Ein paar schöne Fotos geschossen, einen Text verfasst, der ein besonders gutes Licht auf die eigene Person wirft und – zack – ist das Profil hochgeladen. Äh, natürlich die Anzeige. Denn das, was nach Onlinedating klingt, ist eigentlich die Suche nach einem:einer neuen Mitbewohner:in. 

Im Endeffekt ist es wohl vergleichbar: Es lohnt sich, nicht weniger wählerisch bei der Suche nach einem:einer neuen Mitbewohner:in zu sein als bei der Partnerwahl. Und auch der Weg dahin läuft in der digitalisierten Welt analog dazu ab. Wenn wir in ein paar Jahren gemütlich bei einem Abendessen mit Freund:innen danach gefragt werden, wie wir uns kennengelernt haben, werden wir lächelnd antworten: „Wir haben uns auf WG-Gesucht gefunden“. Und das wird wohl niemanden mehr wundern. Immerhin geht es auf der Plattform WG-Gesucht zu wie auf einer Online-Datingseite. Es wird dargestellt, selektiert und präferiert, um dann nach Oberflächlichkeiten auszusuchen, wer zu einem passen könnte. Und dabei springen immer wieder die gleichen Schönredereien ins Auge.  

So gibt es eine Auswahl von Hunderten von Menschen, die Sauberkeit im Haushalt schätzen, aber natürlich keinen Ordnungsfimmel haben. 5-Sterne-Köch:innen, die sich aber ganz gerne mal für die TK-Pizza entscheiden. Und gleichzeitig offen und zugewandt sind, es aber respektieren, dass die Tür ab und an zu ist. Leute, die alles für dich sein würden, wenn du ihnen nur den Wohnungsvertrag hinwirfst. Wie soll ich mich da entscheiden, wen ich in meiner bescheidenen Behausung wohnen lassen möchte?  

Im Wohnungsdschungel, in dem sich ein märchenhaft angekündigtes Schloss rasant in eine schmutzige Zwergenhütte verwandelt, wirkt das bescheidenste Obdach wie ein Goldschatz. Doch selbst der Goldschatz bedarf einiger kosmetischer Beschönigungen. Wie zum Beispiel rückst du die Tatsache ins gute Licht, dass die Wohnung im vierten Stock ohne Aufzug liegt? „Sieh’s als daily workout“? Und dass das Zimmer 15 Quadratmeter klein ist und im Laufe des Tages nur wenig Licht bekommt? „Klein und fein und hat ein großes Fenster.“ Kleine Notlügen wie diese sind okay, wenn du dir bewusst machst, dass auch die Bewerber:innen die ein oder andere Eigenheit unter den Teppich kehren werden.  

Von Romantik keine Spur, wird beim ersten Treffen, digital oder analog, direkt die finanzielle Ausstattung abgefragt, was sonst nur beim ersten Date mit einem zukünftigen Sugardaddy in Frage kommen könnte. Oh, Moment, hast du gesagt, dein Vater hat ein Boot? Wenn dann noch ein mitgebrachter Sandwichtoaster in Aussicht steht, sieht die Sache gut aus. 

Ach ja! Übrigens hat Corona ein alles entscheidendes Kriterium ins Spiel gebracht. Neben den sonstigen Fragen „Was studierst du? Und woher kommst du ursprünglich?“ hält eine andere wichtige Frage Einzug: „Und? Bist du schon doppelt geimpft?“. 

Wer demnächst auf Mitbewohner:innen-Suche geht, darf sich nun einer Entscheidungshilfe erfreuen. Denn Bewerber:innen, die ein Boot, einen Sandwichtoaster und eine doppelte Corona-Impfung mitbringen, dürfen sofort einziehen!  

von Illa Schweppe

Autor*in

Hier veröffentlicht DER ALBRECHT seine Gastartikel – eingesandt von Studierenden, Professor*innen und Leser*innen der Zeitung.

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