Kurhotel. Mick nutzt die Abgelegenheit des Hotels, um gemeinsam mit fünf jungen Autoren an einem neuen Drehbuch zu schreiben es soll ein ganz besonderer Film werden. Fred ist bereits seit zwanzig Jahren regelmäßiger Gast dieses Hotels, früher mit seiner Frau, nun reist er allein. Während seines Aufenthalts wird Fred von einem Gesandten der Queen gebeten, eine seiner frühen Kompositionen, bekannt unter der Bezeichnung „The Simple Songs“ (für Simple Song #3 erhielt David Lang eine Oscarnominierung) zum Geburtstag Prinz Philips wieder aufzuführen, aber Fred würde gerade diese Stücke am liebsten vergessen. Außerdem treffen die beiden Freunde noch auf Jimmy Tree (Paul Dano), einen Jungschauspieler der es leid ist, auf die Rolle des „Mr. Q“ reduziert zu werden.

Die Beziehung zu Hollywood und dem Starsystem sowie der romantisierende Blick in die Vergangenheit liegen bei dieser Figurenkonstellation sehr nahe. Die Geschichte ist damit jedoch mit Nichten zu Ende erzählt, wie es der Filmtrailer eventuell vermuten lässt. Zwei alte, reiche Männer, die über ihre Prostata und vergangene Zeiten sprechen. Dass es unbedingt Super-Komponisten, -Regisseure, -Schauspieler oder -Models sein müssen, ist der Selbstreflektion des Films geschuldet. Die berühmte und damit öffentliche Person steht im Kontrast zur privaten. Eine Transformation kann hier geschehen, weil sich die Figuren in einem Raum fern der Öffentlichkeit befinden. Verstärkt wir dies durch die einsamen Wanderwege, die grünen Täler und Gebirgszüge. Dargestellt im idyllischen Postenkartenmotiv, in dessen Umfeld Fred und Mick in tagtraumartigen Analepsen über ihr Leben reflektieren. Es gibt keine Presse oder kreischende Fans die sie belagern, und wenn doch, dann durch einem Metallzaun. Die weiteren Hotelbewohner verkörpern keine Störfaktoren, stammen sie doch aus einem ähnlichen Milieu, weshalb sie die äußerliche Apathie kennen und teilen. Obwohl die Erzählperspektive zum größten Teil an Fred geknüpft ist, eröffnen sich andererseits durch die heterogenen Hotelgäste und Mitarbeiter neue Erkenntnisse für die Figuren, die sie im Allgemeinen sowie Fred und Mick im Besonderen nicht aus ihrer Freundschaft ziehen können, weil sie sich gegenseitig nur die guten Dinge erzählen.

Bildquelle: Fox SearchLight
Quelle: Fox SearchLight

Sorrentinos letzter Film La Grande Bellezza war eine Ode an Rom und Frederico Fellinis Filme. In Youth setzt er diese Linie in Teilen fort, die Geschichte enthält deutliche Referenzen auf Fellinis . Außerdem gehören die Protagonisten wieder zur sogenannten Bohème, ihre existenzialistischen Bedürfnisse sind gesichert, somit bietet ihr Leben genügend Raum für andere Sorgen.

Youth konstruiert mithilfe der Nebenfiguren ein Oppositionsfeld, welches jung versus alt, Kino versus TV, Leben versus Tod oder Emotionen versus Apathie gegenüber stellt und jeweils ein Bezugspunkt in Freds Reflektionsprozess widerspiegelt. Sorrentino drapiert Figuren nebeneinander, die vor jeweils individuellen Lebensentscheidungen stehen, ohne zu werten, sondern um voneinander zu lernen, beziehungsweise sich kennenzulernen und parallel einige stereotype Gesellschaftsbilder zu dekonstruieren. Am Ende sind die Figuren gar nicht so verschieden.

Zu sehen im Kommunalen Kino in der Pumpe am 01./02. März 2016 sowie im Traum-Kino vom 17. bis 23. März 2016.

Bildquelle Titelbild: Fox SearchLight

Autor*in

Marc studierte Politik, Soziologie und Medienwissenschaft in Kiel. Für den ALBRECHT schreibt er seit 2015 insbesondere für das Kulturressort und dessen Filmsparte KinoKatze.

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