Für viele ist der Studienbeginn der Anfang der ganz persönlichen Emanzipation. Endlich von zu Hause ausziehen, ab in eine WG. Nur für sich selbst verantwortlich sein, auf eigenen Beinen stehen (naja, zumindest fast). Tagsüber zu Vorlesungen und abends mit den Kommiliton*innen feiern gehen. So sieht für viele Studierende der optimale Uni-Alltag aus.  
Doch manchmal läuft es anders als gedacht. Für Tausende von Erstis hier in Kiel beginnt das Abenteuer Universität nicht im Hörsaal, sondern zu Hause vor dem Laptop, Smartphone oder Tablet. Lotta ist eine von ihnen. Sie ist ein Online-Ersti.   

 
Lotta wohnt in Hamburg und hat sich, nachdem sie 2019 ihr Abitur gemacht hat, erst einmal eine Auszeit genommen. An ihrem Zeitplan hat, wie bei vielen anderen, Corona aber nicht gerüttelt. Dass sie an der CAU studiert und weiterhin in Hamburg wohnt, war zwar nur Plan B, ist aber dennoch unabhängig von der aktuellen Situation getroffen worden.  
„Alles in allem fühle ich mich gut an der CAU aufgehoben. Es ist alles genau durchgeplant, auch wenn nicht immer alles klappt wie geplant“, verrät sie in einem Vier-Augen-Gespräch à la 2020 per Skype. 
Sie hat aber beobachtet, dass andere Erstis durchaus Probleme zu haben scheinen, besonders was die Organisation betrifft. Immer wieder tauchen dieselben Fragen zu den gleichen Themen auf. Ungeachtet dessen, dass diese bereits von Dozierenden in ihren Einführungsveranstaltungen und von Kommiliton*innen in diversen WhatsApp-Gruppen beantwortet wurden. Doch diese chaotische Panik und die Begabungsfreiheit zuzuhören, ist nicht nur bei den Online-Erstis wiederzufinden, sondern ist Bestandteil ganzer Generationen von Erstis. Lotta gibt jedoch zu bedenken, dass viele durch die Online-Lehre vielleicht nicht so aufmerksam seien: „Eventuell hören Menschen einfach besser zu, wenn der*die Redende mit einem im selben Raum ist und direkt vor einem steht.“ Eine weitere Auswirkung der Online-Lehre: Der obligatorische Smalltalk mit den Kommiliton*innen vor, während und nach der Vorlesung bleibt dieses Semester erstmal aus. Dies ist besonders bedauerlich für die Online-Erstis, denn – im Gegensatz zu den Alteingesessenen – kennen diese ihre Kommiliton*innen noch nicht. Und in einer WhatsApp-Gruppe mit über 100 Teilnehmenden die fünf bis zehn Gleichgesinnten kennenzulernen, ist doch eher utopisch.  

„Bei mir läuft der Kontaktaufbau zu meinen Kommiliton*innen bisher, den Umständen entsprechend, ganz gut“, erzählt Lotta und verrät sogleich ihr Geheimnis: „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit all jenen gemacht, die auch meine Fächerkombination, Deutsch und Soziologie, studieren. Da sind wir gerade mal neun Leute und versuchen jede Woche einmal alle zusammen zu skypen.“ Dennoch seien digitale Treffen einfach nicht dasselbe: „Es ist ein anderes Kennenlernen. Weniger eng, eher oberflächlich.“ Auch die Ersti-Woche und Ersti-Fahrt hat Lotta schmerzlich vermisst. Diese bieten nämlich nicht nur Spaß, Alkohol und Ausgelassenheit, sondern auch noch einen ganz ungezwungenen Weg, die Kommiliton*innen und die neue Stadt kennenzulernen. Freundschaften für die ganze Uni-Zeit und darüber hinaus entstehen oft auf diesen Events. Die doch sehr guten Alternativen der Fachschaften können aber bei Weitem nicht diese Tiefe bieten. 

So negativ das Bild für die Online-Erstis auch sein mag, so bringt es doch auch Vorteile mit sich: „Der Plan war, dass ich zwischen Kiel und Hamburg pendeln werde – das muss ich jetzt nicht mehr. Ich spare mir also den Aufwand für die Fahrt“, schmunzelt Lotta und fügt sogleich hinzu: „Die Nachteile überwiegen aber ganz klar.“ Doch den Kopf in den Sand stecken möchte sie keinesfalls. Natürlich hat sie sich ihren Einstand in das Studierendenleben aufregender, analoger und vor allem geselliger vorgestellt, doch dem Was-hätte-sein-Können hinterher trauern möchte sie nicht. „Wir müssen einfach das Beste daraus machen. Irgendwie reinkommen und hoffen, dass es bald wieder anders wird.“ Eine Philosophie, die den Uni-Einstieg und das Studieren an sich entspannter werden lässt.  

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