Wie und warum Trampen eine Reisealternative ist

Studenten sind meist bestrebt ihre Euronen für Nudeln oder Bier zusammen zu halten. Deshalb reisen viele nicht pauschal ins Hotel, sondern schultern den Backpack und probieren das Leben etwas sparsamer zu genießen. In die Heimat wird gefahren wenn es die passende Mitfahrgelegenheit gibt. Doch es gibt einen Trick aus den Zeiten, als unsere Eltern noch Hippies waren. Statt vorher zu suchen oder zu buchen nimmt man einfach seinen Kram plus Block und Edding und stellt sich an die Autobahnauffahrt. Diese mysteriöse Praxis, die auf den deutschen Straßen kaum noch zur Schau gestellt wird, nennt man Trampen. Sie basiert auf der Tatsache, dass die meisten Wagen nur mit einem oder zwei Menschen besetzt sind, und dass irgendwer in diesem Moment gerade dahin fährt, wo man hin möchte.

Man frönt also dem Trampen, in dem man sich an so nah wie möglich an die erste angepeilte Fernstraße stellt die idealerweise aus Stadt, Kaff oder Kiel herausführt. Dabei stellt man sich gut sichtbar vor eine angebrachte Haltemöglichkeit (z.B. Bushaltestelle oder Tankstelle). Mit dem Daumen kommt man nach einer Zeit ans Ziel, trotzdem verbessert ein Schild mit der gewünschten Autobahnnummer und der Richtung (z. B. A7 Hamburg) die Chancen mitgenommen zu werden. Wenn man erst mal auf Fernstraße oder Autobahn ist, lässt man sich an Raststätten aussetzen, um die Mitfahrt für die nächste Teilstrecke zu finden. Hier kann man die Leute mit den richtigen Kennzeichen ansprechen und die Leute sagen bei Direktkontakt eher mal zu als dass sie von selbst anhalten. Vor dem Tramp hilft es enorm, sich die zu bereisenden Autobahnen aufzuschreiben sowie die Raststätten oder Abfahrten vor Autobahnkreuzen. Die meisten Fahrer haben zwar ein Navi, da ihnen das aber bekanntlich den Orientierungssinn entzieht, sollte man unabhängig sein. Mit internetfähigen Handys, dem Autoatlas der Eltern oder einer Karte kann man sich einfach spontan auf den Weg machen.

Trampen 1

Natürlich gilt es beim Trampen mehr Zeit einplanen als die ohnehin meist untertriebene Fahrzeit, die Google Maps einem nennt. Manchmal kann man direkt umsteigen, andere Male muss man zwei Stunden rumstehen. Auch abstraktere Zeitdehngründe stehen zur Verfügung, so habe ich zum Beispiel neulich einen Umweg auf mich genommen, damit mein Fahrer, ein Farnsammler, seine neusten Errungenschaften zu Hause ausladen kann, bevor er mich noch 40 Kilometer weiter gefahren hat. Da man auch beim Bahnfahren nicht weiß, ob man noch am selben Tag sein Ziel erreicht, ist Trampen eine angemessene Reisealternative.

Jede Teilstrecke lernt man jemand neues kennen und hat so meist genug verschiedene Themen, dass eine siebenstündige Fahrt kaum langweilig wird. An sich unterhält es so gut, dass man bei Reiselust keine großartigen Pläne machen braucht, um privat oder bei einem organisierten Tramprennen andere Länder oder Orte zu erkunden.

Viele Menschen (bzw. Eltern) sagen einem, dass Trampen zu gefährlich sei, doch da die Autofahrer Trampern genauso skeptisch gegenüber stehen, braucht man eigentlich keine Angst zu haben. Ich selbst bin schon, obwohl ich zur gefährdeten Spezies gehöre, als einzelnes weibliches Wesen getrampt – ohne Zwischenfälle. Ein paar Dinge gilt es natürlich trotzdem zu beachten: Leute mit verrückten Masken oder Handfeuerwaffen auf dem Armaturenbrett, genauso wie Autofahrer, die einen mit lüsternen Blicken bewerfen sind zu meiden. Wo man sich nicht sicher fühlt sollte man auch nicht einsteigen. Eine Absicherung ist es, vor den Augen des Fahrers sein Kennzeichen an eine Person seiner Wahl zu schicken. Auf meinen Reisen lagen schon Kettensägen und Drogen in den Wagen, trotzdem waren die Leute unglaublich hilfsbereit und haben mich sicher ans Ziel gebracht.

Da sind so viele Menschen, super offen oder erst zögerlich interessant, die einen weiterbringen und bereichern. Zum Beispiel John in Wales, der uns nach zwei Stunden Warten an der Raststätte im übelsten Regen direkt in das Kaff gefahren hat, in das wir wollten, und uns durch seine wunderbare Art total beruhigt hat. Oder Colin, der uns spontan in seinem prächtigen Haus hat schlafen lassen und uns Frühstück, Zeit und grenzenloses Vertrauen geschenkt hat. Und die verrückte Frau, esoterisch oder katholisch, die es als göttliche Pflicht sah mich noch ein bisschen weiter zu fahren.

Ich kann jedem nur empfehlen auf diese Art zu reisen, sich überraschen zu lassen und geduldig zu warten. Und wenn ihr einen Tramper seht, so öffnet eure Autotür, denn es wird spannend werden!

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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