Erin ist eine Rachegöttin. Von Hades auserkoren, macht sie den Campus vom Ivy Hall College in St Ives, Georgia unsicher und bringt Männer dazu, durch einen einzigen Kuss ihre Seele zu lassen. Dabei entscheidet Erin sich ganz bewusst, wem sie die Seele stiehlt: Männer, die ihre Freundinnen betrügen, misshandeln, unglücklich machen. Vor 2 ½ Jahren hat sie mit Hades einen Pakt geschlossen: Jede Woche muss sie ihm mindesten eine Seele eines Menschen bringen. An diese gelangt sie durch einen Kuss. Tut sie dies nicht, gilt der Pakt als gebrochen. Die Bestrafung für den Bruch des Paktes besteht darin, dass die Rachegöttin ihr Unterpfand an Hades verliert. In den meisten Fällen ist das die eigene Seele, für Erin jedoch geht es um etwas für sie viel Wertvolleres: ihre beiden Schwestern.

Sich niemals zu verlieben ist Erins großes Mantra, denn nur ein einziger Kuss an einen Mann, der ihr wirklich etwas bedeutet, würde sein Leben für immer verändern. Tatsächlich kann nach dem Kuss nicht mehr von ‚Leben‘ die Rede sein. Wie es kommen muss, lernt Erin eines Abends Arden, einen freundlichen, liebevollen, witzigen Studenten am Ivy Hall College, kennen. Erins Gefühle wachsen mit jedem Blick, den die beiden sich in der kommenden Zeit zuwerfen, doch gleichzeitig versucht sie weiterhin, sich jegliche romantische Emotionen zu verbieten. Während sie bemüht ist, einen Ausweg aus dem wasserdichten Vertrag mit Hades zu finden, sieht Erin sich eines Tages gezwungen, sich zwischen Arden und ihren Schwestern zu entscheiden.

Die Geschichte um Erin und ihren Job als Rachegöttin hat eine Menge Potential. Die Verflechtung der griechischen Mythologie mit dem College-Alltag in den Vereinigten Staaten suggeriert eine spannende Mischung aus Fiktion und Realität. Der Fokus von Cursed Kiss liegt allerdings weniger auf der Fiktion, sondern primär auf den aufkeimenden Gefühlen Erins für Arden. Das nimmt der Geschichte leider etwas das Tempo. Jede*r, der*die schon einmal verliebt war, wird Erins Gedanken nachvollziehen können: „Mag er mich, bin ich es wert, kann ich ihm vertrauen“, undundund. Hinzu kommt ihre ständige Angst um ihre Schwestern und der große Wunsch, den Pakt mit Hades beenden zu können.

Es handelt sich hier um eine solide Geschichte aus dem Romantasy-Genre, jedoch wiederholen sich Erins Gedanken Kapitel um Kapitel, sodass der Pakt mit Hades in den Hintergrund rutscht. Wir erfahren die Story sowohl aus Erins als auch aus Ardens Perspektive. Dies sollte für Abwechslung sorgen. Tatsächlich hat Arden, was Erin betrifft, dieselben Ängste wie sie: „Mag sie mich? Hat sie mich gerade wirklich angelächelt? Bilde ich mir das nur ein?“ Diese Gedanken sind natürlich nachvollziehbar, sie jedoch ständig erneut zu lesen, ist etwas langwierig und bring Lesende und Protagonisten nicht weiter.

Es gibt definitiv einige spannenden Ansätze in Cursed Kiss: der zu brechen geltende Pakt mit Hades, die anderen Rachegöttinnen, das Verlagen Hades‘ nach Erins Schwestern. Leider werden diese Ansätze schnell zu Nebenthemen, die stets hinter Erins Verlangen nach und Gedanken an Arden stehen. Zwar ist sie stets motiviert, diese verschiedenen Handlungsstränge aufzurollen und so die Geschichte voranzubringen – tatsächlich landen die Lesenden aber immer wieder in Erins Gedanken um ihre Gefühle für Arden.

Ein Plottwist zum Ende der Geschichte bringt etwas Schwung hinein und sorgt dafür, dass die Handlung noch einmal etwas aufgewühlt wird. Persönlich hätte ich mir gewünscht, mehr von der griechischen Mythologie und den Umständen des Paktes zu erfahren. Auch wirken Erins Vorstöße, den Pakt zu brechen, etwas halbherzig. Zwar liegt ihr viel daran, den Vertrag zu brechen und somit ihre Schwestern und Arden zu schützen, doch kommen immer wieder ihre verliebten Gedanken dazwischen, sodass sich die Lesenden mit Erin darauf konzentrieren müssen, anstatt darauf, Hades eins auszuwischen.

Ich kann mir vorstellen, dass für Heranwachsende, die gerade das erste Mal frisch verliebt sind, Cursed Kiss ein absoluter Pageturner ist. Wer also ein Geschenk für den Neffen oder die Nichte sucht, ist hier richtig. Wer jedoch eine spannende Story über Figuren der griechischen Mythologie in der Wirklichkeit sucht, sollte nach einem anderen Buch greifen. Der Fokus liegt hier auf der Romance, nicht auf Fantasy.

Autor*in

Ann-Kathrin studiert Deutsch und Anglistik im Master an der CAU. Da sie nicht auf Lehramt studiert, hielt sie es für klug, im Oktober 2017 Teil der ALBRECHT Redaktion zu werden. Von Februar 2018 bis Februar 2019 war sie Leiterin des Ressorts Gesellschaft und übernahm dann bis Januar 2020 den Posten der stellvertretenden Chefredakteurin.

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