Im Gespräch mit der BAföG- und Sozialberatung des AStA über die Probleme der Studierenden

Vor dem AStA-Beratungsbüro in der Leibnizstraße 15 sitzen zwei Enten auf der Wiese und schnattern vor sich hin. Einen Moment halte ich inne und schaue ihnen zu, da öffnet sich die Tür hinter mir, ich drehe mich eilig um. „Kein Stress“, sagt Sylvia Hohmann und bittet mich herein. Wir begrüßen uns; in der Küche gibt es Kaffee und Tee. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Diana Kaufmann setzen wir uns. „Die Enten sitzen da jeden Morgen“, meint Diana und lächelt. 

Sylvia, Diana und ihr Kollege Kai sind Teil des AStA und für die BAföG- und Sozialberatung der Studierenden zuständig. Dabei beschränkt sich ihr Beratungsangebot nicht nur auf Hochschulen in Kiel, denn Studierende aus ganz Deutschland können dieses in Anspruch nehmen. Oft ist es das BAföG, das die Studierenden umtreibt. Darüber hinaus stehen Sylvia, Diana und Kai Studierenden mit Kindern, aus dem Ausland oder mit Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen zur Seite. 

Problemkatalysator Corona  

Die Probleme, mit denen die Studierenden zur Beratung kommen, sind vielseitig. Am meisten jedoch geht es um finanzielle Probleme und psychische Belastung, wobei das eine vielfach ins andere übergehe. „Häufig stecken die Hilfesuchenden schon tief in Schwierigkeiten“, meint Diana und betont die Bedeutsamkeit, zu zeigen, dass jemand für sie da ist: „Bei uns sind die Menschen das Wichtigste. Alles andere spielt keine Rolle. Jede:r ist willkommen, egal wer oder welche Institution das Gegenteil vermittelt.“ Meistens können sie den Hilfesuchenden wieder aus dem Loch heraushelfen, dafür müssen diese allerdings mitarbeiten. Ganz nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe.“ 

Besonders alarmiert sind die beiden über die psychische Verfassung der Studierendenschaft. Wenn Studierenden die finanzielle Lebensgrundlage wegbricht, führt das häufig zu immensem psychischem Stress, beobachten Sylvia und Diana: „Meistens geht die BAföG- in die Sozialberatung über und schließlich in die Beratung Studierender mit chronischen Erkrankungen.“ Durch die Pandemie haben sich fast alle Probleme verstärkt. Die Beratungsnachfrage nahm zu, die Menschen waren verzweifelter, gleichzeitig fiel der so wichtige persönliche Draht weg, weil die Beratung online stattfinden musste. Studierende mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen mussten darüber hinaus um die für sie lebenswichtige Impfung kämpfen. Die vermehrte Belastung ausschließlich auf Corona zurückzuführen, sei jedoch ein Fehlschluss, glaubt Diana: „Mein Eindruck ist, dass nach der Einführung von G8 die psychischen Probleme zunahmen. Wenn dann der intensive schulische Stress im Studium wegbricht, merken die Leute erst, wie schlecht es ihnen geht.“ 

Illusion der Chancengleichheit  

Dabei wären die Studierenden schon sehr entlastet, wenn die Lebensgrundlage für alle sichergestellt werden würde, finden die beiden. „Gerade Studierende mit Kindern sind von Geldnot bedroht”, sagt Sylvia und erwähnt eine junge Studentin, die sich erst kürzlich bei ihr über Tafeln informieren wollte. „Das bricht mir das Herz“, fügt sie bedrückt hinzu und bemängelt: „Es gibt keine Chancengleichheit in der Bildung. Bildung hat immer etwas mit finanziellen Mitteln zu tun – das fängt schon in der Schule an, wenn es um Ausflüge oder Ähnliches geht.“ Diesbezüglich sehen Sylvia und Diana auch die Universität in der Pflicht, endlich gegenzusteuern: „Es wäre viel gewonnen, wenn der BAföG-Leistungsnachweis vereinfacht würde oder ganz wegfiele. Das Präsidium könnte und sollte sich außerdem für unbegrenztes BAföG für alle einsetzen, das nicht zurückgezahlt werden muss. Aber so etwas interessiert sie nicht“, meint Diana. Das gebiete auch die Fairness, denn Studierende mit elterlichem Unterhalt müssen diesen nicht zurückzahlen.  

Trotz all dieser Probleme rufen Sylvia und Diana die Studierenden dazu auf, nicht aufzugeben, sich zu vernetzen und Hilfe zu suchen, wenn sie diese benötigen. Außerdem betonen sie, dass Studierende im Zweifel immer eine Zweitmeinung einholen sollten. 

Zuletzt frage ich, ob es einen Fall gab, der sie besonders bewegt hat. Diana erzählt von einer Studentin, die vor einigen Jahren eine Fehlgeburt erleiden musste. Da habe sich das BAföG-Amt zunächst geweigert, den Leistungsnachweis zu verschieben, da eine Fehlgeburt kein legitimer Grund sei, die Regelstudienzeit nicht einzuhalten. Obwohl sie in diesem Fall erfolgreich Widerspruch einlegen konnten, ist Diana trotzdem anzusehen, wie sehr sie als Beratende emotional davon mitgenommen wurde. Unser Gespräch ist zu Ende, wir verabschieden uns. Bedrückt verlasse ich das Beratungsbüro und sehe, wie das Entenpaar wegfliegt.  

Autor*in

Jebril ist 22 Jahre alt und studiert seit einer gefühlten Ewigkeit Philosophie und Anglistik. In seiner Freizeit fotografiert er gerne, verbringt Zeit mit seinen Freunden, spielt gerne Schach und ist leidenschaftlicher Fahrradfahrer. Beim Albrecht ist er für das Ressort Hochschule tätig.

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