Die Welt von Instagram ist riesig und vielfältig. Alle Nutzer*innen können sich selbst so darstellen, wie sie wollen und ihre Urlaubsbilder, Selfies und Essen posten. Doch Halt! Nicht alles ist erlaubt. Denn Instagram hat in seinen Richtlinien zum Hochladen von Fotos Regeln aufgestellt, die einige Bilder verbieten.

Klingt logisch, denn Darstellungen von Gewalt oder pornografischen Inhalten haben auf der Plattform nichts zu suchen. In den letzten Jahren wurde aber auch deutlich, dass Fotos (besonders von Nutzerinnen), deren einziges Vergehen es war, nicht den gesellschaftlichen Normen und Schönheitsidealen zu entsprechen, ebenfalls gelöscht werden.  

Zieh dich bloß nicht aus!  

Natürlich darf Instagram festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Wer mitmachen möchte, muss sich daran halten. Leider wird hier jedoch sehr inkonsequent vorgegangen. So dauert es zum Beispiel meistens sehr lange, bis Porno-Profile gelöscht werden und jede*r von uns kennt das Problem mit den Sex-Bots, die uns auf die Nerven gehen.

Auch Bilder von Personen, die sich als weiblich identifizieren (desweiterem Frauen genannt) oder Influencerinnen, die sich ästhetisch im Bikini präsentieren, sind erlaubt und bekommen tausende von Likes. In den Richtlinien steht jedoch, dass die Darstellung von Nacktheit nicht erlaubt ist. Nackte Hintern, egal ob pornografisch oder nicht, dürfen nicht gezeigt werden. Ich sehe aber keinen Unterschied zwischen einem nackten Hintern und einem im String-Bikiniunterteil.  

Igitt, Haare!  

Interessanterweise gibt es Fälle von Frauen, die keine dieser Regeln missachtet haben und deren Bilder trotzdem gelöscht wurden, weil entweder ihre Bein- oder Schambehaarung zu sehen war. Das könnte daran liegen, dass solche Fotos von vielen Nutzer*innen gemeldet wurden.

Nachdem zum Beispiel dieses Bild von dem Model Arvida Byström veröffentlicht wurde, konzentrierten sich die meisten Kommentare nur auf die Beinbehaarung und nicht auf die Kampagne selbst. Und noch schlimmer: Arvida wurde danach mit Vergewaltigung bedroht.

Entweder filtert Instagram selbst die hochgeladenen Bilder (so werden weibliche Brustwarzen beispielsweise schnell erkannt) oder Instagram löscht Posts, die oft gemeldet wurden. Dabei fehlt jedoch oft die Überprüfung, ob wirklich ein Verstoß gegen die Richtlinien vorliegt.

Und gemeldet werden die Bilder, die den Betrachter*innen sauer aufstoßen. Stellt sich nur die Frage nach dem Warum. Ist das den Leuten nicht sexy genug? Solange eine Frau so aussieht, dass sich jede*r – vor allem Männer – zu ihr hingezogen fühlt, dann darf sie alles posten? Diese Frage haben sich die beiden Künstlerinnen Arvida Byström und Molly Soda auch gestellt, nachdem viele ihrer Fotos bei Instagram gelöscht wurden. Zusammen haben sie 2017 einen Bildband herausgebracht: Pics Or It Didn’t Happen: Images Banned From Instagram.

Das Buch enthält 300 dieser gelöschten Bilder, auch von anderen Instagram-Nutzer*innen. Darunter sind Darstellungen von unrasierten Frauenbeinen, Periodenblut auf der Bettwäsche oder auch Body-Positivity-Fotos. Molly Soda sagt dazu: „Ich verstehe, warum eine Zensur wichtig ist. Aber ich denke, dass Frauenkörper öfter zensiert werden, sie werden immer in Bezug auf Sex betrachtet – egal, was das Thema des Bildes eigentlich ist.”  

Dieses Bild von Rupi Kaur wurde beispielsweise von Instagram gelöscht, weil es angeblich gegen die Richtlinien verstoßen würde. Beim zweiten Mal, als sie es gepostet hat, durfte es auf dem Account bleiben.

Hier gibt es ein gesellschaftliches Problem, das sich auch in vielen anderen Bereichen äußert: die Wahrnehmung von Frauen als sexualisiertes Wesen. Gerade bei Frauen liegt das äußerliche Erscheinen sehr im Fokus. Der Respekt, den wir ihnen entgegenbringen, hängt oft damit zusammen. Klar können wir jetzt sagen: „Es sind nur ein paar Bilder, die gelöscht wurden, das hat noch lange nichts mit Diskriminierung zu tun.“

Aber es ist wichtig, dieses Fass aufzumachen, denn anscheinend ist die Gesellschaft nicht bereit für eine Frau, die sich nicht mehr die Beine rasiert, nur um als attraktiv zu gelten. Denn solange solche Bilder weiterhin gemeldet und gelöscht werden, rückt eine tolerantere Welt ein Stückchen mehr zurück und das Leben einer Frau ist einmal mehr vom ‘Male Gaze’ bestimmt.  

‘Male Gaze’, das bedeutet, dass Frauen aus einer maskulinen und heterosexuellen Sicht betrachtet werden. Dadurch werden sie allzu oft als Sexobjekt des männlichen Betrachters dargestellt. Und alles, was dem entgegensteht, wie beispielsweise die Beinbehaarung, entspricht komischerweise auch nicht der gesellschaftlichen Norm – noch immer haben Männer Macht über den weiblichen Körper. Wie absurd solche Normen auch sein können, wenn länger darüber nachgedacht wird, zeigt sich bei Brustwarzen.  

Free the nipples!  

Brustwarzen gehören auch zu den Dingen, die bei Instagram nicht gezeigt werden dürfen, zumindest nicht die von Frauen. Bei Männern ist das vollkommen okay. Immerhin hat der Busen seinen erotischen Reiz. Nun darf aber eigentlich alles von der Brust gezeigt werden – bis auf die Nippel. Wo genau liegt der Unterschied zwischen nackten Brüsten und nackten Brüsten, bei denen die Nippel zu sehen sind? Sie scheinen hoch sexualisiert zu sein. Ist dann davon auszugehen, dass es nicht die Brüste selbst, sondern nur die Brustwarzen sind, die einen sexuellen oder gar obszönen Reiz ausstrahlen?  

Auch außerhalb der sozialen Medien darf ich zum Beispiel einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel tragen und so viel Dekolleté zeigen wie ich möchte, ohne dass ich mich der Erregung öffentlichen Ärgernisses schuldig mache. Blitzt aber etwas aus meinem Oberteil hervor, ist das ein Skandal. Promis wissen, wovon ich rede.  

BHs für alle!  

Wenn so nun die weibliche Realität aussieht, dann frage ich mich, warum Männer oben ohne spazieren gehen können. Klar, es ist schon wunderlich, wenn ein Mann ohne T-Shirt durch die Stadt läuft. Im Gegensatz zu einer Frau wird hier dann aber eher gedacht: „Vielleicht ist ihm heute zu warm? Ist er vergesslich? Oder einfach zu faul, sich komplett anzuziehen?“ Im schlimmsten Fall wird er als Proll abgestempelt, der mit seinen Muskeln angeben will. Eine Frau würde dafür beschimpft, belästigt oder gar vom Ordnungsamt verwarnt werden.

Kommen wir zurück auf die Brustwarzen. Auch wenn sie sich in ihrer Funktion unterscheiden, sehen die männlichen und weiblichen fast gleich aus. Es sind also die zwei braunen oder rosafarbenen Flecken auf dem Oberkörper, die bei der einen als erregend oder störend empfunden und bei dem anderen als normal betrachtet werden.

Der Instagram-Account „Genderless Nipples“ prangert diesen Doppelstandart auch an und trickst die Richtlinien aus. Dort werden Nahaufnahmen von Brustwarzen gepostet und es nicht zu erkennen, welches Geschlecht der dazugehörige Körper hat – deswegen können die Bilder nicht gelöscht werden. Ein Beweis für die Absurdität.

Sollte sonst nicht eigentlich der Fairness halber auch Männern vorgeschrieben werden, sich bedeckt zu halten? Dann gibt es auch bei ihnen nur noch Bräunungsstreifen, denn sie müssten am Strand ein Bikinioberteil tragen. Die Vorstellung ist jedoch absurd. Ein Mann mit BH. Lächerlich. Warum ist es dann anders herum nicht denkbar, die nackte Oberweite einer Frau zu akzeptieren?  

Solange Plattformen wie Instagram noch immer Bilder löschen, die nicht den Idealen entsprechen, und solange noch immer subjektiv entschieden wird, ob eine Frau so aussehen darf, wie sie sich präsentiert, kann mit so vielen unverständlichen Normen nicht gebrochen werden. Im Gegenteil trägt Instagram mit seiner enormen Reichweite und Bedeutung eher dazu bei, dass veraltete und sexistische Vorstellungen weiterhin verbreitet werden.  

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und ist seit Januar 2022 die Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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