Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, bekämen die Grünen laut aktueller FORSA- Umfrage rund ein Viertel der Stimmen und würden damit vor der SPD und nur knapp hinter der CDU liegen. Die höchsten jemals gemessenen Umfragewerte signalisieren: Die Grünen sind mit ihrer Politik angekommen. Eigentlich als „Partei der Besserverdienenden“ und der Beamten deklariert, war sie nun bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg stärkste Partei bei den Erwerbslosen und erhielt viele Stimmen von jungen Wählern im Alter von 18 bis 34 Jahren.

Für den Atomaustieg unverzichtbar?/ foto: gruene.de
Für den Atomaustieg unverzichtbar?/ foto: gruene.de

Es gibt Anzeichen für einen Wandel der Wählerschaft. Umstritten ist, ob die Atomkatastrophe in Japan die neuen Hochwerte verschuldet hat. Die Leute wollen den Atomausstieg und setzen dabei auf die Grünen, die das Vertrauen genießen, schon immer gegen die Kernenergie gearbeitet zu haben. Ob diesen Wählern auch die anderen Programmpunkte der Grünen bewusst sind oder ob sie, enttäuscht von den anderen Parteien, nur den Atomausstieg wählen, liegt jedoch im Dunkeln.

Denn wie schnell sich das Blatt wenden kann, zeigt sich am Beispiel der FDP, die bei den diesjährigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit der Fünf-Prozenthürde zu kämpfen hatte. Rasmus Andresen, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, ist sich sicher, dass sich sowohl die Partei in ihrem Auftreten verändert hat, als auch gesellschaftliche Prozesse stattfinden, die die Menschen und die grüne Politik näher zusammenbringen.

Den Grünen werde in Bereichen wie Energie-, Bürgerrechts- und Bildungspolitik mehr zugetraut. Grund dafür sei auch die enttäuschende Politik der schwarz- gelben Regierung und der Sozialdemokraten, die keine Antworten mehr finden für zentrale Zukunftsaufgaben. Umfragewerte geben ihm Recht. Drei Viertel der Deutschen glauben zu wissen, welche politischen Inhalte die Grünen vertreten, wohingegen es bei den anderen Parteien schwerer zu erkennen ist, wofür sie stehen. Werte wie Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit können die Grünen zur Zeit für sich beanspruchen.

Schaut man sich Nachrichten zu den diesjährigen Bundestagswahlen an, fällt immer wieder das Schlagwort „Volkspartei“ im Zusammenhang mit den Grünen. Doch bei all den Spekulationen, ob die Grünen Volkspartei werden, muss man ihre wirkliche Stärke im Blick behalten: 24 Prozent machen noch lange keine Volkspartei aus. Zwar gibt es keine eindeutige Definition zum Begriff „Volkspartei“, doch wird er synonym zu Massenpartei benutzt. Und um das Kriterium einer Massenpartei zu erfüllen, müsste sie auf Dauer ungefähr 35 Prozent der Wähler für sich gewinnen. Ein Merkmal, das zurzeit höchstens noch auf die CDU zutrifft.

Volkspartei wollen die Grünen auch gar nicht sein, denn zur „aussterbenden Gattung“, so Andresen, will die Partei nicht gehören. Wozu also die Frage, ob die Grünen Volkspartei werden, wenn sich allen Analysen nach das Zeitalter der Volksparteien dem Ende zuneigt? Wir leben in Zeiten der Unsicherheit, Volatilität, Fragmentierung und Segmentierung. Keine Partei hat noch große Bindungskräfte an breite Bevölkerungsschichten.

Stattdessen klagen sie über den Verlust von Stammwählern. Gewählt wird heutzutage, welche Farbe in der öffentlichen Meinung am beliebtesten ist. Und das sind nach der Atomkatastrophe in Japan die Grünen. Diese Zeit nutzen die schleswig-holsteinischen Grünen auch, um ihren Ruf als „Konzeptpartei“ zu stärken und stellten ein neues Energiekonzept vor, laut dem dreimal mehr Energie produziert wird als unser Bundesland benötigt.

Was an politischem Potenzial übrig bleibt, wenn das Kapitel Kernenergie einmal abgeschlossen ist, wird sich zeigen. Denn mit dem ersten Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg müssen die Grünen jetzt beweisen, ob sie mit der Verantwortung zurechtkommen. Zumindest wird dieser Wahlerfolg die Konkurrenz beleben und eröffnet Chancen auf neue Machtkonstellationen, die die Konkurrenz beleben und eröffnen Chancen auf neue Machtkonstellationen.

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