Während Gutverdiener:innen eine:n dauerhafte:n Anwält:in und eine:n Steuerberater:in haben oder zumindest kennen, scheuen sich vor allem Geringverdiener:innen aus Angst vor hohen Kosten davor, ihre rechtlichen Möglichkeiten prüfen zu lassen. Wer schon einmal eine juristische Auseinandersetzung oder auch nur Einspruch gegen eine Anklage erleben durfte beziehungsweise musste, weiß: Das kostet. Das kann der Streit mit den Nachbar:innen oder WG-Partner:innen oder Probleme mit dem:der Arbeitgeber:in oder dem:der Vermieter:in sein – irgendwann muss jede:r einmal die Welt der Jurist:innen betreten. Für kleine Streitwerte oder Bagatellen lohnt ein Gang zum Anwalt oder zur Anwältin zudem meist nur für den persönlichen Erfahrungshorizont, ist aber finanziell in den seltensten Fällen hilfreich. Prüft diese:r rechtliche Möglichkeiten, übersteigt sein oder ihr Stundensatz gerade für Studierende fast immer bereits den Streitwert.  

Dies zu ändern hat sich die Studentische Rechtsberatung Kiel e.V. zum Ziel gesetzt. Jede:r soll hier komplett kostenlos eine Erstberatung und eine Einschätzung zu seinem oder ihrem Rechtsanliegen bekommen. Die Studierenden der Rechtswissenschaften wollen helfen, Studierenden aber auch allen anderen Bürger:innen ihre Rechte und rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, FAQs zu klären und Orientierung zu verschaffen nach ihrem Motto: „Was hat man dabei schon zu verlieren?“.  

Dabei dürfte bei der Studentischen Rechtsberatung für alle etwas dabei sein. Der gemeinnützige Verein ist in zahlreichen Rechtsgebieten aktiv, sodass von Demonstrationsvorkommnissen über Probleme mit dem:der Vermieter:in oder Arbeitgeber:in bis zu studentischen Privatinsolvenz und den Grundrechten die gängigen Fragen beantwortet werden können. Das Team ist professionell organisiert – vom Internetauftritt bis zur Arbeitsteilung im Vorstand ist die Studentische Rechtsberatung fast wie eine echte Kanzlei aufgestellt. Die angehenden Jurist:innen geben dort nicht nur ihr gelerntes Wissen weiter, sondern sammeln selbst wertvolle Erfahrungen und werden dabei von zahlreichen Kieler Fachanwält:innen und Professor:innen der CAU beraten und unterstützt, die ihre Expertise und Erfahrung weitergeben, Praxisnähe im Studium ermöglichen und Mandant:innen gegebenenfalls auch übernehmen.  

Wir haben mit Michel Seer (1. Vorstand), Lena Weisphal (Leitung Marketing) und Lennart Lehman (Senior Berater) über ihre Arbeit gesprochen. 

Quelle: Studentische Rechtsberatung Kiel e.V.

DER ALBRECHTMit was für Anliegen kommen Menschen zu euch? 

Michel: Das ist tatsächlich eine sehr breite Masse, weswegen wir auch jeden Fall erst einmal sortieren müssen. Wir behandeln kein Strafrecht, da das in der Praxis ein sehr heikles Thema sein kann. Deswegen sortieren wir Fälle mit Strafrechtsbezugspunkten erst einmal aus. Das Übrige sind dann Fälle von normalem Vertragsrecht, über Familienrecht bis hin zum Erbrecht. Dann haben wir zum Teil auch Kontakt mit öffentlichen Verwaltungen, dem BAföG-Amt und allem rund ums Thema Schadenersatzansprüche.  

Was waren eure größten Fälle? 

Lena: Am interessantesten fand ich unseren Fall mit einer Blutspende für Schwule und bisexuelle Männer, die wir beraten haben. Wir haben dazu überlegt, was man da machen könnte, wenn man diesbezüglich vor Gericht gehen wollen würde.  

Ist die Arbeit eher Ehrenamt, Berufspraktikum oder beides? Was ist eure Motivation? 

Michel: Bei der Gründung ging es mir vor allem um die soziale Komponente. Die Motivation war, dass man die Hürden für einen Einstieg in den Rechtsweg erleichtert. Daher fallen bei uns keine Kosten an. Auch das Motto unserer Fundraising-Kampagne war „Recht auf Recht“. 

Lena: Auf der anderen Seite ging es uns auch darum, das Studium der Rechtwissenschaften etwas spannender zu machen. Das ist schon sehr theoretisch und die Studierenden können wenig selber ausprobieren. Und jetzt haben wir natürlich die Beratung einerseits, wo wir Praxiserfahrung sammeln, aber auch über die Kooperationspartner:innen erste Kontakte geknüpft. Wir haben die Moot Courts (simulierte Gerichtsverhandlungen) und bieten Workshops an, sodass wir viel Abwechslung haben. 

Lennart: Praxiserfahrung ist auch ein Einstieg für sich selbst und vor allem kann man auch Menschen helfen. Viele Menschen gehen nicht zum Anwalt; es gibt da das Phänomen des rationalen Desinteresses. Das bedeutet, dass viele Menschen davon ausgehen, dass sich ein Verfahren nicht lohnt und es deshalb es gar nicht erst versuchen, obwohl sie vielleicht eine gute Chance hätten. Auch dafür sind wir Anlaufstelle und bestätigen nochmals die Einschätzungen, weil wir da natürlich mehr Einblick haben als der:die Durchschnittsbürger:in.  

Wer also gerne seine Rechtsmittel prüfen lassen möchte, kann sich jederzeit kostenlos an die Studentische Rechtsberatung wenden, die auf ihrer Webseite oder per Facebook und Instagram erreichbar ist. Studierende der Rechtswissenschaften aller Semester, die sich engagieren oder in Moot Courts erste Praxiserfahrungen sammeln wollen, sind herzlich willkommen. 

Eine echte Kanzlei ist die Rechtsberatung allerdings nicht: Über ein Gutachten, wertvolle Einschätzungen und Weiterempfehlungen hinaus handelt es sich nicht um Pflichtverteidiger:innen, weil die Studierenden selbst noch keine Volljurist:innen sind und daher Mandant:innen zwar beraten, aber nicht gerichtlich vertreten dürfen.   

 Die eigenen Rechte zu kennen ist wertvoll, sodass sich eine Beratung immer lohnt.   

Autor*in

Jonas studiert Philosophie und Politikwissenschaft und ist seit 2020 Teil der Redaktion. Er ist gebürtiger Osnabrücker und schreibt über Gesellschaft, Literatur und alles, was spannend ist.

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