Reisen übte schon immer eine gewisse Faszination auf den Menschen aus und ist keine Erfindung der Neuzeit. Doch den wesentlichen Unterschied machen heutzutage Billigflieger, an Beliebtheit gewinnende Kreuzfahrten und Online-Plattformen, die die Vermittlung von Privatunterkünften ermöglichen. Sie sind Gründe dafür, dass immer häufiger, schneller und weiter verreist wird. Und dies kann zum Problem werden. Das Phänomen Overtourism entsteht, wenn zum selben Zeitpunkt Massen von Menschen zum selben Urlaubsziel verreisen. Die Folge: Es kommt zu einer Überlastung der bereisten Orte durch überfüllte Straßen und Strände, kilometerlangen Schlangen vor den Sehenswürdigkeiten und Unmengen an Abfall. Von Experten kommt Kritik auf, dass bei den Touristen nur ein oberflächliches Interesse an der Kultur der bereisten Orte bestehe und somit für einen Zerfall der landeseigenen Kultur gesorgt werde. Dies ist nur schwer zu pauschalisieren, allerdings ist es nicht von der Hand zu weisen, dass das Verhalten von Touristen kulturelle Auswirkungen mit sich trägt. So werden beispielsweise Essen und Konsumgüter auf die Urlauber*innen abgestimmt.

Die beliebte Ferieninsel Mallorca hat schon seit Jahren mit Massen an Touristen zu kämpfen. Überladene Strände, dichter Verkehr aufgrund der vielen Mietwagen und „Sauftouristen“ am Ballermann, die mit schlechtem Benehmen glänzen, stellen große Probleme dar. Auch Luxusanlagen mit Pools und weitläufigen Golfanlagen sind schädlich. Mit einem enormen Wasserverbrauch sorgen sie für Trinkwassermangel auf der Insel. Kleine Lebensmittelgeschäfte müssen Bars und Boutiquen weichen. Statt spanischer Spezialitäten werden Currywurst und Schnitzel serviert. Das Leben der Einheimischen verschwindet Stück für Stück aus der Stadt, denn diese wird von den Touristen übernommen. Es wurden bereits erste Maßnahmen gegen den Massentourismus unternommen. Die seit 2016 zu zahlende Touristenabgabe sollte Abhilfe schaffen. Mit dem Geld soll die touristische Infrastruktur ausgebaut, sowie Umwelt- und Landschaftsschutz betrieben werden. Trotz der zu zahlenden Abgaben sind die Besucherzahlen auf Mallorca weiter gestiegen.

In der katalanischen Hauptstadt Barcelona sieht es nicht besser aus. Auch hier erfolgte in den letzten Jahren ein enormer Tourismus-Boom, der die Mieten in die Höhe schießen ließ. Es herrscht eine massive Wohnungsnot, denn die gestiegenen Mietpreise sind für die meisten spanischen Löhne zu hoch. Apartments werden von den Eigentümern lieber tageweise an Touristen vermietet, da dies mehr Geld einbringt. Außerdem reihen sich zahlreiche Hotels rund um beliebte Orte wie die Promenade La Rambla oder Sagrada Família. Die Stadt platzt aus allen Nähten und den Einheimischen reicht es. Mit Plakaten, auf denen „Tourists Go Home“ steht und die in der ganzen Stadt verteilt sind, protestieren sie gegen die Massen.

Auch in Venedig stellt die Wohnungsknappheit ein immenses Problem dar. Die Stadt ist hoch verschuldet, aus diesem Grund werden Stück für Stück Gebäude verkauft, die meist in Ferienwohnungen umgebaut werden. Das führt dazu, dass viele Venezianer*innen ihre Heimat verlassen und wegziehen. Durch die Verdrängung der Einheimischen verkommt die Stadt mehr und mehr zu einem „Freizeitpark“ für Touristen. Das Angebot wird ihnen angepasst: Billige Souvenirläden und Fressmeilen bieten traditionellen Familienunternehmen keine Chance mehr, mitzuhalten. Das berühmte Vaparetto-System, das ursprünglich als öffentliches Verkehrsmittel auf dem Wasser diente, wird nur noch als Touristenattraktion genutzt. Die Stadt versucht mit kontrollierten Zugängen und einem Reservierungssystem die Besucher*innen besser in der Stadt zu verteilen. Da allerdings der Tourismus als Haupteinnahmequelle dient, sind radikalere Einschnitte nicht vorgesehen.

Die niederländische Hauptstadt geht mit radikaleren Mitteln gegen den massiven Boom vor. So sollen in Amsterdam keine neuen Geschäfte mehr genehmigt werden, die sich mit ihrem Angebot ausschließlich an Touristen wenden, wie Schnellrestaurants, Kartenverkaufsstellen, Souvenir- und Themenläden. Bier-Fahrräder wurden verboten, um der extremen Lärmbelästigung der Partytouristen entgegenzuwirken. Auch sollen ab 2019 Privatwohnungen nur noch maximal 30 Tage statt wie bisher 60 Tage im Jahr an Urlauber*innen vermietet werden dürfen. Um dem Verkommen zum „Freizeitpark“, wie es in Venedig der Fall ist, entgegenzuwirken, ist das Pilotprojekt Holland World geplant. Es handelt sich dabei um einen Vergnügungspark, der eine Art zweite Tour durch Amsterdam in fünf Themenwelten darstellen und so die Stadt von den Massen entlasten soll. Der Park soll auf einem leeren Feld in der Nähe vom Flughafen Schiphol errichtet werden und ist somit circa 17 Kilometer vom Zentrum entfernt. Die erwarteten Kosten von circa einer Milliarde Euro sollen von privaten sowie öffentlichen Geldern getragen werden. Voraussichtlich wird der Park 2024 eröffnet.

Trotz der negativen Auswirkungen des Tourismus, kann dieser allerdings nicht nur als Plage betrachtet werden, schließlich kurbelt er die lokale Wirtschaft an und schafft so Arbeitsplätze. Die Frage ist nur, um welchen Preis? In Ländern wie Thailand wird Tourismus als Wohlstandsbringer angesehen, egal was es kostet. Wer möchte schon auf touristische Einnahmen verzichten? Vor allem wenn ein Land auf diese angewiesen ist. Zerstörte Korallenriffe, Tonnen von Abfall und zahlreiche konkurrierende Angebote für Touristen, die Folgen sind deutlich spürbar. Damit sich die Natur wenigstens für einen kurzen Moment regenerieren kann, veranlasste die thailändische Regierung zeitweilige Schließungen von Inseln und Stränden.

In Zukunft ist damit zu rechnen, dass der Massentourismus deutlich zunehmen wird. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die betroffenen Urlaubsorte nachhaltige Maßnahmen entwickeln, um dem Overtourism entgegenzuwirken, zum Beispiel durch eine bessere Verteilung der Besucher*innen und das Aufzeigen von Alternativen zu den bekannten touristischen Hotspots. Doch auch die Konsumierenden müssen sich nachhaltiger und selbstkritischer auf ihren Reisen verhalten. Aus ökologischer Sicht ist es besser, je dichter das Reiseziel ist. Reisen in ärmere und fernere Länder müssen jedoch nicht ganz aus dem Reiseplan gestrichen werden. Statt mehrmals nur für ein paar Tage weit zu vereisen, lohnt es sich, länger vor Ort zu bleiben und dafür weniger im Jahr wegzufahren. Nachhaltige Verkehrsmittel nutzen, Wasser sparen und die lokale Wirtschaft unterstützen, in dem mehr Geld am Ziel gelassen wird, sind mögliche Maßnahmen, um nachhaltiger zu vereisen.


Titelbild: wiki commons

Autor*in

Johanna studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Oktober 2016 Teil der ALBRECHT-Redaktion. Von Juli 2017 bis Januar 2019 war sie als Ressortleiterin für die Kultur verantwortlich. Sie war von Februar 2019 bis Januar 2022 Chefredakteurin des ALBRECHT.

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