Die politischen Hochschulgruppen machen vor dem Landtag auf die Wohnsituation Kieler Studierenden aufmerksam

„Studieren in Kiel! Wohnen in Kiel?“ ist das Motto, das auch groß auf dem Banner steht, das von zwei Fahrrädern gehalten wird und Richtung Landtags-Eingang zeigt. Leon Schröter und Laura Falk von den CampusGrünen treffen die letzten Vorbereitungen für die Kundgebung, die in zehn Minuten stattfinden soll. An diesem frühen Nachmittag des 14. Dezembers strahlt zwar die Sonne, aber die Luft ist eiskalt. Noch haben sich nicht viele auf den Stufen des Landtags versammelt, um gegen die derzeitige Wohnsituation von Studierenden in Kiel zu protestieren.

Leon und Laura testen das Mikrofon vor der Kundgebung /©Eileen Linke

Um 14:30 soll die Kundgebung starten, aber zunächst stellen sich alle Organisator:innen für ein Gruppenfoto zusammen. Die CampusGrünen, LHG, RCDS, die Juso Hochschulgruppe, HG Südschleswig und der AStA haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen.

Und diese Kundgebung soll auch nicht die letzte Aktion gewesen sein. Sie wollen gemeinsam für die Studierenden eintreten, weil sie auf der einen Seite ähnliche Ziele in ihren Programmen haben, und auf der anderen Seite wollen sie Einigkeit zeigen. In letzter Zeit sei auch durch die Berichterstattung der Kieler Nachrichten der Eindruck entstanden, dass die verschiedenen Gruppen untereinander über das demokratische Maß hinaus zerstritten seien. Das wollen sie nun widerlegen.

©Eileen Linke

In diesem Moment ist klar zu erkennen: Von den fast 50 Anwesenden wird die Hälfte von den politischen Hochschulgruppen ausgemacht. Sie stehen in einer Reihe nebeneinander, halten das Banner vor sich und Plakate nach oben. Am Treppenabsatz schauen sie nach unten zu den Pressevertreter:innen, die vom anderen Ende der Stufen Fotos von ihnen machen. Außer der Presse sind eine Handvoll Politiker:innen des Landtags vertreten. Mehr Menschen – und vor allem Studierende – sind nicht gekommen.

Die Organisator:innen stört das aber nicht. Leon nimmt ein Mikrofon in die Hand und beginnt die Kundgebung mit einer ersten Rede. Dafür steigt er auf einen umgedrehten und wackelig aussehenden Wasserkasten. Der Infrastruktur-Referent des AStA spricht von den Schwierigkeiten während der Wohnungssuche für Studierende.

Die Wohnsituation von Studierenden sei grenzwertig

Leon Schröter (CampusGrüne) startet mit seiner Rede die Kundgebung /©Eileen Linke

„Wir haben zu wenig Wohnheimplätze“, sagt Leon. „Nach Berlin die geringste Quote an Wohnheimen pro Studierenden. Und ganz ehrlich – wollen wir uns mit Berlin vergleichen?“ Der Mangel an Wohnungen, der Kampf um die wenigen WG- und Wohnheimplätze und hohe Mietpreise sind Probleme, die von der Universität, der Stadt Kiel und der Landespolitik nicht länger ignoriert werden sollen, fordert er. Und betont dabei, dass vor allem denjenigen Steinen in den Weg gelegt werden, die von außerhalb Schleswig-Holsteins nach Kiel ziehen wollen, da sie mehr unter Druck stehen, noch vor Semesterstart eine Wohnung zu finden. Genauso wie international Studierende, die oft auch auf die Hilfe von in Kiel Lebenden angewiesen sind.

Leon plädiert auch für mehr Wohnungsbau auf dem Campus (wenn sowieso schon überall dort gebaut werden würde), damit sich der graue „Plattenbau“ wieder mit Leben fülle und somit auch Infrastrukturkosten gespart werden könnten. Er prangert an, dass es nur 2.000 Wohnheimplätze für 36.000 Studierende in Kiel gäbe. Es mangele an Wohnfläche und Mitteln für eine Finanzierung der Bebauung.

Ein gemeinsames Ziel – aber unterschiedliche Wege

Nach seiner Rede steigt Leon von der Kiste und gibt das Mikrofon an Vertreter:innen anderer Hochschulgruppen weiter. Die Reden der anderen sind kürzer, alle thematisieren einen anderen Aspekt der studentischen Probleme und fordern dennoch alle Gleiche: Es muss sich etwas ändern, die Politik soll aktiv werden. „Wie zur Hölle soll ich das bezahlen?“, fragt Philippa Petersen von der Juso Hochschulgruppe stellvertretend für alle Studierenden.  

„Wie mache ich das, wenn es nicht mehr nur 50 Prozent sind, die die Nebenkosten von meinem Geld einnehmen, sondern 60 oder 65 Prozent?“ Steigende Kosten und gleichzeitig immer rennovationsbedürftigere Wohnungen, ein Problem, für das es noch keine Lösung gäbe. Und das, obwohl das Problem schon lange bekannt sei. Laura Falk von den CampusGrünen betont: „Wir sind heute nicht hier, um an die Politik zu appellieren, denn dafür ist es zu spät. Wir fordern, sich endlich der Verantwortung gegenüber den Studierenden zu stellen.“

Marvin Schmidt von der HG Südschleswig erinnert daran, dass Studierende genau wie alle anderen Menschen ein Recht auf Wohnen haben. „Die Betonung liegt hier auf angemessen[em Wohnraum]. Das, was wir haben, reicht bei Weitem nicht, ist zu teuer oder in einem zu schlechtem Zustand. Und es gibt einen Unterschied zwischen Wohnen und Hausen.“ Während die Jusos eine Mietpreisbremse fordern, fragt er, warum es noch kein Wohnraumschutzgesetz gibt.

Mehr Unterstützung gesucht: Finanziell und politisch

Eine etwas andere Rede hält Maximilian Hoffmeister vom RCDS. Und das nicht nur, weil er der Einzige ist, der nicht auf die Kiste steigt. „So wie wir uns im Ziel alle einig sind, haben wir aber auch offenkundig unterschiedliche Ansichten über den Weg, der letztendlich zum Erfolg führt.“ Damit all die Forderungen überhaupt umsetzbar seien, bräuchte es zuerst eine Veränderung in der Stadtverwaltung, die Bürokratie solle beschleunigt werden. „Kurz: Wir brauchen Turbo statt Doppelwumms.“ Eines macht er aber klar, nämlich dass Studierende in Zeiten von Krieg, Energiekrise und Inflation dringend und schneller finanzielle Unterstützung benötigen.

Auch der AStA-Vorstand und eine Vertreterin des Lübecker AStAs, Lara Wojan, halten Reden. Während der Kundgebung kommen ab und zu Leute aus dem Landtagsgebäude, schauen neugierig die Treppe hinauf. Manche von ihnen bleiben stehen und hören sich das Anliegen der Studierenden an, wie zum Beispiel Sophia Schiebe (SPD). Auf Leons Frage hin, ob jemand aus dem Publikum noch etwas mitteilen möchte, stellt sie sich mit zwei weiteren Abgeordneten vor die Studierenden. „Wir möchten fraktionsübergreifend ein Dankeschön an euch aussprechen. Wir werden eure Punkte mitnehmen und finden es großartig, dass ihr euch zu einem Bündnis zusammengeschlossen habt“, sagt Schiebe. Sie bietet den weiteren Austausch an. Dann endet die Kundgebung.

Sophia Schiebe bedankt sich bei den Redner:innen und sagt ihnen zu, deren Anliegen mitzunehmen /© Eileen Linke

Mehr Aktionen zur Kommunalwahl geplant

Es bleibt abzuwarten, wieviel die Kundgebung gebracht hat. Und es stellt sich auch die Frage, ob die eher dürftige Beteiligung Studierender ein Sinnbild für unseren politischen Campus ist, oder ob es an der Spontanität der Organisation liegt. Immerhin betrifft dieses Thema die meisten Studierenden. Leon sieht das Ganze positiv: „Ich hab‘ mich gefreut, dass so viele Menschen und die Medien gekommen sind. Auch, dass Politiker:innen rausgekommen sind. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass es sich lohnt, auf die Straße zu gehen.“ Er sagt auch, dass bei einer längeren Vorbereitungszeit und wärmeren Wetter wahrscheinlich auch mehr Studierende vorbeigekommen wären und prognostiziert mehr Teilnahme bei der geplanten Kundgebung zur Kommunalwahl im nächsten Jahr.

„Das Novum ist“, erklärt Max Härtel mit einer nicht zu übersehenden Freude, „dass wir es hinbekommen haben, hochschulgruppenübergreifend unsere Forderungen auszusprechen. Es geht nicht darum, eine Show zu machen, sondern darum, uns einzusetzen. Deswegen war die Veranstaltung ein voller Erfolg.“ Max ist bei den CampusGrünen und ist zusammen mit Stella Thomsen im AStA-Vorstand. Stella ergänzt aber: „Es reicht nicht, dass wir einmal was gesagt haben und es angehört wurde. Wir werden jetzt auf die Politik noch mal zugehen und von den Problemen erzählen. Hoffentlich wird es dann weitergehen, ansonsten werden wir noch lauter und werden noch mehr Druck machen.“

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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