Sie sind mittellos und brauchen das Geld. Thommy und Alex sammeln Pfandflaschen. Wir haben sie im Schrevenpark angetroffen und wollten erfahren, ob das klassische Klischee vom armen Schlucker des Flaschensammlers zutrifft. Am Anfang stellten die beiden gleich Bedingungen für ein Interview: Zwei Flaschen Bier! Und wir mussten sie auf ihrem Weg zum Rote-Kreuz-Laden am Dreiecksplatz begleiten. Alex stellte klar: „Ihr müsst dann draußen warten, sonst bekommen wir keine Kleider.“ So machten wir uns mit ihnen auf den Weg.
Beide erzählten viel aus ihrem Leben. Thommy ist 51 Jahre alt und hat zwei erwachsene Kinder. Er ist obdachlos und hat in den 80-er Jahren in einem Tattoo-Laden gearbeitet. Im Gegensatz zu Alex sammelt er regelmäßig Pfandflaschen. „Bis zu 21 Euro kann man an einem guten Tag mit Flaschensammeln einnehmen“, berichtet er. Heute ist ein kalt trüber Tag und Thommy wäre zufrieden, wenn er seine durchschnittlichen drei bis vier Euro Pfand verdient.
Alex ist 41 Jahre alt und kommt aus einer Schaustellerfamilie. Seine schlagfertige und aufgeweckte Art widerspricht dem Vorurteil, Obdachlose seien einfallslos und unmotiviert. Er hat Fachabitur und betont immer wieder, ein Leben auf der Straße könne jeden treffen.
Flaschensammler gehören heute zu deutschen Städtebildern dazu wie das Bier in Fußballstadien. Doch was macht das Flaschensammeln in Kiel aus und wie ist es organisiert? Thommy unterteilt Flaschensammler in drei Kategorien. Da sind einmal die Profis. Sie können zum Beispiel während der Kieler Woche bis zu 1000 Euro einnehmen. Außerdem sind sie sehr organisiert und schotten sich von anderen Sammlern komplett ab. Für sie zählt der maximale Verdienst. Dann gibt es die Sammler wie Thommy, die regelmäßig ihre Route laufen und den ein oder anderen Euro einnehmen. Beiläufig meint Thommy: „Ich hab eh viel Zeit, was soll ich anderes machen?“ Den dritten Typ Flaschensammler beschreibt Thommy als Gelegenheitssammler: „Das sind meist Rentner, die viel Zeit haben und mitnehmen, was sie so finden. Die paar Euro Pfand stehen bei ihnen nicht im Vordergrund.“
Das Verhältnis unter Flaschensammlern in Kiel ist oft angespannt. Alex und Thommy berichten, dass es in den Stadtteilen Gaarden und Mettenhof häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Flaschensammlern kommt. „Da wird der Pfandverdienst schnell zur Nebensache, wenn die Flasche, dem anderen über den Kopf gezogen wird“, sagt Thommy. „In solchen Situationen und auch im sonstigen Leben auf der Straße ist Freundschaft extrem wichtig, um über die Runden zu kommen“, fügt Alex hinzu. Beide kennen sich seit circa drei Jahren und verbringen viele Tage miteinander. Im Gespräch wird uns klar, dass die beiden etwas Besonderes verbindet.
Mittlerweile sind wir im Hiroshimapark angekommen. Gut zwei Stunden haben wir die Beiden begleitet und viel über ihr Leben erfahren. Das Vorurteil des unmotivierten, obdachlosen Flaschensammlers müssen wir aus unserer Vorstellung verbannen. Thommy und Alex sind zwar mittellos und ihnen geht es nicht gut. Aber ihr kumpelhaft lockeres Auftreten und ihre gute Ausdrucksweise verdeutlichen noch einmal, dass diese Menschen nicht anders sind als wir. Alex muss jetzt los und freut sich riesig, dass er gleich seine Tochter sehen wird.

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