Es begann 2012 mit einem Aushang. Schreibfreudige suchten Gleichgesinnte zum gemeinsamen Schreiben, Lesen und wollten neben Menschen auch neue Ideen und Inspiration akquirieren. Nach einiger Zeit reichte es den jungen Poeten nicht mehr, nur für sich zu schreiben. Mit dem Wunsch ihre Werke interessierten Lesern zugänglich zu machen, erschufen sie ein eigenes Medium: den Schnipsel. Zara, Redakteurin und Autorin des Schnipsel, traf damals durch besagten Aushang auf die anderen, und beschreibt die recht improvisierten Anfänge des Heftes. Die billiggedruckten Seiten der ersten Ausgabe hätten sie noch von Hand mit der Nähmaschine genäht. Das Heft sollte dabei möglichst ohne Werbung auskommen, „so untergrundmäßig rumliegen und von den Leuten gefunden werden“.

Die Produktion einer Ausgabe bedeutet: alte Texte aus Schubladen kramen, neue schreiben, sammeln und in Form bringen. Auch andere Autoren dürfen ihre literarischen Ergüsse einsenden, die dann entweder im Druck erscheinen oder auch bei den regelmäßigen Lesungen vorgelesen werden. Da die Ausgaben kostenlos erscheinen, finanziert sich der Schnipsel über die Einnahmen der Lesungen oder manchmal durch Sponsoren. Veröffentlicht wird erst dann, wenn das Geld für den Druck zusammengekommen ist. So lagen zum Beispiel vor der Veröffentlichung der aktuellen Ausgabe sechs Monate.

Am 12. Dezember 2015 wurden die Leser dann endlich von der Anspannung des Wartens durch die 13. Ausgabe des Schnipsel erlöst. Das Rahmenprogramm zum Release bildete eine Lesung in der Hansa48, auf der Schnipsel-Redakteure und andere Autoren ihre Texte, Gedichte und Geschichten präsentierten. Das Motto des Abends: „Jetzt schlägt’s 13“. Im Zeichen des Schicksals und der Sterne wurden die neun Autoren mit individuellen Horoskopen angekündigt und ließen sich nach ihrem Vortrag ihre Zukunft durch Glückskekse weissagen. In der Pause konnten auch die Zuschauer beim Gummibärenorakel einen Blick auf ihren weiteren Lebensweg werfen, und mit Tarotkarten Bücher über Kornkreise und Zauberei erlosen.

Durch die neun Autoren herrschte eine große Diversität in der Auswahl der Texte, obwohl auch hier meist eine düstere oder mystische Grundstimmung präsent war. Einem Gedicht über die Ängste, den Verfall und die Transformation eines „kosmosgebährenden“ Individuums folgte ein gesellschaftskritischer Text über „Refujesus“, der unter den Flüchtlingen unerkannt bleibt. Mit einem enormen Ausmaß an Details überraschte eine eher lange Kurzgeschichte über die neurotische Überwachung alter Bibeln durch zwei ägyptische Prinzen. Im Gegensatz zu dieser fantasievollen Ausführung reichten einer Autorin die Buchtitel der Fachbibliothek Germanistik für gute und mysteriöse Gedichte.

Die Schnipsel-Lesungen sollen Leuten, die nicht auf Wettbewerben wie Poetry Slams und ohne anschließende Punktbewertung vortragen wollen, ein Forum bieten, erklärt Zara. Das fällt zum Beispiel dadurch auf, dass die Texte nicht wie bei einem Slam auf Klang und Massentauglichkeit ausgelegt sind oder für die Nachfrage geschrieben wurden. Die Vorträge auf Schnipsel-Lesungen sind die Bannung der Worte der Verfasser auf Papier und deshalb nicht an die Masse angepasst, sondern lediglich ein Angebot der Autoren. Deshalb war auch der typische Poetry Slam Rhythmus nicht zu vernehmen, sondern viele verschiedene Vortragsarten. Sehr anschaulich und souverän wurde solch individueller Stil von einem Autor präsentiert, der mit einer roten Harmonika und in einem teilweise farbig kariertem Hemd die Bühne betrat, den Impirial March spielte und anschließend einen Text über den perfekten Auftritt, der eben genau so zu erfolgen hatte, las.

Nach glitzernder Moderation und neun Vorträgen, die in den Facetten von mystisch und nachdenklich bis witzig, obskur und kritisch die Zuhörer begeisterten, konnte beim Hinausgehen endlich die neue Schnipsel-Ausgabe in Empfang genommen werden. Für alle, die an famoser Schreibkunst interessiert sind, gilt: der Schnipsel ist bereit, von euch gefunden zu werden  ̶ gebunden für Leser und für Schreibende bei den dienstäglichen Treffen der Redaktion.

 

 

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

Share.
Leave A Reply