Hochstapler:innen-Drama-Serien erobern die Herzen

Eine blonde Frau überquert in einem grünen Ledermantel mit Pelzkragen, an ihrem Arm eine Designertasche, auf ihren High Heels die befahrene Kreuzung mitten in New York City und betritt eines der zahlreichen Bürogebäude. Was nach einer Szene aus einer romantischen Komödie der 2000er klingt, basiert auf einer wahren Geschichte. Anna Sorokin ist eine Hochstaplerin, die sich zwischen 2013 und 2017 in der New Yorker High Society als vermögende Erbin ausgab und auf diese Weise Banken, Geschäftsleute und sogar ihre eigenen Freund:innen um insgesamt etwa 275.000 US-Dollar betrog. Ihre Geschichte wurde 2022 von Netflix in der Serie Inventing Anna verfilmt, die Millionen Menschen bereits innerhalb der ersten Woche nach Veröffentlichung verschlangen. 

Betrug liegt im Trend 

Bei der Serie handelt es sich um eine fiktionalisierte Erzählung der Geschehnisse, die in zehn Folgen dargestellt wird. Inventing Anna ist die vielleicht erfolgreichste, aber nicht die einzige fiktionalisierte Verfilmung einer Hochstapler:innengeschichte, die in diesem Jahr erschienen ist. Die Hulu-Produktion The Dropout erzählt die Geschichte von Elizabeth Holmes, die einen Bluttestautomaten erfand, der bis zu 240 Tests mit nur einem Tropfen Blut durchführen könne. Der Automat funktionierte jedoch nicht, er konnte lediglich eine Herpesinfektion zuverlässig nachweisen. Bereits 2019 wurde ein Dokumentarfilm über ihre Geschichte veröffentlicht, der jedoch bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit erlangte wie The Dropout. In acht Folgen erzählt die Serie Holmes’ Geschichte von der Gründung des Unternehmens Theranos über ihre Berühmtheit als Silicon-Valley-Ikone bis hin zur Aufdeckung des Betrugs. 

Fiktionalisierung 

Hochstapler:innen gibt es schon seit langem und genauso lange wird von ihren Taten berichtet. Als Teil des beliebten True-Crime-Genres werden sie oftmals reißerisch, aber realitätsnah in Podcasts und Dokumentarfilmen aufgearbeitet. Doch in Spielfilmen oder Serien werden Betrüger:innen meist erfunden. Inventing Anna und The Dropout fallen jedoch aus diesem Muster. Es sind Beispiele für reale Geschichten, die anders als bisher, nicht rein dokumentarisch, sondern in Form einer Drama-Serie erzählt werden. Durch fiktive Elemente werden die realen Geschichten interessanter dargestellt als sie sich tatsächlich ereignet haben, um einen Beitrag zur Dramaturgie zu leisten.

Ein Beispiel ist Sorokins Kleidung in Inventing Anna. Die reale Anna trägt zwar Designerkleidung, wirkt dabei aber stets unscheinbar. Die fiktive Anna hingegen trägt aufwändig zusammengestellte Outfits, die sich im Laufe der Serie der Entwicklung der Ereignisse anpassen und diese so spiegeln. Die Fiktionalisierung ermöglicht es darüber hinaus auch Personen darzustellen, die sich in einem Dokumentarfilm nicht vor die Kamera trauen würden. So können mehrere Dimensionen einer Geschichte beleuchtet werden und über die Emotionen und Perspektiven der Charaktere spekuliert werden. Für die Zuschauer:innen bietet eine solche Darstellungsform eine ganz besondere Art der Spannung. Zu wissen, dass die grundlegenden Ereignisse tatsächlich so stattgefunden haben, verleiht den Serien einen besonderen Charme, den andere nicht mit sich bringen. Es ist die perfekte Mischung aus True Crime und
Gossip Girl.  

Doku vs. Drama 

Die Wahl der Darstellungsform hat jedoch auch Folgen, was im Vergleich mit einem ebenfalls aktuellen Dokumentarfilm deutlich wird. Der Tinder Swindler deckt die Betrugsmasche Simon Levievs auf. Als ihr angeblich reicher Freund betrog er mehrere Frauen um ihr Geld. Diese Dokumentation fokussiert sich dabei im Gegensatz zu den Dramen auf die Opfer und nicht auf den Täter. Durch die ausschließlich auf Fakten basierende Darstellungsweise werden seine Taten von den Zuschauer:innen als das gesehen, was sie sind: ein Betrug. Sorokin und Holmes werden im Gegensatz hierzu als komplexe Persönlichkeiten wahrgenommen und teilweise bewundert. Die Hochstapler:innen-Serien aus 2022 sind das perfekte Beispiel dafür, wie die Wahl des Mediums einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Geschichte hat.  

Autor*in

Hannah studiert Wirtschaft/Politik und Englisch im Master und ist seit 2022 Teil der ALBRECHT-Redaktion.

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