Mittwoch, 18 Uhr, Tag drei der Klimastreikwoche an über 80 deutschen Universitäten: Im Audimax der CAU sieht es nicht nach Verweigerung, sondern nach Geschäftigkeit aus. Als wir das Foyer zum Interview mit Students for Future (STFF) Kiel betreten, fühlen wir uns fast wie auf einem Weihnachtsbasar. An geschmückten Tischen nähen Studierende Wattepads aus alten Handtüchern und basteln Weihnachtsschmuck aus alten Telefonbüchern. Gegen Spende gibt es selbstgemachtes Wasch- und Geschirrspülmittel, Deodorant auf Kokosölbasis und Kaffeesatzpeeling in Glasbehältern. An Kleiderständern hängen Blusen und Pullis bereit zum Tauschen. Hier findet gerade die von der STFF organisierte Klimawerkstatt mit Kleidertausch statt. 

Während unseres Gesprächs mit Anna (26 Jahre) und Hannes (22 Jahre) bauen andere Aktivist*innen der Hochschulgruppe ab, packen die übrig gebliebenen Kleidungsstücke ein und verschenken die letzten Reste der selbst hergestellten Produkte. Die Klimawerkstatt ist ein Programmpunkt von vielen, die STFF in der Woche vom 25. bis 29. November organisiert hat: Vorlesungen, Vorträge von Umweltaktivist*innen, einen Poetry Slam, Flashmobs und Demonstrationen. Zusammen bilden sie die #publicclimateschool – eine Woche offene Uni zum Thema Klimawandel. 

Unsere Interviewpartner Anna und Hannes nach der Kurzdemo zum Klimastreik am Mittwoch. Foto: Nikita Mädge

Bild: Nikita Mädge Anna und Hannes nach der Kurzdemo zum Klimastreik.

Der Albrecht: Anders als Fridays for Future habt ihr euch explizit das Ziel gesetzt, mit der Uni zu streiken – und nicht gegen die Uni. Was will STFF mit der Public Climate School erreichen? 

Hannes: Es ist ein bundesweiter Streik, der diese Woche stattfindet. Die Public Climate School soll eine Alternative zum normalen Unibetrieb sein. Wie genau das ausgestaltet wird, hängt von den Studierenden ab. Wir wollen als Uni Druck auf die Politik ausüben, zeigen, dass es so mit der Klimapolitik nicht weitergehen kann. Gleichzeitig setzt solch ein Event auch Prozesse in Gang, wie wir zusammen die Uni nachhaltiger gestalten können.

Anna: Die Public Climate School ist vor dem Hintergrund entstanden, dass von Fridays for Future für diese Woche wieder ein Streik geplant war. Auch an der CAU engagieren sich schon länger Studierende für Fridays for Future. Wir haben uns zusammengeschlossen, um auch die Unis in den Streik mit einzubinden. Die Idee war, etwas zu machen, das noch mehr Raum bietet für das Thema Klimawandel, wie zum Beispiel wissenschaftliche Vorträge und Workshops. Jeder Fachbereich kann den Klimawandel auf eine andere Art und Weise betrachten und so ein Fundament für Meinungsbildung schaffen. 


Der Albrecht: Wie wurde eure Initiative von der Uni aufgenommen?

Anna: Das Präsidium hat sich auf unsere Seite gestellt und Professor*innen ermutigt, ihre Vorlesungen dem Thema Klimawandel zu widmen. Das hatte einen sehr positiven psychologischen Effekt auf uns. Eigentlich hatten wir zunächst geplant, nur von Mittwoch bis Freitag zu streiken. Als wir dann so tolles Feedback bekommen haben, haben wir gemerkt, dass wir auch die ganze Woche füllen können. 

Der Albrecht: Und wie haben die Lehrenden reagiert, als ihr angefragt habt, ob sie eine Woche lang ihre Vorlesungen ausfallen lassen können? 

Anna: Die Resonanz war im Allgemeinen positiv. Wir haben am Anfang eine Rundmail verschickt, auf die sehr viele Professor*innen geantwortet haben. Einige Lehrende haben ihre Vorlesungen geöffnet, wenn das Thema bereits einen Bezug zur Klimathematik aufwies, wie zum Beispiel Professor Ott mit seiner Vorlesung über Umwelt- und Klimaethik. Andere haben den Inhalt ihrer Vorlesung angepasst, sodass diese einen interdisziplinären Raum in der Public Climate School schafft. Natürlich gab es auch einige Professor*innen, die sich dagegen entschieden haben, in der Klimastreikwoche mitzuwirken. Im Laufe der Planung sind aber immer mehr Fachschaften und Lehrende auf uns zugekommen, die sich zusätzlich beteiligen wollten.

Hannes: In meinem Fachbereich Chemie gab es sehr geteilte Meinungen zur Klimastreikwoche. Bei einer Diskussion in der Sektionssitzung haben sich einige Professor*innen für die Aktion ausgesprochen und mitgeteilt, dass sie ihre Veranstaltung ausfallen lassen. Andere wiederum meinten, dass es wichtig sei, dass die Studierenden die fachspezifischen Lehrveranstaltungen besuchen, um dem Lernprozess nicht im Wege zu stehen. Die Diskussion wurde so umfassend, dass darüber gesprochen wurde, wie die Klimathematik im nächsten Semester besser in die Lehrveranstaltungen aufgenommen werden kann.


Der Albrecht: Ihr habt das Programm für diese Woche innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt. Vor 3 Wochen war das erste Planungstreffen. Wie kam es dazu?

Anna: Die Hochschulgruppe STFF gibt es schon länger, aber sie war eher der verlängerte Arm der Fridays for Future-Bewegung. Wir haben zum Beispiel Flyer für die Streiks an der Uni verteilt und Studierende mobilisiert, aber keine eigenen Aktionen auf die Beine gestellt.

Hannes: Den Anstoß für die Klimastreikwoche gab ein Vernetzungstreffen von Fridays vor Future in Leipzig, an dem drei von uns teilnahmen. Aus der super Stimmung und Dynamik bei dem Treffen entwickelte sich eine eigene Motivation, auch an unserer Uni noch aktiver zu werden.

Der Albrecht: Wie ist die Organisation abgelaufen? 

Hannes: Vor drei Wochen war die Überlegung, dass wir keinen Streik machen, da einige das Gefühl hatten es wäre zu kurzfristig, um alles zu organisieren. Denn anfangs waren wir nur 15 Leute. Wir haben uns dann auf drei Tage streiken geeinigt. Der nächste Schritt war, in alle Fakultäten zu gehen, um Studierende und Professor*innen anzusprechen. Das hat funktioniert: Beim nächsten Treffen waren wir plötzlich dreimal so viele an Freiwilligen. Die Leute hatten richtig Lust, bei der Aktion mitzuwirken und es entwickelten sich immer mehr Ideen. 

Anna: Um diese Ideen umzusetzen, wurden Arbeitsgruppen gebildet, wie zum Beispiel die Veranstaltungs-AG, Streik-AG und Social-Media-AG, sodass wir Verantwortliche in jedem Planungsbereich hatten. Wir haben alle Entscheidungen gemeinsam im Plenum getroffen. 

Hannes: Viele Leute sind auch auf uns zugekommen und wollten sich ebenfalls engagieren. So eine Entwicklung in so kurzer Zeit haben wir uns nicht träumen lassen und hat uns deshalb sehr berührt. Wir haben daran erkannt, dass wir wirklich etwas bewirken und Menschen erreichen können. Auch das Gebäudemanagement der CAU hat vieles ermöglicht, da sie unsere Anfragen so kurzfristig berücksichtigt haben. Denn ohne die Räume wäre vieles nicht umsetzbar gewesen, dafür sind wir sehr dankbar.

Der Albrecht: Wie sieht die Zukunft der Hochschulgruppe nach der Streikwoche aus?

Hannes: Wir sind mit dem Nachhaltigkeitskomitee im Gespräch über einen Knotenpunkt, damit nachhaltige Initiativen an der CAU zusammenkommen. Das Konzept nennt sich „Green Office“ und wurde schon an anderen Universitäten wie beispielsweise in Hamburg eingeführt. Langfristig gesehen, ist es auch wichtig, die Lehre an der Universität umzugestalten, denn der Klimawandel betrifft alle Lebensbereiche und damit auch alle Fakultäten. 

Anna: Eine Vollversammlung steht auch auf unserer Agenda für das nächste Jahr. Außerdem wollen wir Projekte anstoßen, die die Uni nachhaltiger machen: zum Beispiel einen CO2-Fußabdruck für jedes Mensagericht, mehr Mülltrennung und weniger Plastikverpackungen durch die Cafés und Mensen auf dem Campus. Allein bei unserer Müllsammelaktion im Rahmen der Klimawoche haben wir am oberen Campus mehr als drei gelbe Säcke voll Müll gesammelt. Das zeigt doch, dass hier etwas passieren muss. Wir wollen außerdem die Klimastreikwoche reflektieren, damit wir festhalten können, was gut gelaufen ist und was man besser machen könnte. 


Der Albrecht: Was sagt ihr zu dem Argument von Kritiker*innen, dass die Demos selbst doch zusätzliche Staus und damit Emissionen verursachen?

Hannes: Das ist ähnlich wie ein Argument, das wir beim Sticker Verteilen für den Streik immer wieder gehört haben. Wir haben dann versucht in ein klärendes Gespräch zu kommen und zu erklären, dass der kurze negative Impact der Aktion winzig ist im Vergleich zum Umschwung in der Gesellschaft, den wir bewirken wollen. Es ist so wichtig, dass wir jetzt endlich anfangen etwas zu tun. Nicht vor dem Berg stehen bleiben und uns fragen, wie wir hochkommen, sondern loszulaufen. Wir müssen Druck auf die Politik ausüben, denn diese bestreikt die Wissenschaft seit vielen Jahren. Und jetzt streiken wir!

Der Albrecht: Was war bisher euer persönliches Highlight im Programm der Klimawoche?

Hannes: Mein Highlight war der Vortrag von Professor Kolling zur Psychologie des Klimawandels, in dem er vorgestellt hat, wie Menschen mental unterschiedlich auf die Fakten zum Klimawandel reagieren. Toll war auch der Poetry Slam am Dienstagabend. Es war unglaublich voll, alle haben richtig Feuer gegeben. Die Slammer*innen und wir waren total überrascht, wie gut die Akustik und auch die Stimmung in einem Hörsaal werden können. Fast alle Texte waren vom Thema her im Bereich Klima und Umwelt. 

Anna: Gerade im Vergleich zu den tollen wissenschaftlichen Vorträgen, die vor der Veranstaltung stattfanden, ist mir dabei richtig aufgefallen, was für eine Kraft und emotionale Ansprache Kunst für so ein Thema bietet. Das hat mich sehr beeindruckt. 

Am Donnerstagabend wird eine Liveübertragung mit Harald Lesch im CAP 3 – Hörsaal 3 ausgestrahlt, anschließend eine Lighthouse Show am Unihochhaus. Die Demo zum Klimastreik am Freitag bildet den Abschluss der #publicclimateschool. Um 11 Uhr startet eine Zubringerdemo vom Vorplatz der Mensa 1, die ab 11:56 Uhr gemeinsam mit der großen Fridays for Future-Demo vom Exerzierplatz durch die Stadt zieht.

Unsere Gesprächspartner:

Hannes Stuhr studiert im Bachelor Chemie und Geografie auf Lehramt. Er war für die Public Climate School in der Streik-AG tätig, wo er sich für die Organisation der Demonstrationen engagiert hat.

Anna Fiesinger studiert den Masterstudiengang Biological Oceanography am GEOMAR. Sie hat bei der Vorbereitung der Public Climate School in der Veranstaltungs-AG das Programm in Zusammenarbeit mit den anderen Angehörigen der STFF auf die Beine gestellt.

Am Donnerstag, 5. Dezember um 18 Uhr findet das erste STFF-Plenum nach der Streikwoche statt. Infos zum Ort gibt es in den nächsten Tagen auf der STFF-Website oder auf dem Instagram-Account der HSG. 

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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