Andere Landschaften, unbekanntes Essen, fremde Menschen und eine noch fremdere Sprache – dies sind Eindrücke, die normalerweise bei einem Urlaub in einem bisher nicht bereisten Land aufgenommen werden. Für eine gewisse Zeit ist das Neue in Ordnung, wenn nicht vielmehr interessant, denn die Heimreise naht irgendwann und damit die Sicherheit, bald wieder in dem gewohnten Umfeld mit den gewohnten Mitmenschen zu sein. Für Geflüchtete aus Krisengebieten wie Afghanistan oder Syrien ist das nicht der Fall. Diese Menschen müssen ihre Heimat aufgeben, um Krieg, Verfolgung und Gewalt zu entkommen. Wer es bis nach Deutschland schafft, findet sich zwar in einer sicheren Umgebung, aber auch in einer völlig neuen Kultur wieder. Besonders schwierig ist es für unbegleitete Geflüchtete im Kindes- und Jugendalter, da sie ohne ihre Eltern in einem fremden Land zurechtkommen müssen. Der Vormundschaftsverein lifeline e.V. sorgt in Kiel und Umgebung mit verschiedenen Projekten dafür, dass diesen geflüchteten Minderjährigen geholfen wird.

Seit der Gründung im Jahr 2004 unterstützt der lifeline e.V. als Zweigverein des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V. unbegleitete Geflüchtete im Kindesalter bis zur Volljährigkeit. Der Verein agiert hauptsächlich in Kiel, berät aber landesweit. Dabei ist es seine Hauptaufgabe, sich für die Rechte und Interessen unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter einzusetzen. Obwohl ausgerichtet als Unterstützung für Minderjährige, berät lifeline e.V. mittlerweile auch viele junge Erwachsene. Grund für diese Entwicklung ist, dass einige Asylverfahren mehrere Jahre dauerten, sodass Jugendliche, die den Antrag minderjährig einreichten, mittlerweile die Volljährigkeit erreicht haben. Dies ist besonders bei den Geflüchteten, die 2015 und 2016 in großer Zahl nach Kiel und überall nach Deutschland kamen, der Fall. Für lifeline e.V. ist es wichtig, dass seine Schützlinge bis zum abgeschlossenen Asylverfahren die bestmögliche Unterstützung erhalten, auch wenn sie in der Zeit seit ihrer Registrierung dem Gesetz nach volljährig geworden sind. lifeline e.V. bietet verschiedene Projekte an, wie zum Beispiel das Vormundschaftsprojekt. Hierbei handelt es sich um die Vermittlung und Qualifizierung von privaten, ehrenamtlichen Vormündern für die unbegleiteten Minderjährigen. Wer ohne Sorgeberechtigte nach Deutschland kommt, bekommt vom Jugendamt einen Vormund gestellt. Die Amtsvormünder sind in der Regel für viele Jugendliche gleichzeitig zuständig. Deshalb vermittelt lifeline e.V. private Vormünder, die eine eins-zu-eins-Betreuung garantieren, welche auch vom Gesetzgeber bevorzugt wird. Privatvormund kann jeder werden, der das 18. Lebensjahr erreicht hat, jedoch übernehmen eher ältere Menschen, die bereits Kinder haben, diese Verantwortung. Sobald ein geeigneter Privatvormund zur Verfügung steht, ist das Familiengericht gehalten, diesem den Vorzug zu geben. Um die Qualifizierung der Vormünder zu garantieren, bildet lifeline e.V. die Ehrenamtlichen regelmäßig fort. Zudem arbeitet der Verein mit einem Kinderschutzkonzept. Danach müssen alle Ehrenamtlichen ein erweitertes Führungszeugnis einreichen und eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Diese besagt unter anderem, dass die potenziellen Vormünder noch nie mit Sexualstraftaten in Verbindung gekommen sind und diesbezüglich auch keine Verfahren gegen sie laufen. Außerdem verpflichten sich die Ehrenamtlichen, den ihnen anvertrauten Jugendlichen respektvoll und auf Augenhöhe zu begegnen.

Ein anderes Projekt kümmert sich um die Bleibeperspektiven und die Aufenthaltssicherung. Dabei handelt es sich um Beratung zu Asylverfahren und Integrationsleistung. Jugendliche, die schon länger in Kiel sind, einen Schulabschluss haben und einen Ausbildungsplatz finden, haben die Möglichkeit, ein Bleiberecht zu bekommen. So versucht lifeline e.V. immer, die jungen Geflüchteten an Sprachkurse und Schulen anzubinden. Um die Unterstützung in diesem Punkt zu sichern, vermittelt der Verein auch ehrenamtliche Nachhilfekräfte, bei denen es sich überwiegend um Studierende und Pensionierte handelt. Die meisten beginnen mit einer DAZ-Klasse, in der sie schwerpunktmäßig Deutsch lernen, sowie etwas Mathe und Englisch. In der anschließenden Klassenstufe haben sie dann die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss (erster allgemeiner Schulabschluss) zu erwerben. Es besteht ein großer Bedarf an Nachhilfe, denn viele Jugendliche haben nicht den Bildungshintergrund wie er in Deutschland vorherrscht und müssen sich erst an den Schulalltag hier gewöhnen.

Der Verein unterstützt die Minderjährigen mit seinen Projekten nicht nur, sondern möchte auch die Menschen in Schleswig-Holstein für die Geflüchteten sensibilisieren. Auch wenn zur Zeit nicht mehr so viele Geflüchtete nach Kiel kommen wie noch 2015 und 2016, wird immernoch Hilfe benötigt. Während die Vormundschaft oder auch eine Position als Begleitperson für junge Volljährige eher einen elterlichen Charakter haben, kann besonders die Nachhilfe dafür sorgen, dass sich die verschiedenen Kulturen auf Augenhöhe begegnen. Beide Seiten können von so einer Beziehung profitieren. Wer Nachhilfe gibt, erkennt nicht mehr nur die gesichtslose Masse Geflüchteter, sondern sieht die Individuen, die dahinterstecken. Manche sogar mit ähnlichen Wünschen und Träumen wie man selbst.

Die Flucht aus Ländern wie Afghanistan oder Syrien ist besonders für unbegleitete Minderjährige eine Erfahrung, die sie an ihre Grenzen bringt. Einige werden ausgenutzt, eingesperrt, oder vergewaltigt während sie versuchen, an einen sicheren Ort zu kommen. Was sie dann in Deutschland erwartet, entspricht dann oft nicht dem, was sie sich vorgestellt haben: Nun müssen sie sich mit einer fremden Kultur auseinandersetzen, eine neue Sprache lernen, sich in ein unbekanntes Schulsystem einfinden und warten eventuell jahrelang auf die Aufenthaltsgenehmigung. Mit dabei herrscht in vielen Fällen Angst, denn alles ist neu, alles ist fremd, und auch was die Medien über die Geflüchteten berichten, findet einen Weg zu ihnen. Umso wichtiger ist es, dass sie hier in Deutschland ausreichend Unterstützung erhalten, um für sich eine Zukunftsperspektive entwickeln zu können.

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Nachhilfelehrer*innen gesucht!

Weil es so viele Geflüchtete gibt, hat lifeline e.V. momentan leider nicht die Kapazitäten, um allen die nötige Unterstützung im schulischen Bereich zu geben. Das können wir ändern! Möchtest du die geflüchteten Jugendlichen dabei unterstützen, ihre schulische Bildung zu sichern? Möchtest du neue Kulturen kennenlernen, neue Freunde finden, eine neue Aufgabe bestreiten? Dann melde dich bei lifeline e.V. und mach mit beim Team ehrenamtlicher Nachhilfelehrer*innen!

Telefon: 0431/2405828

Email: lifeline@frsh.de


Bildquelle: lifeline e.V.

Autor*in

Ann-Kathrin studiert Deutsch und Anglistik im Master an der CAU. Da sie nicht auf Lehramt studiert, hielt sie es für klug, im Oktober 2017 Teil der ALBRECHT Redaktion zu werden. Von Februar 2018 bis Februar 2019 war sie Leiterin des Ressorts Gesellschaft und übernahm dann bis Januar 2020 den Posten der stellvertretenden Chefredakteurin.

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