„Integration durch Freundschaft“ – so lautet das Motto von kulturgrenzenlos e.V., einem gemeinnützigen Tandemprojekt, das Studierende und Geflüchtete in Kiel zusammenbringt. Das Ziel ist nicht, dass Studierende Geflüchteten Hilfestellung leisten, sondern es geht vielmehr um die gemeinsame Freizeitgestaltung und den kulturellen Austausch. Im Vordergrund steht dabei die Begegnung auf Augenhöhe. „Den Geflüchteten soll die Möglichkeit gegeben werden, Leute in ihrem Alter kennenzulernen, Freunde zu finden und ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Aber auch den Studierenden soll ermöglicht werden, andere Kulturen kennenzulernen und dadurch Vorurteile abzubauen“, erklärt Projektkoordinatorin Lena Stöcker.

Im Rahmen des Moduls „Changemakers and Social Entrepeneurs“ an der CAU wurde das Projekt 2015 von vier Studentinnen gegründet. In Gesprächen mit Geflüchteten haben sie festgestellt, dass es vielen Geflüchteten noch schwerfällt, mit Deutschen in Kontakt zu kommen und dadurch die Gesellschaft besser kennenzulernen. So stehen bei kulturgrenzenlos e.V. die Tandempartnerschaften im Mittelpunkt. Ein Tandem setzt sich jeweils aus einer*m Studierenden und einer*m Geflüchteten zusammen. Bei der Auswahl wird auf gemeinsame Interessen, Hobbys, ähnliches Alter und auf Wunsch auch gleiches Geschlecht geachtet. Das erste Kennenlerntreffen findet immer bei kulturgrenzenlos e.V. in der Thinkfarm in der Alten Mu statt.

In diesem Zusammenhang bekommen die Tandems auch ihren Tandemausweis. „Wir haben verschiedene Kooperationen unter anderen mit Cafés oder Museen. Mit dem Tandemausweis können die Leute beispielsweise zwei Kaffees zum Preis von einem bekommen, sodass die Tandems gerade für die Anfangsphase einige Ideen parat haben, was sie zusammen machen können“, erzählt Lena. Wie viel Zeit die Tandempartner*innen miteinander verbringen und wie sie diese gestalten, bleibt jedem Team selbst überlassen. Die einzige Voraussetzung für die Teilnahme an einer Tandempartnerschaft ist ein toleranter und respektvoller Umgang miteinander sowie Zuverlässigkeit und Reflexionsbereitschaft.

Die Tandempartnerschaft ist für viele eine tolle Möglichkeit, spannende und neue Erfahrungen zu machen. Allerdings müssen auch einige Herausforderungen überwunden werden. So erzählt Lena: „Mein Tandempartner kommt aus Eritrea und ist mit einem relativ niedrigen Deutschniveau in die Partnerschaft gestartet. Das war vor allem in der Anfangsphase eine Herausforderung. Unsere Gespräche waren nicht so tiefschürfend, weil wir recht lange gebraucht haben, einzelne Sätze auszutauschen, aber es war auch eine spannende Erfahrung. Man merkt, es klappt schon immer irgendwie. Sei es mit Händen, Füßen oder Google Translate“. Auch die Tandempartner*innen Bilal und Leonie haben ähnliche Erfahrungen gemacht: „Ich habe gelernt, dass man viel Geduld haben muss, wenn man eine Sprache nicht sehr gut sprechen kann und es deshalb schwierig ist, zu vermitteln, was man sagen möchte“, erzählt Bilal. Er kommt aus Syrien und arbeitet zurzeit im Einzelhandel. Durch einen ehemaligen Mitbewohner hat er von kulturgrenzenlos e.V. erfahren und hat sich gleich angemeldet. Seine Tandempartnerin Leonie kommt aus Deutschland und steht kurz vor ihrem Masterabschluss in Internationalem Recht und Politik. Sie hat durch eine Kommilitonin von dem Projekt erfahren und war nach dem ersten Infotreffen sofort von dem direkten Kontakt der Teilnehmenden begeistert. Leonie und Bilal sind seit 2016 ein Tandem. „Wir finden es beide wichtig und sehr bereichernd mal aus seiner eigenen ‚Blase‘ rauszukommen und mit ganz unterschiedlichen Menschen und Meinungen in Kontakt zu kommen. Durch die Gespräche mit Bilal ist mir einmal mehr bewusst geworden, gewisse Dinge nicht als selbstverständlich zu erachten. Sei es die Demokratie, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder auch die zahlreichen Möglichkeiten, das eigene Leben frei gestalten zu können“, erzählt Leonie.

Das Tandem Leonie und Bilal / Bild: Saad Kanbar

Obwohl gerade zu Beginn des Semesters immer wieder neue Menschen dazukommen, ist das Verhältnis zwischen Studierenden und Geflüchteten nicht ausgeglichen. „Wir haben eine ziemlich lange Liste an Geflüchteten, die teilweise monatelang auf eine*n Tandempartner*in warten. Das ist schon eine Herausforderung für uns“, bemerkt Lena. Neben den Tandempartnerschaften bietet kulturgrenzenlos e.V. auch viele weitere Aktivitäten wie zum Beispiel Ausflüge, Sportgruppen und Workshops an, sodass auch diejenigen, die noch keine*n Tandempartner*in gefunden haben, mit anderen in Kontakt kommen können. Vor allem die monatlich stattfindenden Get Togethers, zu denen alle eingeladen sind, bieten gerade für Interessierte eine gute Möglichkeit, sich beim gemeinsamen Essen und Trinken besser kennenzulernen.

Ihr wollt auch ein Teil von kulturgrenzenlos e.V. werden und zur gesellschaftlichen Inklusion von Geflüchteten beitragen? Dann bietet das Get Together eine gute Gelegenheit, den Verein ganz unverbindlich kennenzulernen. Die Treffen finden immer am ersten Donnerstag im Monat statt. Das nächste Treffen ist am 6. Juni in der Alten Mu.
Weitere Informationen auf
facebook oder unter www.kulturgrenzenlos.de.

Autor*in

Johanna studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Oktober 2016 Teil der ALBRECHT-Redaktion. Von Juli 2017 bis Januar 2019 war sie als Ressortleiterin für die Kultur verantwortlich. Sie war von Februar 2019 bis Januar 2022 Chefredakteurin des ALBRECHT.

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