Das sich ausweitende Terror-Regime des Islamischen Staates in Syrien und die tägliche Berichterstattung in den Medien über dessen Gräueltaten im Namen des Korans lassen ein im Westen schon lange schwelendes Problem erneut wachsen: das Misstrauen gegen den Islam als Ganzes. Der neuerliche Zusammenschluss in der rechten Szene, HoGeSa – Hooligans gegen Salafisten, ist nur eine extreme Ausprägung dessen, was auch in der Mitte der deutschen Gesellschaft zu finden ist – antimuslimischer Rassismus ist ein Alltagsphänomen.

Auch die Kieler Universität setzt ein Zeichen gegen Rechtsextremismus. Foto: rr
Auch die Kieler Universität setzt ein Zeichen gegen Rechtsextremismus.
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Frauenunterdrückung, Gewalttätigkeit und Rückständigkeit sind nur drei der Attribute, mit denen die Religion fälschlicherweise generalisierend verbunden wird. Entsprechende Assoziierungen mit dem Islam bestehen in unserer christlich geprägten Kultur bereits seit dem Mittelalter, nach den Anschlägen vom 11. September jedoch haben sich die Ressentiments gerade auch in unserem Land verstärkt. Dabei bedarf es oftmals keiner nachweisbaren Vorwürfe – vielen Menschen reicht ein Rückgriff auf vorhandene Feindbilder. „Der Rassismus sucht sich seine eigene Legitimation – vermeintliche Begründungen werden immer gefunden“, betont Esther van Lück, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gender Research Group am Institut für Sozialwissenschaften. Seit April dieses Jahres ist die Doktorandin an der Christian-Albrechts-Universität tätig. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Reproduktion antimuslimischer Rassismen in der Kopftuch-Debatte in überregionalen Tageszeitungen.

Eine vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG) zwischen 2002 und 2012 durchgeführte Langzeitstudie belegt den stetigen Anstieg von Islamfeindlichkeit in den letzten Jahren. Die Wahrnehmung der Menschen verschiebt sich dabei zugunsten einer stärkeren Gleichsetzung von Religion und Islamismus – ein gefährlicher Nährboden für den Erfolg rechter Gruppierungen. Nicht nur HoGeSa, auch Bewegungen wie die Partei ProNRW oder die Homepage Politically Incorrect – ein Sammelbecken islamfeindlichen Gedankenguts im Internet –, profitieren von der Instrumentalisierung. Vorurteile, die bereits in der Gesellschaft vorhanden sind, rufen einen ‚Wir gegen die Anderen‘-Effekt hervor, bei dem sich Angehörige der christlich sozialisierten Mehrheitsgruppe gegen die Religion des Islam positionieren.

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Der Islam ist die zweitgrößte Weltreligion – gerade in Deutschland gibt es jedoch viele Vorurteile. Foto: rr

Bei der Frage, ob und inwieweit sich Muslime rechtfertigen müssen – gegen stetige Anspielungen auf Terrorismus, gegen die Machenschaften des IS – gehen die Meinungen weit auseinander. Zwar sprechen sich infolge der derzeitigen Ereignisse diverse Imame weltweit betont für einen friedlichen Islam aus, eine große Bewegung wurde daraus jedoch bis jetzt nicht. Und so bleibt das Misstrauen mit seinen Konsequenzen bestehen.

Kreativer Aktivismus gegen diese Islamophobie regt sich vor allem im Internet. Während per Hashtag #schauhin auf sämtliche Ausformungen des Alltagsrassismus hingewiesen wird, versuchen Muslime unter #myislam, sich von Gewalt im Namen ihrer Religion abzugrenzen. Auch wissenschaftliche Projekte, wie das Dossier HEYMAT – Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand der Humboldt Universität Berlin, setzen ein Zeichen. Das 2010 veröffentlichte und viel diskutierte Buch Deutschland schafft sich ab hat laut Esther van Lück „eine neue Qualität der Salonfähigkeit von antimuslimischem Rassismus in die Debatte gebracht“.

Generell gestaltet es sich schwierig, Kriterien für diese, oft vereinfacht als Islamfeindlichkeit bezeichneten, Einstellungen zu finden und sie somit empirisch nachweisbar zu machen. Im Oktober sah sich einer der bekanntesten deutschen Kabarettisten, Dieter Nuhr, mit dem Vorwurf der antiislamischen Hetze konfrontiert. Ein Osnabrücker Bürger hatte aufgrund dessen Äußerungen zum Islamischen Staat eine gerichtliche Klage gegen Nuhr eingereicht. Es folgte eine öffentliche Auseinandersetzung darüber, wie weit Satire in Deutschland gehen dürfe – dass die Einhalt zu gebietender Intoleranz an ganz anderer Stelle liegt, wurde dabei ausgeklammert.

Der Islam ist zunächst eine friedliche Religion. Unbestreitbar gibt es im Koran Stellen, die zur Gewalt aufrufen – andere Suren wiederum predigen den Frieden. Genau wie in jeder anderen Glaubensgemeinschaft ist es immer eine Frage der Auslegung, aus einer geistlichen Schrift die angemessenen Schlussfolgerungen für seine eigene Lebensform zu ziehen. Nur weil das Christentum die zehn Gebote hat, ist es nicht von jeglicher Ausübung der Unterdrückung befreit. Vom Mittelalter bis heute wurden und werden blutige Kriege auch in seinem Namen geführt. Trotzdem sehen nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Stern auch 2014 noch 52% der Deutschen den Islam als nicht zu Deutschland gehörig an.

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