Kommt man als Neubürger nach Kiel fällt einem neben der Nähe zur Schifffahrt und zur Marine auch das von Nachkriegsarchitektur geprägte Stadtbild ins Auge. Wer am Hindenburgufer entlang geht, sieht wie gegenüber bei HDW U-Boote zusammengeschraubt werden. Am Westufer liegt die Flotte der Bundeswehr, am Horizont das Marine-Ehrenmal von Laboe. Im Rathaus prangt ein in Stein gehauenes Emblem: „Reichskriegshafen Kiel“. Dem Betrachter wird bewusst, Kiel hat eine gewisse Nähe zum Militär und ist bedeutender Teil deutscher Geschichte.

Aus der Geschichte lernen? – Universität und Land vor und nach 1945 so der Titel einer Dokumentation aus dem Jahre 1995. Es handelt sich hierbei um eine verschriftliche Ringvorlesung. Auf Basis zweier Beiträge von Herrn Dr. Manfred Jessen-Klingenberg und Matthias Wieben in dieser Dokumentation soll dem Leser folgend ein kleiner Einblick in die NS-Vergangenheit der CAU gegeben werden.

Am 10. Mai 1933 fand auf dem Wilhelmplatz eine Bücherverbrennung statt. Werke von Freud, Heine, Mann, Kästner, Marx, Tucholsky und vielen anderen wurden in den Bibliotheken beschlagnahmt und deklariert als „undeutscher Geist“, gnadenlos vernichtet. Eingeleitet wurde das grausame Spektakel von einer Rede in der Universität, wo Prof. Dr. Weinhandl, Professor für Philosophie von „schädigender und destruktiver“ Literatur und dem „Mut und Wehrwillen“ der Deutschen sprach. Angeführt wurde der Fackelzug zum Wilhelmplatz von der Studierendenschaft, es wehten die Fahnen der CAU. Auch Professoren wohnten der Veranstaltung zustimmend bei. Proteste sind nicht überliefert.

Großer Stehender - Zum Gedenken an die Opfer von 1933-45.
Großer Stehender – Zum Gedenken an die Opfer von 1933-45.

In eben jenem Mai wurden auch alle jüdischen und kritischen Professoren und Universitätsmitarbeiter gewaltsam aus ihren Ämtern entlassen. Es sind Szenen überliefert, wo Gelehrte der Universität ihre Kollegen mit Knüppeln aus ihrem Amtszimmer trieben. Auch sollen SS-Mitglieder mit Handgranaten Hörsäle belagert haben. Unter den Vertriebenen war auch Walther Schücking, nach welchem heute das renommierte „Walther-Schücking Institut für Internationales Recht“ benannt ist. Der damalige Rektor Paul Ritterbusch schwärmte 1940 in einer Rede von einem „Wandel“ im Jahre 1933. Es seien alle „rassefremden und politisch untragbaren Elemente“ entfernt worden. An der CAU galt bald darauf auch das Führerprinzip, Rektor und Dekane hatten „Führerstellung“.

Im Jahre 1938 wurde an der CAU zudem die Wissenschaftliche Akademie des Nationalsozialistischen Dozentenbundes gegründet. Der Mediziner und SS-Offizier Hanns Löhr sah deren Aufgabe darin, das „völkisch-deutsch-germanische Sein“ in der Wissenschaft zu verankern.

Im dritten Reich gab es drei Universitäten, die, nicht zuletzt wegen ihrer geographischen Lage, den Titel: „Grenzland-Universität“ trugen: Breslau, Königsberg und Kiel. Diese Hochschulen sollten besonders „politisch“ in ihrer Lehre sein. Aufgabe der CAU war hierbei als „Träger des Volkstumskampfes gegen die Dänen“ zu agieren. Es wurde vor allem die Philosophische und Juristische Fakultät zur Kaderschmiede ausgebaut. Die Juristische Fakultät war eine der sogenannten „Stoßtruppfakultäten“ im Dritten Reich. Auch das Institut für Weltwirtschaft soll eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben und Gutachten zur „wirtschaftlichen Potenz“ eroberter Gebiete in Polen und Russland eingeworben haben.

Der Historiker Dr. Manfred Jessen-Klingenberg bemerkt in benannter Ringvorlesung schließlich: Die CAU habe sich von 1933 bis 1945 „freiwillig und kontinuierlich“ in den „Dienst der nationalsozialistischen Diktatur gestellt“.

Doch welche Rolle spielte die Studierendenschaft? Bereits seit 1927 stellten die Nationalsozialisten den „allgemeinen Studentenausschuss“ der CAU. Der „Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund“ an der CAU verübte bereits in der Endzeit der Weimarer Republik Anschläge auf politisch Unliebsame und sprach Morddrohungen gegenüber jüdischen Professoren aus. Seit 1935 unterstand die Studentenschaft schließlich direkt dem Rektorat und war damit nicht mehr vollständig unabhängig. Matthias Wieben zeichnet in seinem Beitrag ein Bild einer überwiegend geschlossenen rassistischen und antisemitischen Studierendenschaft während der NS-Zeit.

Aufgrund der enormen Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg musste Kiel in der Nachkriegszeit nahezu komplett wiederaufgebaut werden. Die Atmosphäre dieses historischen Ortes sollte seine Bewohner und Besucher, einerseits lehren aus der Geschichte zu lernen und andererseits ermutigen immer an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Auch und ganz besonders an der CAU. Jeder ist gefordert auf verantwortungsvolle, unabhängige und friedliche Wissenschaft in Lehre und Forschung zu achten und diese zu bewahren. Der lebendig-kritische Blick einer mündigen Studierendenschaft scheint hierbei unablässig.

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