Eine Homöopathie-Vorlesung stellt den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit infrage

Ein Kommentar von Ira Mick 

Sehr lange schon gibt es an der CAU Ringvorlesungen, bei denen verschiedene Redner Vorlesungen zu einem Thema halten. Mindestens seit dem Jahr 2012 werden auch vom Arbeitskreis Homöopathie der CAU zu Kiel e.V. regelmäßig Ringvorlesungen abgehalten, und zwar zum Thema Homöopathie. Das Spannende: Der Arbeitskreis ist gar kein Arbeitskreis, die Ringvorlesungen sind gar keine Ringvorlesungen und die Inhalte sind, anders als in der Verfassung der Universität gefordert, nicht wissenschaftlich.

Zum ersten Termin der diesjährigen Auflage hatten sich vier Studierende und Promovierende der Universität zusammengefunden, um sich die Veranstaltung etwas genauer anzusehen. Dargeboten wurde ‚Eine Einführung in die Homöopathie‘ von Dr. Cornelia Beck, einer niedergelassenen Allgemeinmedizinerin aus Preetz. Um das Schauspiel zu dokumentieren, wurde die Veranstaltung von einem der vier Zuhörer in einem Protokoll verewigt, welches im Anschluss im Internet veröffentlicht wurde und dort für jeden frei zugänglich ist.

Der Name ‚Homöopathie‘ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ‚ähnliches Leiden‘: Nach dem ‚Ähnlichkeitsprinzip‘ soll Gleiches mit Gleichem behandelt werden. Nach diesem Prinzip können diverse ‚Stoffe‘ wie Pflanzenbestandteile, Mineralien oder aber auch Elektrosmog als homöopathische Arzneimittel eingesetzt werden – und das ist kein Scherz: Elektrosmog-Präparate werden in der Tat verkauft. Ein Stoff wie Arsen, der am gesunden Menschen Symptome wie Übelkeit und Erbrechen hervorruft, soll in verdünnter Form als Heilmittel dagegen helfen. Nun kann man einem Menschen nicht einfach Arsen geben, ohne vielleicht andere Symptome wie innere Blutungen oder auch Tod hervorzurufen. „Wenn ich einem Patienten Arsen gebe, will ich doch nicht, dass da Arsen drin ist“, ist ein Zitat aus dem Veranstaltungsauftakt. Ausweg soll die sogenannte ‚Potenzierung‘ bieten: ein schrittweises Verdünnen von Substanzen mit Wasser, Alkohol oder Milchzucker und anschließendes Verschütteln oder Verreiben. Ein typischer Verdünnungsgrad ist C30, also ein Teil Wirkstoff zu 100 hoch 30 Teilen Verdünnung. Zum Vergleich: Das entspricht einem Atom Wirkstoff auf einen Raum 1 000 Sonnen verteilt. Dennoch sollen die gewünschten Wirkungen des potenzierten Stoffes erhalten bleiben. Wie das mit dem aktuellen wissenschaftlichen Verständnis der Natur in Einklang zu bringen sein soll, und warum nur der Wirkstoff und keine anderen im Verdünnungsmittel gelösten Stoffe mit potenziert werden – sicherlich Fragen, die Gegenstand eines an einer Universität abgehaltenen Vortrags sein sollten – sie bleiben jedoch unbeantwortet.

Längst beantwortet hingegen, wenngleich nicht im Rahmen der Veranstaltung selbst, ist die Frage an die Wissenschaft nach der Wirkung der Homöopathie, welche es nicht über den Placebo-Effekt hinaus geschafft hat. Das Schicksal teilt sie sich mit vielen anderen Vertretern der sogenannten ‚alternativen Medizin‘, welche den Wirksamkeitsnachweis nicht erbringen konnten oder gar bereits daran gescheitert sind, plausibel zu begründen, warum ihre Praktiken Besserung versprechen sollten.

Viele homöopathische Wirkstoffe werden in Form von Zuckerkügelchen verabreicht.
Viele homöopathische Wirkstoffe werden in Form von Zuckerkügelchen verabreicht.

An der Frage, was eine unkritische Veranstaltung zu Homöopathie dann an unserer Universität zu suchen hat, schieden sich auch im Rahmen einer Twitter-Diskussion die Geister, an der sich auch namhafte Kritiker der Homöopathie aus ganz Deutschland beteiligten. Die CAU ließ mitteilen, die Universität sei ein Raum, „an dem kontroverse Diskussionen über Themen, Theorien und Projekte stattfinden sollen und dürfen“. So weit, so korrekt.

Derart zu kontroverser Diskussion ermutigt, pilgerten nun bereits neun Studierende und Promovierende zum zweiten Aufzug der „Ringvorlesung“, dieses Mal unter dem Titel Wechseljahre als homöopathische Herausforderung. Der Vortragende, Dr. Friedrich Graf, führt eine Allgemeinarztpraxis in Plön mit den Schwerpunkten Homöopathie, Schwangerschaft, Geburt und Gynäkologie. Nebenbei verdingt er sich als Autor von Büchern wie Die Impfentscheidung oder Nicht Impfen – Was dann?, in dessen Klappentext es heißt: „Nur wenige trauen sich, auf sämtliche Impfungen zu verzichten. So ‚erfolgreich‘ war und ist die Angstkampagne, damit jeder sich gefallen lasse, was schließlich nur krank macht.“

Zu kritischer Diskussion und Dokumentation sollte es aber gar nicht erst kommen. Zu Beginn der Veranstaltung wurde eine Schweigepflichtserklärung herumgereicht, die jegliche Berichterstattung untersagte. Die Begründungen waren aufschlussreich. Zuerst galt es, persönliche Patientendaten der Fallbeispiele zu schützen, die vorgestellt werden sollten – eine Selbstverständlichkeit, denn persönliche Daten von Patienten sind ohnehin bereits geschützt und wurden auch schon im ersten Protokoll nicht erwähnt. Als nächstes sollten die Urheberrechte Dr. Grafs geschützt werden. Auch dafür hätte sich sicher eine Lösung finden lassen, aber auf Nachfrage wurde bestätigt, was zu diesem Zeitpunkt allen Anwesenden klar war: Die Berichterstattung über die Veranstaltung im Internet sollte verhindert werden. Das alles wohlgemerkt in einer öffentlich angekündigten „Ringvorlesung“, welche übrigens von der Landesärztekammer als offizielle medizinische Fortbildungsveranstaltung anerkannt ist: Die Teilnahme wird pro Abend mit zwei Fortbildungspunkten honoriert.

So öffentlich scheint die Veranstaltung dann also doch nicht zu sein. Tatsächlich ist die „Ringvorlesung“ nicht Teil des offiziellen Kanons an Ringvorlesungen der CAU – genauso wenig, wie der „Arbeitskreis“ ein offizieller Arbeitskreis der Universität ist. Im Gegenteil: Der Arbeitskreis Homöopathie der CAU zu Kiel e.V. ist ein von der Karl & Veronica Carstens-Stiftung und dem Zentralverein Homöopathischer Ärzte unterstützter Verein, der laut Vereinssatzung das Ziel verfolgt, die Homöopathie in die Medizin und speziell in die Ausbildung junger Mediziner zu integrieren – den erheblichen berechtigten Zweifeln an der Wirksamkeit zum Trotz. Dies geschieht zu allem Überfluss im Namen unserer Universität.

Eine stetig wachsende Zahl aktueller und angehender Absolventen der CAU machen sich Sorgen um den Ruf ihrer Alma Mater und das wissenschaftliche Ansehen ihres Abschlusses und wollen das nicht länger hinnehmen. Unkritischen Veranstaltungen zu Homöopathie und anderen Pseudowissenschaften darf an der CAU kein Raum geboten werden. Kontroverse Diskussionen gehören fraglos zum wissenschaftlichen Diskurs. Nicht aber Werbeveranstaltungen zu Themen, die sich den Prinzipien der wissenschaftlichen Methode widersetzen.

 

Autor*in

Seit Oktober 2016 ist Ira beim Albrecht dabei, seit Januar 2017 ist sie für die Gestaltung des Weißraumes zuständig, und ganz selten Mal kommt ein Artikel zum Thema Hochschule aus ihrem Computer, nebenbei studiert sie Informatik.

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