Ein Kommentar.

Ein in der Justizgeschichte der Bundesrepublik einmaliges Urteil wird ihn Peter Harry Carstensen sichern, den Eintrag in die Geschichtsbücher. Seit Langem versuchte er immer wieder, teilweise mit abenteuerlichen Methoden, aus der grauen Provinz des Nordens als schillernder Querulant unter den mächtig-langweiligen Unionskollegen, den Kochs und den Seehofers, hervorzutreten.

2004 suchte er, in einer wohl historisch einmaligen Aktion per Bild-Zeitung, eine neue Frau für den heimischen Herd. „Was Schönes zu essen“, wie seine Kollegen, wenn sie nach Hause kämen, wünschte sich der heute 63-Jährige im Interview. Über 1 000 Boulevardleserinnen schrieben dem kratzbärtigen Argrarexperten Carstensen damals. Doch Peter Harry blieb allein. Obendrein hagelte es Kritik wegen eines bedenklich rückständigen Frauenbildes. Doch der erste Schritt für einen Aufstieg abseits breitgelaufener Wege war gemacht.

Dann, als Ministerpräsident, das revolutionäre Sparpaket! Als erstes Bundesland überhaupt verankerte schwarz-gelb im Land zwischen Nord- und Ostsee eine Schuldenbremse in der Landesverfassung. Kapitän Peter Harry steuerte den Kiel durch raues Fahrwasser. Das Land war von Finanz-, Wirtschafts- und Weltkrise (und durch das Rettungspaket für die seeuntüchtig gewordene HSH Nordbank) schwer gebeutelt. Und alle sollten sich in Verzicht üben. Die Blinden, denen das Blindengeld gestrichen wurde, die Eltern, denen das beitragsfreie dritte Kitajahr genommen wurde, die Schüler, die Studierenden, die Beamten und die Uni Lübeck, die auf ihren vorbildlichen Medizinstudiengang verzichten sollte.

Doch auch hier liest man den Namen Carstensen nur zwischen Superlativen. Seit Jahrzehnten hatte es keine größere Demonstration in Schleswig-Holstein gegeben, als der Protest gegen die Zerschlagung der Uni Lübeck.

Und nun: Carstensen in einem historischen Moment. Als erstem Ministerpräsident der Bundesrepublik wurde ihm am 30. August vom Landesverfassungsgericht höchstrichterlich mitgeteilt, dass seine gesamte Regierung gesetzes-, ja verfassungswidrig zustande gekommen ist! Ein verfassungswidriges Wahlgesetz, falsch ausgezählte Wahlkreise, ein Gericht, das den Landtag auflöst und Neuwahlen verordnet. „Das kennt man nur aus einer Bananerepublik“ sagt Joachim Krause, Politikwissenschaftler und Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel, gegenüber detektor.fm.

Doch die Zeiten der Bananenrepublik Schleswig-Holstein sind nun auch gezählt. Commandante Carstensen geht und macht den Weg frei für echte demokratische Verhältnisse zwischen Nord- und Ostsee. Auch das, ein wahrhaft denkwürdiger Schritt.

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