PEGIDA und ISIS dominieren die Schlagzeilen seit Monaten. Religion spielt in den Medien immer wieder eine zentrale Rolle. Beispielsweise wenn es heißt, dass die „christlichen Werte“ gegen die „Islamisierung“ verteidigt werden müssen oder wenn der Stern fragt „Wie gefährlich ist der Islam?“. Das Thema „Islam“ wird heiß diskutiert, auch an der CAU. Nachdem die Islamische Hochschulgemeinde Kiel im Dezember einen ganzen Hörsaal mit dem Vortrag „ISIS – Kampf im Auftrag Gottes?“ füllte, lud am 9. Februar die Hochschulgruppe Tangente zum Dialog mit Dr. Sabine Schiffer, Sprachwissenschaftlerin und Medienpädagogin, ein. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der Darstellung des Islams in der Presse und kritisiert dabei alle großen Zeitungen bis hin zu Stern oder Spiegel.

Schiffer spricht von „Frames“ und einstudierten Symbolen, die unser Denken über den Islam und Menschen muslimischen Glaubens unterbewusst prägen. Auch JournalistInnen sind in ihrer Berichterstattung nicht frei. Ihre Erwartungshaltungen funktionieren wie ein Filter für die Wahrheit. So würden in Algerien die wenigsten Frauen Kopftuch tragen. Weil dieses Bild aber unserer Vorstellung vom Islam entspricht, warteten Kameraleute, bis sie genau diese Frauen ins Bild fangen konnten. Das Bild ist dann zwar nicht erfunden oder falsch. Durch die ständige Wiederholung prägt sich aber ein verzerrtes Bild in unserem Kopf ein.

Schiffer sieht JournalistInnen in der Verantwortung für die Reproduktion von rassistischen Vorurteilen. Sie merke in der Journalistenausbildung aber, dass „dort unbewusste Stereotype“ vorherrschen. Wichtig sei die Selbstbeobachtung. Zentrale Aufgabe im Journalismus sei es, alles in Frage zu stellen. Das wünscht sich Schiffer auch auf dem Campus. „Wenn ein Professor in der Vorlesung keine Nachfragen akzeptiert, dann ist da was falsch gelaufen“, so Schiffer.

Von den Studierenden erwartet sie sich mehr Basisrecherche und empfiehlt jeder Person, die einmal in den Journalismus möchte, ein Praktikum in einer PR-Agentur zu machen, „Dann wisst ihr, wie Nachrichten gemacht werden“. Schiffer spielt damit auf das Beispiel einer angeblichen Krankenschwester in Kuwait an. Sie habe von Gräueltaten im damaligen Irakkrieg berichtet. In Wahrheit soll sie aber die Tochter des kuwaitischen Botschafters gewesen sein. Zusammenhänge wie diese halten Kritiker Schiffers für zu weit hergeholt.

Trotzdem sorgen Vorwürfe wie diese für Probleme, zum Beispiel bei der Organisation der Veranstaltung, die zunächst vom AStA der Universität Kiel durch das Erteilen des Logos unterstützt wurde. Zwei Wochen vor Beginn der Veranstaltung distanzierte sich die Studierendenvertretung dann wieder, weil sie auf eine vermutete Nähe der ReferentInnen zur Gülen-Bewegung aufmerksam gemacht wurden. Auch die Zusammenarbeit mit Nord-Dialog stellte für den AStA ein Problem dar. Nord-Dialog beschreibt sich selbst als ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu fördern. In der Vergangenheit fanden auch gemeinsame Veranstaltungen mit der Stadt Kiel statt. Trotzdem wird der Verein nun aufgrund seiner Nähe zur Gülen-Bewegung kritisch betrachtet. „Der AStA positioniert sich politisch nicht auf dieser Linie“, verlautet er in seiner Pressemitteilung.

Muhammet Safak, ehemaliger Student der CAU und Tangente-Mitglied, äußert sich zu der Situation: „Ich bin im Vorfeld gar nicht auf die Idee gekommen, Frau Schiffer zu fragen, ob sie der Gülen-Bewegung nahe steht, weil es für uns keine Rolle spielt, was die Referenten machen. Wir wollten eine inhaltliche Veranstaltung anbieten.“ Referent für Politische Bildung des AStA, Robert Dorschel, sieht das anders: „Bevor wir der Logovergabe zugestimmt haben, haben wir die HSG Tangente gefragt: ‚Was sind das für ReferentInnen? Sind die kritisch zu betrachten? Müssen wir über die irgendwas wissen?‘ Wenn uns das verneint wird und im Nachhinein erfahren wir sowas, dann ist das schon ein Vertrauensmissbrauch.“

In einem Gespräch wenige Tage nach der Veranstaltung konnten die Fronten nur halbherzig geklärt werden. Dorschel beschwichtigt: „Wir distanzieren uns nicht von der Hochschulgruppe Tangente sondern nur von der Veranstaltung.“ Tangente-Mitglied Safak bleibt dabei: „Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Aber wir lassen das jetzt auf sich beruhen.“

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