DER ALBRECHT schaut hinter die Kulissen des Glaskastens am Campuseingang

„Hab’s in der Hauptpforte abgegeben“ – ein in der facebook-Unigruppe häufig zu lesender Satz, wenn ehrliche Finder auf verlorene Studierendenausweise, Schlüssel, Taschenkalender oder Handys treffen. Für den rechtmäßigen Besitzer folgt ein Gang zum Glaskasten, der da so ehrwürdig gegenüber dem Uni-Hochhaus auf dem CAU Campus steht, gleich am Eingang der Olshausenstraße in Richtung Audimax und Mensa I. Auf 60 Quadratmetern bündelt sich hier die Schaltzentrale der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die weitaus mehr ist, als nur ein Campus-Fundbüro. Hier blinken die Computer als erstes auf, wenn irgendwo auf dem Unigelände etwas nicht stimmt. Auch wer die Campus-Notfallrufnummer 2222 wählt, landet bei den Sicherheitsangestellten in der Hauptpforte. Peitscht das Kieler Wetter mal wieder allzu sehr und die Angerbauten drohen einzustürzen, ist es an dem Team der Hauptpforte, für die Evakuierung, Absperrung der Eingänge und Kontrollgänge zu sorgen. Darüber hinaus steht das 15-köpfige Team rundum Hauptpforten-Leiter Jörg Axt für Rat und Tat all denen zur Seite, die ihren Weg in den Glaskasten finden. „Wir sind immer für sämtliche Fragen da und helfen, wo wir können. Egal, was ist“, versichert Herr Axt. Als Info- und Anlaufpunkt der CAU sind sie stets abrufbereit – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. DER ALBRECHT schaut hinter die verglasten Kulissen der Hauptpforte und spricht mit dem Leiter über sein Team, die Aufgaben und Herausforderungen sowie Anekdoten rundum den CAU Campus.

DER ALBRECHT traf Hauptpfortenleiter Jörg Axt zum Gespräch // Quelle: lse
DER ALBRECHT traf Hauptpfortenleiter Jörg Axt zum Gespräch // Quelle: lse

Winterliche Kälte schlägt mir entgegen als ich die ALBRECHT-Redaktion verlasse und mich auf den Weg zum Glasgebäude am Eingang zur Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mache. Ich überquere die Olshausenstraße, laufe die wenigen Stufen hoch, betrete die Hauptpforte und werde empfangen von einem erwartungsvoll lächelnden Jörg Axt, der mich dank der 360 Grad Verglasung natürlich schon hat kommen sehen. Seit sechs Jahren hat er die Leitung der Hauptpforte inne und eingewilligt, mir heute Rede und Antwort zu stehen: Wer sitzt eigentlich hinter der Glasfassade und was sind die Aufgaben der Campuswächter? Herr Axt bittet mich um den großen Empfangsschalter herum, auf dem drei Computer, mehrere Bildschirme, Telefone und Gegensprechanlagen stehen. Drei Mann arbeiten hier pro Schicht: Schaltzentrale, Warnmeldungen und Bearbeitung der Anliegen, die mit den Menschen in die Hauptpforte kommen.

„Die Hauptpforte an sich gibt es schon seit Jahrzehnten“ erzählt Jörg Axt, der mir ohne Umschweife das Du anbietet. Damals war sie noch im Torbogen in der heutigen Campus Suite angesiedelt und nur für die oberen Sektoren zuständig. Mit der Einweihung des Glaskastens im Corporate Design der CAU, wurden der Hauptpforte 2006 jedoch nicht nur ein frisches Gesicht, sondern auch viele neue Verantwortungsbereiche verliehen. „Es ist gewaltig mehr dazu gekommen, zunächst einmal die ganze Alarmtechnik, die wir hier haben. Auch wenn wir hier viele Leute unterstützen, haben wir ja auch noch die Sicherheit auf dem Campus zu gewährleisten“, so Jörg Axt. Er und sein 15-köpfiges Team sind neben dem Gefahrenmanagement auch zuständig für allgemeine Auskünfte über die CAU, Telefonvermittlung, Postannahme nach Unischluss und die regelmäßigen Kontrollgänge auf dem Campus. Herr Axt öffnet die Schranktüren hinter dem Empfangsschalter und bringt mich zum Staunen: Zwischen 500 und 600 Schlüssel hängen dort sorgfältig aufgereiht. Sie führen zu verschiedensten Seminarräumen der Uni sowie zu den Dienstfahrzeugen des CAU Fuhrparks, denn auch diese gibt die Hauptpforte nach vorheriger Buchung aus. An sehr extremen Wintertagen gibt es sogar Schneeketten mit auf den Weg.

Um die 600 Schlüssel hängen in der Hauptpforte und werden vom Team ausgegeben // Quelle: lse
Um die 600 Schlüssel hängen in der Hauptpforte und werden vom Team ausgegeben – Benjamin Worm ist einer von 15 Mitarbeitenden // Quelle: lse

Die Jungs an der Pforte sind auch diejenigen, die die Macht über die Parkplätze haben. Neun Schrankenanlagen sind auf dem CAU Campus verteilt, die alle von der Hauptpforte aus bedient werden. Während Mitarbeitende ganz einfach mit einem Chip hineinkommen, muss anderen der Zugang erst gewährt werden. Die Busse können in der Leibnizstraße dank einer Lichtschranke allerdings frei ein- und ausfahren. „Wer mit dem LKW zur Uni kommt, bekommt auch einen Parkplatz“, lacht Herr Axt. Wer rein und raus darf, bestimmt aber das Präsidium. „Klar werden wir hier auch ganz gerne mal ein bisschen angepöbelt, wir sind ja nun mal auch Störfaktor“, erzählt Jörg Axt und meint diejenigen, denen „liebevoll erklärt“ werden müsse, dass sie keine Parkberechtigung besäßen. Wie es der Zufall will, werde ich kurze Zeit später Zeugin dieses Phänomens und lausche Herrn Axt wie er mit freundlichem Nachdruck einem verärgerten Autofahrer über Gegensprechanlage erklärt, dass er nun den Rückwärtsgang einzulegen habe.

Der Campus teilt sich in die Sektoren A bis D und für alle vier ist das Team der Hauptpforte zuständig. „Das heißt, in diesen 60 Quadratmeter Wahnsinn, so nenn‘ ich das immer ganz liebevoll, sind wirklich 120 Hektar aufgeschaltet, das sind an die 170 Gebäude“, so Axt. Er und sein Team gehören zur Kieler Wach- und Sicherheitsgesellschaft (KWS) und sind somit extern angestellt, fühlen sich aber nichtsdestotrotz der CAU zugehörig. Ich frage, ob dies ein begehrter Job für Sicherheitsangestellte sei und Herr Axt, der wie sein Team in zwölf-Stunden-Schichten arbeitet, hält kurz inne. „Das ist wirklich kein einfacher Job hier, insgesamt vom Wissen her. Es ist nichts schwer, was du hier wissen musst, aber es ist viel, es ist eine Menge. Das Aufgabenfeld ist gigantisch und es bringt Spaß mit den ganzen verschiedenen Leuten zu arbeiten. Hier hat man mit allen zu tun, vom Obdachlosen über den höchsten Professor, die ganze Bandbreite quer durch. Immer mit jungen Leuten arbeiten, das hält ja auch irgendwie jung, nech“, sagt der 40-Jährige in seinem nordischen Dialekt und grinst.

Jörg Axt ist auch derjenige, der die neuen Mitarbeiter im Team einweist. Es dauere Tage bis Wochen, bis sie die Touren über den Campus abgeschlossen hätten, besonders wenn der Kollege Herr Worm die Touren führe, scherzt Axt. Der würde die Neuen sogar mit in die Katakomben nehmen. Ich frage, was die häufigste Frage ist, die sie in der Hauptpforte zu hören bekommen. „Das sind immer die Erstis: ‚Ich find meinen Hörsaal nicht‘“, lacht Jörg Axt, fügt aber hinzu, dass das auch schon mal bei Dozierenden vorkomme. „Die Uni ist riesengroß, du kannst dich hier richtig verlaufen. Wir kennen so gut wie jedes Gebäude auswendig, das ist unser Vorteil.“

Mit guter Sicht dank 360 Grad Verglasung ist die Hauptpforte gleichzeitig Warnmeldezentrale - auf dem Bildschirm rechts tauchen die Meldungen als erstes auf // Quelle: lse
Mit guter Sicht dank 360 Grad Verglasung ist die Hauptpforte gleichzeitig Warnmeldezentrale – auf den Bildschirmen rechts tauchen die Meldungen als erstes auf Quelle: lse

Durch die regemäßigen Kontrollgänge auf dem Campus fällt den Mitarbeitern an der Hauptpforte natürlich auch jedes nachts noch hell beleuchtete Fenster auf: „Doktoranden schreiben ihre Arbeiten ja gerne nachts. Und wenn dann in dem Gebäude dauernd Licht brennt, guckt man eben mal nach und fragt ‚Was machen Sie da?‘ und sie antworten ‚Ich schreibe meine Doktorarbeit‘, und so geht es dann los“, erzählt Herr Axt. Man kenne sich irgendwann und so sei schon die ein oder andere Freundschaft entstanden. Auch Fachschaftszusammenkünften und ähnlichen Festen wird ein Besuch abgestattet: „Wir wissen ja, wo größere Feten auf dem Campus stattfinden, da fahren wir dann auch mal hin und gucken, auch wenn wir nur mit denen schnacken und unsere Grillwurst abholen“, lacht Herr Axt. „Ich hab hier noch nie erlebt, dass der Campus tot ist. Selbst sonntagnachts laufen die um eins noch hier längs“, erzählt der Hauptpfortenleiter. „Hier ist immer Bewegung. ‚Tschuldigung, einmal im Jahr ist keine Bewegung und das ist zwischen Weihnachten und Neujahr, wo alle weg sind.“ Ich frage, wie es ist, die Feiertage nicht zuhause, sondern hier in der Pforte zu verbringen. „Wir machen es uns schön gemütlich hier“, lächelt Herr Axt. An Silvester gäbe es dann auch mal kaltes Buffet zum gelungenen Start ins neue Jahr.

In den letzten anderthalb Jahren litt die Sicherheit auf dem Campusgelände rumdum das Studentendorf unter einem Exhibitionisten, der sich vor Studentinnen entkleidete und sie teilweise sogar angriff. Ich frage Herrn Axt, wie das Hauptpfortenteam dies erlebt habe. „Leider erst im Nachhinein“, seufzt er und weist auf die Notfallnummer 2222 hin. „Wenn irgendwas ist, sofort, unverzüglich viermal die Zwei“, mahnt er. Die Unberechenbarkeit der Vorfälle machte es sowohl dem Hauptpfortenteam als auch der Polizei schwer, rechtzeitig einzugreifen. Glücklicherweise gab es seit Anfang des Jahres keine Sichtung des Exhibitionisten mehr. Ich frage, wie häufig es andere Vorfälle auf dem Campus gibt. „Nicht täglich zum Glück auch nicht wöchentlich, aber es gibt Phasen, in denen jedes Wochenende was passiert. Das geht von Stalkern, über ‚mein Auto wurde aufgebrochen‘, bis zu  wenn nachher wieder die Studentenfeiern losgehen  ‚oh, ich glaube hier ist jemand betrunken und liegt im Schnee‘.“ Natürlich sollte in schlimmen Notfällen zuerst der Krankenwagen gerufen werden, sagt Herr Axt, doch in vielen Situationen könne auch sein Team aushelfen, eine Ersthelfer-Ausbildung haben alle absolviert. Momentan ist nur eine Frau Teil des Teams der Hauptpforte: „Ich wünsche es mir eigentlich mehr, denn in vielen Situation, in denen wir eingreifen müssen, ist eine Frau sehr hilfreich“, besonders wenn Frauen selbst betroffen seien, so Herr Axt.

Dann ist da noch die Sache mit der Abgabe der Hausarbeiten. Studierende, die häufig spät dran sind, kennen den Kniff mit dem Eingangsstempel an der Hauptpforte. Herr Axt hat es schon häufiger erlebt, dass Studierende vom fahrenden Rad springen und in die Pforte hechten, um vor 24 Uhr noch den Eingangsstempel für ihre Arbeit zu bekommen und somit die Frist zu wahren. „60 bis 70 Arbeiten pro Abgabetag, wenn es richtig gut läuft auch 120 bis 150“, sagt Benjamin Worm. „Mein persönlicher Rekord liegt bei 141 in sechs Stunden.“

Der Spaß darf bei der Arbeit glücklicherweise nicht fehlen // Quelle: lse
Der Spaß darf bei der Arbeit glücklicherweise nicht fehlen // Quelle: lse

Einer meiner Redakteure bat mich, zu erfragen, ob Jörg Axt und seinen Teammitgliedern ab und zu Rendezvous angeboten würden und wie die Chancen stünden, dass sie diese annähmen. „Also meine Frau hab ich noch woanders kennengelernt“, lacht Herr Axt. „Du, Benny?“ „Single!“, antwortet Herr Worm. Mein Angebot, seine Handynummer mit in den Artikel zu setzen, lehnt er dankend ab. Ob immer so gute Stimmung bei ihnen sei, frage ich Herrn Axt. „Auch hier gibt’s mal Streit in der Familie“, sagt er, die gute Beziehung untereinander sei jedoch sehr wichtig: „Ich muss mich auf den anderen verlassen können, das ist meine Versicherung.“

„Lebt man für den Job hier?“, frage ich gen Ende unseres Gesprächs. „Musst du“, sagt er. „Für immer, für alle, für alles“ lautet das Motto der Jungs. „Man kann uns wirklich alles fragen. Alles. Wir probieren immer das Menschenmögliche rauszuholen.“ Jörg Axt begleitet mich noch ein Stück über den Campus Richtung ALBRECHT-Redaktion, bevor er sich in seiner dicken Jacke mit dem ,KWS Sicherheit‘-Aufdruck auf seinen Kontrollgang begibt. Die Pflicht ruft.

 

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

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