Wohnraumknappheit in Kiel

„Momentan bin ich auf Wohnungssuche.“ Die Reaktionen, die ich auf diese Aussage bekomme, reichen von mitleidigen Blicken und tröstendem Zuspruch bis zu Hasstiraden auf den Wohnungsmarkt und angsteinflößenden Erfahrungsberichten. Als ich im Frühjahr mutig meine Wohnung kündigte, ohne Aussicht auf den nächsten Mietvertrag, war mir noch nicht klar, was auf mich zukommen würde. Doch von dort an klapperte ich ständig die Büros von Mietverwaltungen ab, durchsuchte jeden Tag das Internet nach neuen Angeboten und verfasste unzählige E-Mails und Anfragen.

Die Antworten, die ich bekam, waren jedoch meist gleich: Es sei sehr schön, dass ich Interesse an der Wohnung habe. Nun fehlten nur noch eine Kopie des Ausweises, Vorvermieterbescheinigungen, die persönlichen Daten, eine Schufa-Auskunft und die Gehaltsabrechnungen der letzten drei Monate. Alles müsse am besten bis zum nächsten Tag eingereicht werden, denn sonst würde die Wohnung schon an einen der zahlreichen anderen Bewerber vergeben sein.

Fast 26 000 Studierende sind in diesem Jahr an der CAU eingeschrieben, darunter sind über 5 500 Neueinschreibungen. An der Fachhochschule waren es im letzten Jahr 7 772 eingeschriebene Studierende, hinzu kommen die der Muthesius Kunsthochschule, des RBZ und vieler anderer Schulen und Ausbildungsbetriebe. Pendeln ist vielen nicht möglich und oft gibt es keine Freunde oder Bekannten in der Nähe, bei denen die Wohnungssuchenden für eine kurze Zeit unterkommen könnten. Außerdem gibt es in Deutschland wie in vielen anderen Ländern schon lange den Trend der Urbanisierung. Auf der Suche nach Arbeit, die in der Landwirtschaft und in kleinen Orten nur noch schwer zu finden ist, oder auf der Flucht vor schlechter Infrastruktur und kleinen Dörfern, ziehen vor allem junge Leute oder Familien in Richtung der Städte. Das so entstehende Ungleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt nutzen Hausverwaltungen, um alle gewünschten Informationen von potentiellen Neumietern zu verlangen, und sich dann den finanziell am besten gestellten, vielversprechendsten oder ordentlichsten Bewerber auszusuchen. Wie soll sich da eine bezahlbare und bewohnbare Wohnung finden lassen?

In vielen Fällen dauert es Monate bis eine passende Unterkunft gefunden ist. Natürlich gibt es viele Versuche, die hohe Wohnungsnachfrage zu kompensieren. Momentan wird ein Studentenwohnheim mit 155 möblierten Wohnungen auf dem ehemaligen ‚Professorenparkplatz‘ in der Nähe der Mensa I gebaut, das im Sommer 2018 fertiggestellt werden soll. Der Bau eines weiteren Wohnheims in der Feldstraße ist in Planung. Das Studentenwerk hat in Kiel bereits neun Studentenwohnheime errichtet. Die Wohnheimquote in Kiel liegt jedoch bei 6,36 Prozent, während der Bundesdurchschnitt 9,69 Prozent beträgt. Neben dem Betreiben der Wohnheime bemüht sich das Studentenwerk mit dem Projekt Wohnen für Hilfe, weitere Unterkünfte an Studierende zu vermitteln. Trotzdem befanden sich 2016 fast 500 Anwärter auf der Warteliste des Studentenwerks, unter anderem musste kurzfristig auf eine alte Marinefachschule zurückgegriffen werden, in der 85 Wohnmöglichkeiten in 15 Zimmern mit jeweils zwei bis acht Betten angeboten wurden. Auch der AStA hat das Problem erkannt und versucht mit dem Projekt Couch für Erstis, vorübergehende Lösungen für Wohnungssuchende zu finden.

Im September startete das Bündnis „Wir machen Stadt“, das sich für mehr bezahlbaren Wohnraum und Projekte gemeinschaftlichen Wohnens mittels einer Unterschriftensammlung zur Durchsetzung eines Bürgerentscheides einsetzt. Ziel ist es, den Kieler Flugplatz zukünftig als Wohn- und Gewerbefläche nutzen zu können. Bis zu 1 800 Wohnungen könnten so entstehen, ungefähr 30 Prozent davon sollen sozial geförderter Wohnraum sein. Schafft es das Bündnis,  innerhalb eines halben Jahres mehr als 8 000 Unterschriften zu sammeln, wird es einen Bürgerentscheid über die Zukunft des Flugplatzes geben.

Ein weiteres Problem für viele Studierende sind neben fehlendem Wohnraum vor allem die hohen Mieten, denn viele Neubauwohnungen befinden sich in Preissegmenten, die für Studierende nicht bezahlbar sind. Im aktuellen Kieler Mietspiegel, der alle zwei Jahre erscheint, wurde auf Wunsch der Vermieter zum ersten Mal die Regressionsmethode angewandt. Diese ermöglicht eine stärkere Differenzierung von mietpreisbildenden Faktoren wie Wohnfläche, Baualter, Lage und Ausstattung. Jedoch wird der Vergleich zum vorhergehenden Mietspiegel, der in Tabellenform angefertigt wurde, fast unmöglich. Laut dem Mietspiegel stieg der Preis bei Neuvermietungen pro Quadratmeter von 2014 bis 2016 um durchschnittlich 3,1 Prozent, bei Bestandsmieten um 4,6 Prozent. Der Kieler Mieterbund hingegen hält eine Steigerung von sieben bis 18 Prozent bei Neuvermietungen für realistischer. Im Durchschnitt kostet eine Wohnung in Kiel 8,40 Euro pro Quadratmeter, der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 7,97 Euro.

Der Wohnungsmarkt in Kiel ist, wie in vielen anderen Städten, seit Jahren überlastet. Es besteht ein Ungleichgewicht, da eine zu große Nachfrage herrscht. Der Wohnraum ist knapp und die Preise hoch, Vermieter können sich vieles erlauben. Nach langer Suche, vielen Besichtigungen und Bewerbungen hat sich mein Traum einer schönen Wohnung nahe der Uni nun endlich erfüllt, aber ohne die tatkräftige Unterstützung meiner Mutter, meiner Mitbewohnerin und ihrer Eltern wäre ich wahrscheinlich noch einige Monate länger auf der Suche gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass Projekte wie Couch für Erstis oder die Bebauung des Flugplatzes zukünftig Entlastung bieten.


Titelbild: micagoto

Autor*in

Jonna ist 19 Jahre alt und studiert BWL an der CAU. Seit dem Sommersemester 2017 gehört sie zur ALBRECHT-Redaktion.

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