Was wird mit Mitte zwanzig, einem Literaturstudium und dem Wunsch, mit dem eigenen Schreiben Geld zu verdienen gemacht? Kämpfen um einen der kaum bezahlten und ebenso seltenen Volontariatsplätze bei Verlagen, die nur noch verkaufen, was die Massen wollen? Frei schreiben und einfach hoffen, eine Zeitung kauft ab und zu Artikel, die einen über Wasser halten?

Leonhard Hieronymi will 2016 eine Lesereihe in Berlin organisieren und schreibt dafür den Korbinian Verlag an, um sie als Mitstreiter zu gewinnen. Der Korbinian Verlag: Das ist ein Verlag, den Katharina Holzmann, Sascha Ehlert und David Rabolt 2015 gründeten, nachdem ihnen die deutsche Gegenwartsliteratur zunehmend nicht mehr gefiel. Als Verleger*Innen, Herausgeber*Innen und Lektor*Innen haben Katharina Holzmann und Sascha Ehlert vorher schon Erfahrungen gesammelt, seit sie 2013 ihre eigene Zeitschrift Das Wetter gründeten, deren 16. Ausgabe vor Kurzem erschienen ist.

Unter dem Namen Rich Kids of Literature organisieren sie, jetzt zu fünft mit Schriftstellerin Charlotte Krafft, seit 2016 regelmäßig Lesungen, die vor allem ein junges Autor*Innen- und Leser*Innenpublikum ansprechen. Das Kollektiv, dessen Name von dem erfolgreichen Instagram-Account Rich Kids of Instagram inspiriert wurde, präsentiert sich in einem ähnlich hedonistischen Lifestyle mit Pelzmantel und Champagnerflaschen, gibt aber in einem Interview zu, dass statt „rich“ ihr Einkommen eher an der Armutsgrenze kratzt. Ihre Kritik an Deutschlands „inoffiziellem Ekstaseverbot“ wird mit eigenen Polohemden und reichlich Champagnermotiven effizient bekämpft.

Diese Selbstinszenierung funktioniert so gut, dass zahlreiche Feuilletons über sie berichten, Filmteams sie beim Bier trinken aufnehmen und ihre Lesereihe zwei Jahre nach Gründung immer noch so beliebt ist, dass Zuschauende regelmäßig stehen müssen. Der Korbinian Verlag hat mittlerweile schon die zweite Auflage von Hieronymis Debut Ultraromantik veröffentlicht: Ein Manifest, das für mehr Leidenschaft, mehr Wahrheit und niemals Langeweile in der Literatur plädiert. Im Interview sagt Leonhard Hieronymi selbst, er wäre Schriftsteller geworden aus absoluter Obsession für Literatur, die er in seinem Literaturstudium nicht genug ausleben konnte. Sein Manifest sei dann vor allem aus Langeweile entstanden, denn „eigentlich entsteht alles aus Langeweile“.

Das Wetter konnte schon für ihre ersten zwei Cover Casper und Marteria gewinnen und damit nicht nur Literaturinteressierte, sondern auch Deutschrap-Liebhaber*Innen ansprechen. Mittlerweile schreibt sogar Maxim Biller, dessen Romane auch in Seminaren an unserer Uni besprochen werden, Artikel für die Zeitschrift. Der Online-Shop von Das Wetter verkauft außerdem Merchandise, unter anderem für das Kollektiv, wie die erwähnten Polohemden mit eigenem Emblem: Lorbeerkranz, Champagnergläser und ein Buch stehen für Dekadenz und die Liebe zur Literatur. Im Oktober erschien im Korbinian Verlag The Very Best Of Vol. I zum fünfjährigen Bestehen von Das Wetter, in dem auch Texte der Rich Kids of Literature zu lesen sind.

Auf die Frage, wie Hieronymi der typischen Absicherung durch ein Lehramtsstudium entgangen ist, antwortet er: „Wenn man sich leidenschaftlich für Literatur interessiert, will man auch nichts anderes machen, dann scheißt man auch auf berufliche Sicherheiten. Es gibt doch hunderttausend Leute, die ordentliche Sachen machen und finanziell abgesichert sind, warum müssen wir das dann selbst auch noch? Man kann sich später doch Geld bei denen leihen.“

Und allen Studierenden, die in der literarischen Welt Fuß fassen wollen, denen aber vielleicht der Mut fehlt, rät Hieronymi, sich klar darüber zu sein „ob man besessen genug, verrückt genug, und ob man eine Idiotin oder ein Idiot ist. Danach kann man sich über Stil und Urteilsvermögen Gedanken machen. Susan Sontag sagt, wenn Besessenheit und Idiotie vorhanden sind, dann kann eigentlich auch nichts schief gehen. Selbst wenn einem der Mut fehlt.“

 

Autor*in

Judith studiert Anglistik und Deutsch und ist seit Mai 2018 beim Albrecht dabei.

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