In Zeiten, in denen die Billigflugbranche boomt, ist es leicht, für wenig Geld nach Rom zu kommen. David Gierzewski, 24 Jahre, Soziologie- und Politik-Student, Deutsch-Pole und Katholik hat sich dennoch für einen schwierigeren Weg entschieden – fürs Pilgern. In diesem Interview erzählt er von der etwas anderen Art zu Reisen.

DER ALBRECHT: Pilgern ist anstrengend. Man muss tagsüber auf einsamen Wegen wandern und das fernab jeglicher Zivilisation. Auch die Nächte verbringt man oft fernab der Städte. Was hat dich dazu bewegt, zu pilgern?

David: Alles hat vor vier Jahren angefangen. Mein Freund hat mir vom Jakobsweg erzählt, die Bilder und Geschichten haben mich so fasziniert, dass ich es selbst ausprobieren wollte. Das habe ich auch gemacht und das erste, was ich meinem Freund bei meiner Rückkehr gesagt habe, nachdem ich in Santiago de Compostella angekommen war, war: „Als nächstes pilgere ich nach Rom!“

Welche Rolle spielte dabei deine Religion?

Natürlich spielt Religion eine wichtige Rolle für mich. Ich hatte das Gefühl, ich werde von einem Schutzengel begleitet. Als ich im Kloster bei den Schwestern in Assisi übernachtet habe, hing sogar ein Schild mit der Aufschrift „Schutzengel“ über meiner Tür. Gott hat mich geleitet und mir Kraft gegeben. Einmal am Tag war ich in der Kirche.

Welche Route bist du gegangen? Und wie lange warst du unterwegs?

Ich bin in meiner Heimatstadt Hamburg losgegangen. Als richtiger Pilger fängt man nämlich immer an der Haustür an. Am ersten Tag haben mich drei Freunde begleitet, das hat mir Mut gemacht. Ich bin nur auf einem Weg gegangen. Rom war dabei mein Ziel – denn alle Wege führen nach Rom. -schmunzelt- Ich war 62 Tage unterwegs, das sind mehr oder weniger 2200 km. Das ist eine ganze Menge.

Auf welchen Wegen bist du gepilgert?

David: In Deutschland, Österreich und Italien gibt es Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass die vorhandenen Wege begangen werden können. Im Vergleich zu dem Jakobsweg in Spanien steckt es jedoch noch in den Kinderschuhen. Sie bringen Aufkleber und Schilder mit Hinweisen auf Pilgerwege an. Die sogenannte Via Romea führt durch alle drei Länder und ist sehr vielfältig. In Italien gibt es darüber hinaus tausende von Wegen, zum Beispiel den Cammino di Assis, der von Assisi nach Rom führt.

Endlich angekommen: Jungpilger David am Ziel.  Foto: privat
Endlich angekommen: Jungpilger David am Ziel.
Foto: privat

Was kostet es, zu pilgern? Und wo hast du übernachtet?

In Italien kommt es darauf an, wie sehr man bereit ist, auf andere Leute zuzugehen und auch um Unterkunft zu bitten. Ich habe zu 90 Prozent in Klöstern und Kirchen übernachtet. Ich wurde schon einige Male abgewiesen, aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Letztendlich habe ich 130 Euro für Unterkünfte ausgegeben und insgesamt 130 Euro von Menschen bekommen, die mir geholfen haben. Dennoch habe ich an manchen Tagen sehr wenig gegessen, sodass ich in den zwei Monaten 14 Kilo abgenommen habe. In Spanien ist es günstiger zu pilgern, da bezahlt man in Herbergen durchschnittlich sechs bis sieben Euro pro Nacht – im Vergleich zu 20 bis 25 Euro in Italien.

Wie wichtig waren dir die Begegnungen mit anderen Menschen?

Das war für mich das Wertvollste. Ich wollte guten Menschen begegnen, weil man immer hört, dass die Welt so schlecht sei. Als ich schließlich in Rom angekommen bin, habe ich 30 Postkarten verschickt, an all die herzlichen Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben. Besonders die Begegnung mit einem Kapuziner und Professor hat mich sehr inspiriert. Während eines abendlichen Spaziergangs hat er mir viele Ratschläge mit auf den Weg gegeben, wie ich meinen Traum, auch Professor zu werden, verwirklichen kann. Ich hatte das Gefühl, wir würden uns schon lange kennen. Es war Schicksal.

Was nimmst du mit von deiner Pilgerreise?

Margaret Thatcher hat einmal gesagt: „There is no such thing as society“. Ich bin anderer Meinung. Es gibt auf jeden Fall eine Gesellschaft, wir sind alle miteinander verbunden. Jedes Individuum ist wichtig für diese Welt, man kann sich nicht abkapseln. Es ist wichtig, seine Erlebnisse und Geschichten mit anderen zu teilen. Was macht das Pilgern in deinen Augen so einzigartig? Für mich bedeutet Pilgern, dass man etwas nur mit Unterstützung anderer schaffen kann. Nur mit der Hilfe von anderen ist man in der Lage, von A nach B zu gelangen.

Was würdest du anderen Menschen, die pilgern wollen, mit auf den Weg geben?

Nie, nie aufgeben! Man sollte seine körperlichen Grenzen nicht überschreiten. Aber man sollte Hoffnung haben, immer positiv denken! Es findet sich immer ein Weg.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview wurde geführt von Mirjam Michel.

Autor*in

Mirjam ist seit 2013 Redakteurin des Albrechts.

Share.
Leave A Reply