„Ich habe Adolf Hitler getötet“
Titel: Ich habe Adolf Hitler getötet
Autor: Jason.
Verlag: Reprodukt. 48 Seiten (farbig), Klappenbroschur. 13 Euro.
Wertung: ****

Wenn der Rezensent bei einem Comic mit dem Titel „Ich habe Adolf Hitler getötet“ nicht zuerst auf den Führer, sondern auf den Stil des Zeichners zu sprechen kommen möchte, ist das vielleicht das größte Kompliment, das man letzterem machen kann. Und selten ist es so berechtigt wie in diesem Fall: Unverwechselbar austauschbar darf man nennen, was Jason in seinen Werken fabriziert, agieren bei ihm doch stets die gleichen vermenschlichten Hunde, Katzen oder Vögel, unabhängig von Setting und Geschichte. „Ich habe Adolf Hitler getötet“ erzählt nun von einer Welt, in der es normal ist, die Dienste eines Profikillers in Anspruch zu nehmen. Das allein garantiert bereits ein blutiges Chaos, dass allerdings noch gesteigert wird, als ein Erfinder einen dieser Auftragsmörder anheuert, um in der Zeit zurückzureisen und den Titel des Comics Wahrheit werden zu lassen. Fürwahr eine abstruse Handlung, in der Jasons Figuren aber mit einem Minimum an erkennbaren Mimik agieren und auf diese Weise eine Art Hyper-Understatement erzeugen, das an Lakonie nicht mehr zu übertreffen ist. Wenn ein unverwechselbarer Stil Gold Wert ist, muss Jason ein seeeeehr reicher Mann sein.

„Ein philosophisch pornografischer Sommer“
Titel: Ein philosophisch pornografischer Sommer
Autor: Jimmy Beaulieu.
Verlag: Schreiber & Leser. 286 Seiten (farbig), Klappenbroschur. 22,80 Euro.
Wertung: ****

„Der eine ist ein erfolgreicher Jungfilmer, die andere steht in einer Backstube hinter dem Tresen, Simone spielt den Bass in einer Band. Martin ist verliebt in Annie, aber die hat nur Augen für die hübsche Bäckerin. Es ist das Sittengemälde einer gut gelaunten, jungen franko-kanadischen Gesellschaft die leichtfüßig durchs Leben geht.“ Der Klappentext eines Buches ist ja eigentlich eher selten zitierfähig, im Fall von „Ein philosophisch pornografischer Sommer“ (im Original zutreffender „Comédie sentimentale pornographique“ betitelt) trifft er den Nagel aber ziemlich auf dem Kopf. Pornografisch ist hier hingegen wenig bis gar nichts, erotisch durchaus so Einiges. Vor allem aber gelingt es Autor Jimmy Beaulieu interessante und vielschichtige Figuren zu entwerfen, wie man sie im Comic nur selten vorfindet. Kongenial auch die optische Umsetzung in schlichtem aber nie naiven Zeichenstil, der unaufdringlich aber effektiv zur Charakterisierung der Protagonisten beiträgt. Hätte Beaulieu diese Ausdrucksstärke noch etwas mehr fokussiert und nicht auf eine bisweilen unübersichtliche Vielzahl von Figuren verteilt, „Ein philosophisch pornographischer Sommer“ wäre ein wahres Meisterwerk geworden. Die „Süddeutsche Zeitung“ dürfte Beaulieu für ihre nächste Edition garantiert trotzdem längst auf dem Zettel haben.

„A God Somewhere“
Titel: A God Somewhere
Autor: John Arcudi (Skript), Peter Snejbjerg (Zeichnungen).
Verlag: Panini Comics. 204 Seiten (farbig), Softcover. 19,95 Euro.
Wertung: **

Wundert sich eigentlich noch jemand darüber, dass jeder, der von einer genmanipulierten Spinne gebissen wird, seine Kräfte automatisch in den Dienst des Guten stellt? Dass nicht mal jemand durchdreht, wenn er entdeckt, dass ihm auf einmal Fäden aus den Handgelenken schießen? John Arcudi und Peter Snejbjerg tun dies in ihrem Comicroman „A God Somewhere“: Nach einer mysteriösen Explosion kann Eric Forster plötzlich fliegen und ist superstark – das übliche Programm halt. Zunächst nutzt er das auch für das übliche Verbrecherklatschen, nicht lange allerdings und Eric beginnt sich für einen Gott zu halten, dem die Menschen gepflegt am Arsch vorbeigehen. Als solcher zieht er eine Schneise der Verwüstung durch die USA, gegen die die Ausraster des Hulk wie der Wutanfall eines Dreijährigen wirken. Der Comic bemüht sich dabei um eine möglichst realistische Interpretation des Superheldenmythos und gestaltet diesen entsprechend drastisch und gewalttätig. Inhaltlich gerät er jedoch weniger explizit, weder die menschliche noch die im Titel angedeutete religiöse Komponente des Themas werden erschöpfend behandelt. Somit bietet „A God Somewhere“ nichts, was Alan Moore 1986 in „Watchmen“ nicht schon besser formuliert hätte. Obwohl sich das natürlich über 90 Prozent der Superheldencomics der letzten 25 Jahre sagen ließe.

Sekundärliteratur des Monats

„Comic Report 2012“
Titel: Comic Report 2012 – Der deutschsprachige Comicmarkt: Berichte + Analysen.
Autor: Volker Hamann, Matthias Hoffman (Herausgeber).
Verlag: Edition Alfons. 192 Seiten, Softcover. 14,95 Euro.
Wertung: ****

Mehr von allem ist häufig nicht das Schlechteste Prinzip – das dachten sich vermutlich auch die Herausgeber des „Comic Reports“ und hoben bei der zweiten Ausgabe ihres Kompendiums sowohl die Anzahl der Seiten als auch der farbigen Abbildungen deutlich an (und damit natürlich auch den Preis). Inhaltlich hat sich hingegen nicht viel geändert, wie schon im Vorjahr berichtet das Werk anschaulich von den verschiedensten Facetten des deutschen Comicmarktes, den wichtigsten Trends und Neuerscheinungen der letzten zwölf Monate. Das textliche Niveau ist dabei weitestgehend ansprechend, wenngleich einige Autoren gelegentlich zu sehr in einen unreflektierten Plauderton verfallen. Besonders Irene Salzmans Artikel über die Manga-Zeichnerin Ayano Yamane fällt durch einen Stil negativ auf, den man eher in einer Schülerzeitung als in einer professionellen Publikation vermuten würde. Höhepunkt ist hingegen die von Volker Hamann anekdotenreich erzählte Geschichte des Underground-Magazins „Menschenblut“. Und will man überhaupt etwas Schlechtes über ein Buch sagen, das einen Artikel mit dem Titel „25 Jahre Wendy – Was vom Pferde übrig blieb“ enthält? Na eben.

Wiederveröffentlichung des Monats

„Powers“
Titel: Powers Bd.1: Wer ermordete Retro Girl?
Autor: Brian Michael Bendis (Skript), Michael Avon Oeming (Zeichnungen).
Verlag: Panini Comics. 208 Seiten (farbig), Softcover. 19,95 Euro.
Wertung: *****

„Powers“ ist das Gegenteil eines Überraschungserfolgs: Obwohl niemand ernsthaft die erzählerische und visuelle Virtuosität der seit 2000 erscheinenden Serie anzuzweifeln würde, gilt sie noch immer als „bester Comic den nie jemand gelesen hat“. Wie auch? In Deutschland brachte sie es gerade mal auf vier Ausgaben im kurzlebigen Magazin „Hit Comics“, erst seitdem der amerikanische Fernsehsender Fox an einer TV-Adaption arbeitet, erhält „Powers“ hierzulande die schon lang verdiente Aufmerksamkeit. Der Auftaktband „Wer ermordete Retro Girl?“ erhält die ersten sechs Hefte der Serie (inklusive umfangreichem Bonusmaterial) und schildert, wie das ungleiche Cop-Gespann Christian Walker und Deena Pilgrim mit der Aufklärung des Mordes an einer Superheldin konfrontiert wird. Dabei stecken die Ermittlungen der Beiden noch knietief in den Neunzigern, Dialoge und popkulturellen Referenzen entstammen eindeutig der Tarantino-Ära, während das Ermittlergespann sowie die unterkühlt-unheimliche Atmosphäre bei „Akte X“ ausgeborgt wurde. Wundersamer Weise hat der Zahn der Zeit „Powers“ dennoch nichts anhaben können, der originelle Zeichenstil und die innovativen Layouts sind bis heute nicht von der Gegenwart eingeholt wurden. Eine Pflichtlektüre in jüngster Comicgeschichte. Jetzt nachholen, Ausreden werden nicht akzeptiert.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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