Am 20. Juni veröffentlichte die Zeit-Online einen Artikel mit dem Titel „Rauswurf wegen mangelndem Rassismus“, Stichwort: Burschenschaften. Der Artikel wirft mal wieder kein gutes Licht auf Studentenverbindungen im Allgemeinen und Burschenschaften insbesondere. Dabei grenzen die meisten Verbindungen sich klar von den Burschenschaften ab. Dass die Verbindungen eines gemeinsamen Dachverbandes individuell gestaltet sind, zeigt, wie verschieden jede einzelne ist. Zudem haben die 19 Kieler Verbindungen nur wenig Kontakt zu einander.

Auf dem Küchentisch steht eine Kaffeekanne, Modell “von Mama aussortiert“. Die Tassen sind bunt zusammengewürfelt, die Möbel auch. Es sieht aus wie in einer ganz normalen Studentenküche. Keinesfalls nach Putzfrau und Köchin, wie es nach dem Klischee erwartet wird.

In der „Akademischen Turnverbindung Ditmarsia“ (ATV) gibt es so etwas auch nicht. „Die Struktur ist wie bei einer normalen Verbindung, aber wir definieren uns hauptsächlich über den Sport,“ erklärt Moritz die Philosophie seiner Sportverbindung. Die ATV ist eine nichtschlagende und politisch und konfessionell ungebundene Männerverbindung.

Fechten, ein beliebter Sport in Verbindungen. Foto: pixelio.

Momentan gibt es elf aktive Mitglieder. Sie wohnen im Verbindungshaus und organisieren das Verbindungsleben. Drei Termine in der Woche sind Pflicht, darunter die Mitgliederversammlung, das Rudertraining und das gemeinsame Fußballspielen. An den Wochenenden nehmen die Studenten oft an Sportwettkämpfen bei befreundeten Verbindungen anderer Städte teil.

Auch wenn der Sport im Mittelpunkt steht, ist für Moritz das Lebensbundprinzip am Wichtigsten. Neue Mitglieder sucht die ATV unter anderem auf „WG-Gesucht“; werben tut sie dabei mit der Nähe zum Campus und günstigen Mieten.

In Ferdinands* „Corp“, ein politisch-neutraler Verbindungstyp, läuft dies alles etwas anders ab. Sie suchen nicht im Internet, sondern über Kontakte. „Natürlich ist ein volles Haus schön. Aber wir wollen, dass es wirklich harmoniert,“ sagt er. Und fügt hinzu: „Bevor wir Nazis reinlassen, machen wir lieber zu.“ Auch wenn in der Verbindung nicht nur Söhne aus Akademikerfamilien sind, bewegt man sich doch in eher gehobenen Kreisen.

Ferdinands Geschichte ist kompliziert. Nachdem er einige Jahre im Ausland gewohnt hat, ist er erst zum Studium wieder nach Deutschland gegangen. Richtig angekommen sei er erst durch den Eintritt in den Corp. Sein Vater war bereits bei einer Verbindung desselben Dachverbandes, deshalb habe er sich dort vorgestellt.

Der Eintritt ist an eine dreisemestrige Hauswohnpflicht sowie drei Fechtpartien gekoppelt. Er ist ein Semester lang „Fux“ – lernt Fechten, Umgangsformen, die schleswig-holsteinische Geschichte und besucht ehemalige Verbindungsmitglieder, die sogenannten „alten Herren“, in ganz Deutschland. Abends sitzt man zusammen, diskutiert über gesellschaftliche Probleme, Politik, aber auch über Fußball. Da jeder einen anderen Hintergrund, wenn auch oft eine ähnliche Biographie, hat, sind die Gespräche interessant. Auch politisch ist es durchmischt: „Einige wählen SPD, andere CDU, wieder andere FDP.“

Ferdinand wäre in keine nichtschlagende Verbindung eingetreten, denn er empfindet es als „ehrlich“. Nach seiner „Fuxenzeit“ übernimmt er das Amt des „Seniors“, der sich um die Organisation kümmert und die Verbindung nach außen präsentiert. „Es ist wie in einem kleinen Unternehmen,“ sagt Ferdiand. Er habe vorher gewusst, dass er viel Zeit investieren müsse und habe das auch gewollt. Auch wenn er in diesen drei Semestern nicht so viel studiert hat, habe er in den Bereichen Menschenkenntnis und Organisationsfähigkeit viel gelernt. Über seine Zeit auf dem Haus sagt er: „Das war die schönste Zeit meines Lebens, aber nach drei Semestern ist es auch genug.“ Irgendwann habe man keine Lust mehr jeden Abend zu trinken. Der Bierkonsum sei doch hoch, auch wenn keiner gezwungen werde.

„Viele Sachen sind bei uns auf Humor aufgebaut“, so Ferdinand. Zudem seien viele Rituale historisch bedingt. Wer Ferdinand und Moritz nebeneinander stellt, sieht schnell: Es ist nicht möglich, alle Verbindungen in einen Topf zu schmeißen. Alkohol, Tradition und Geschichte haben in beiden Verbindungen noch immer einen hohen Stellenwert. Trotzdem geht es aber auch um Gemeinschaft und dabei werden nicht immer alle Klischees erfüllt .

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