Ich sitze in der Wartehalle am Flughafen in Graz und starre in den grauen Himmel voller tiefhängender Wolken, und doch sehe und vor allem höre ich sie – Flugzeuge. Auch ich werde heute in eines von ihnen steigen. Die Idee zu diesem Artikel wäre nicht entstanden, wenn mich dieses Vorhaben nicht dazu gebracht hätte, meine grundlegenden Einstellungen zum Thema Flugreisen zu hinterfragen.

„Und fliegt ihr überhaupt noch?“, wurden meine Mitbewohnerin und ich auf unserem kleinen Roadtrip durch Österreich gefragt, als wir zusammen bei Bekannten in Wien zu Abend gegessen haben. Stille. Bedrücktes Schweigen. „Ja, ich fliege von Graz zurück nach Hause, Marina fährt Zug.“, antwortete ich ehrlich. Warum empfand ich diese Frage als so unangenehm, fast so als würde ich mich rechtfertigen müssen?

Das Phänomen der Flugscham

Die sogenannte ‚Flugscham‘ ist ein frisch aufgekommenes Phänomen, das generationenübergreifend thematisiert wird, gerade in Zeiten der Fridays for Future-Bewegung und des Klimawandels, der aufgrund von spürbaren klimatischen Veränderungen nicht mehr geleugnet werden kann und darf. Und ich, die seit Jahren auf Fleisch verzichtet, sich gern mit Freund*innen über klimafreundlichere Alternativen im Alltagsleben berät und selbst bei einigen Demonstrationen, unter anderem auch gegen das Fahren von SUVs, begeistert mitgelaufen ist, steigt heute in ein Flugzeug. Mein ökologischer Fußabdruck ist damit ruiniert, liegt aber mit 4,0 Giga-Hektar immerhin etwas unter dem eines bundesdeutschen Durchschnittsbürgers mit 4,9 Giga-Hektar. Würden alle so leben wie ich, würden wir 2,4 Erden benötigen.

Einmal bitte Österreich hin und zurück

Für die Hinreise stand von vornherein fest: Wir fahren mit dem Zug. Einen ganzen Tag würden wir unterwegs sein, aber wir waren zu zweit, im Gepäck unzählige Bücher und Filme, die uns die Fahrt erträglicher machen würden. Bis auf zwei Filme habe ich allerdings nichts davon angerührt. Der Grund waren die Unterhaltungen mit Mitreisenden, da wir praktisch ununterbrochen von netten, gesprächigen Sitznachbar*innen umgeben waren. Ja, Sitznachbar*innen, da wir trotz fehlender Reservierung Sitzplätze ergattern konnten. Das Karma war auf unserer Seite. Elf Stunden später waren wir in Wien, voller Vorfreude und erleichtert, denn unsere Zugfahrt lief ohne Komplikationen ab, keine Verspätungen, kein Zugausfall.

Klar, es war vorrangig die Bequemlichkeit, die entschied, ob ich 13 Stunden mit dem Zug, oder eineinhalb Stunden per Flugzeug nach Berlin zurückreise. Meine Reisepartnerin und ich mussten in verschiedene Richtungen, und anders als auf unserer Hinreise, würde ich diesmal allein fahren müssen. Außerdem ging es für mich bereits am nächsten Tag weiter und ich freute mich auf einen ruhigen Abend zuhause im eigenen Bett.

Es geht um das liebe Geld

Auch kostentechnisch unterschieden sich beide Alternativen stark voneinander. Ich zahlte für meinen Rückflug fast 100 Euro mehr, als ich für eine Zugfahrt gezahlt hätte. Jedoch sah ich das als völlig gerechtfertigt an, da Flugreisen aufgrund ihrer schlechten CO2-Bilanz ruhig deutlich teurer, praktisch als Luxus, angesehen werden sollten. 40 Euro für Malle hin und zurück sollte es nicht mehr geben, oder zumindest nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Gut finde ich allerdings, dass das Thema Fliegen immer öfter und breiter diskutiert und überhaupt infrage gestellt wird. Das war vor ein paar Jahren noch völlig anders.

Ein Blick in die Zukunft

Trotz allem sitze ich hier am Grazer Flughafen und schreibe diesen Text. Wichtig ist, sich und seine Entscheidungen zu reflektieren, und beim nächsten Mal eventuell anders zu entscheiden. Schlussendlich kann immer noch jede*r selbst entscheiden, welche Reisemöglichkeit in Zukunft genutzt wird und aus welchem Grund.

Meine nächste Flugreise soll im Februar stattfinden und nach Portugal gehen. Einen Monat später besuche ich meine Großeltern, die auf Fuerteventura leben. Vier Flüge innerhalb von knapp zwei Monaten, die mich sehr nachdenklich machen. Nachdenklich darüber, ob ich wirklich ein zweites Mal nach Portugal fliegen muss. Vielleicht fahre ich doch lieber mit dem Zug irgendwohin, am besten zusammen mit Freund*innen.

Autor*in

Anika studiert BWL an der Fachhochschule Kiel. Seit September 2019 ist sie beim ALBRECHT als Redakteurin tätig, seit Januar 2020 zusätzlich als Ressortleiterin der Gesellschaft.

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