‚Brexit‘, ‚Schengen‘, ‚Währungskrise‘, ‚Rechtsruck‘, ‚Flüchtlingskrise‘. Europa ist täglich Thema in den Schlagzeilen der Medien und den Köpfen der Menschen. Doch warum wird das Image der Europäischen Union scheinbar immer schlechter und ‚rechter‘? Ist das Projekt Europa etwa völlig gescheitert oder handelt sich es sich einfach nur um ein gutes Produkt mit schlechter Vermarktung? Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel jedenfalls nahm die positiven Erfahrungen der Projekte Europa macht Schule und den zum dritten Mal stattgefundenen europäischen Zertifikatskurs für Lehrkräfte Schleswig-Holsteins durch das IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein) zum Anlass, eine Festwoche zum Thema Europa zu veranstalten, die vom 30. Mai bis zum 03. Juni auf dem Campus stattfand. Hier sollte sich ausführlich anhand von Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Blitzsprachkursen mit allen positiven und negativen Aspekten Europas auseinandergesetzt werden. Die Vorträge waren öffentlich und Jedermann eingeladen, teilzunehmen.

So beschäftigte sich etwa eine vom Institut für Sicherheitspolitik, dem Institut für Auslandsbeziehungen und dem Auswärtigen Amt organisierte Podiumsdiskussion unter dem Titel Europa in der Krise. Populisten auf dem Vormarsch. Was nun? mit dem Thema der Außenpolitik Europas. Die Referenten waren Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Krause und Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt sowie der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth. Während Herr Roth hinter dem Flüchtlingskonflikt die eigentliche Frage sieht, wer als Teil der Gesellschaft anzusehen sei und proklamiert, dass „zu viel über Ökonomie und zu wenig über Werte“ gesprochen worden sei, sieht er es außerdem als nötig an, mehr Kompetenzen an die EU abzugeben, da der Nationalstaat seiner Meinung nach nicht in der Lage sei, die Probleme alleine zu lösen. In Bezug auf das politische Konzept Europas zitierte er dann noch Marc Twain: „Wer nicht weiß, wohin er will, muss sich auch nicht wundern, wo er ankommt.“

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Noch hängt die Flagge Großbritanniens im Zentrum der Europadiskussion, nach dem Brexit wird sich die Rolle des Königreichs aber spätestens mit dem neuen Premierminister im Herbst ändern.

Mit der These, Europa sei „irgendwann steckengeblieben zwischen Bundesstaat und Staatenbund“, begann Historiker Prof. Dr. Manfred Hanisch seinen Vortrag zu den „Problemen der europäischen Integration heute in ihrer historischen Genese“. Dabei beleuchtete er in drei Teilen, was die Europäische Union eigentlich ist, die aktuellen Hauptproblembereiche Europas und Perspektiven sowie eventuelle Lösungsmöglichkeiten. Dabei stehen sich schlussendlich zwei Perspektiven gegenüber: Einerseits verfolgten viele die Ansicht, das Projekt Europa sei gescheitert und nur der Nationalstaat könne die politischen Interessen wirklich schützen, was die Forderung nach weniger Integration nach sich zieht. Diese Hypothese spiegele sich beispielsweise auch gerade in der Debatte um den eventuellen Austritt Englands aus der EU wider und sei teilweise darin begründet, dass viele Bürger oftmals nur negative Aspekte mit Europa verbinden würden, während Erfolge europäischer Politik oftmals von den Nationalstaaten für sich proklamiert würden. Dem entgegen stehe der Wunsch nach mehr Integration, indem noch mehr Souveränitätsrechte der Nationalstaaten an die Europäische Union abgetreten werden.

Dieser Forderung nach mehr Zusammenarbeit schließen sich auch die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Schleswig-Holsteins an. Sie stellten in einem Vortag ihre politische Programmatik und eigene Projekte vor und erklärten, warum sie sich als langfristiges Ziel die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘ wünschen. Dabei streben sie jedoch nicht einen Staat wie die USA an, sondern einen Bundesstaat Europa mit Europawahlen als wirkliche politische Richtungsentscheidungen, transnationalen Listen, einem zentralen Parlament sowie einer gemeinsamen Verfassung.

Der Verein Europa macht Schule e.V. feierte zehnjähriges Jubiläum, der Standort Kiel sechsjähriges. Bei Europa macht Schule geht es darum, dass europäische Studenten eine Klasse einer Schule Schleswig-Holsteins besuchen und dort dann mit  Unterstützung einer Lehrkraft drei bis fünf Unterrichtsstunden zum eigenen Heimatland oder der eigenen Region gestalten. So sollen fremde Kulturen näher gebracht, Klischees überwunden und ein Austausch über Sprachbarrieren hinweg erreicht werden. Bei der Abschlussveranstaltung der Europa-Woche wurden dann vereinzelte Projekte und Erfahrungen der Erasmus-Studenten in den Klassenzimmern vorgetragen. So besuchte etwa Bleuenn Here-Derrien aus Frankreich die Herderschule Rendsburg mit Lehrerin Christine Mönig. Unter dem Motto Bretagne – another aspect of France gab Bleuenn den Sechstklässlern eine kleine Einführung in Französisch und erzählte von der Bretagne, ihrer Heimatregion. Dann wurden zusammen Crêpes gemacht und Taschen bemalt. Für Bleuenn war das Projekt ein voller Erfolg. Sie freute sich über das große Interesse der Schüler und darüber, zeigen zu können, dass Frankreich eben nicht nur aus Paris und Stereotypen bestehe.

Die Europawoche hatte jedoch insgesamt ähnlich wie die Europäische Union ein Vermarktungsproblem. Denn trotz des großen Angebots an Veranstaltungen blieben die Hörsäle so gut wie leer – es kamen kaum Interessierte, einige Vorträge wurden daraufhin später begonnen, in der Hoffnung, es verirre sich doch noch der ein oder andere Zuhörer mehr in die Veranstaltung oder sogar ganz gestrichen.

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