Die Vorurteile gegenüber deutschen Filmen sind sowohl bei Blockbusterfans als auch bei Filmliebhabern gleichermaßen negativ. Den Einen gehen die immer gleichen geschichtlichen Schwerpunkte auf die Nerven (Nazis, Mauer, DDR), anderen die immer gleichen Klamauk-Komödien und wieder andere stören sich an der Unselbstständigkeit deutscher Filme. Nachdem letztes Jahr SevenFilms (noch sehr amerikanische) WHO AM I bereits sehr gut von Zuschauern aufgenommen wurde, hat das Produktionsstudio zusammen mit Regisseur Sönke Wortmann, Little Shark Entertaiment und Constantin Film einen der souveränsten deutschen Filme seit Jahren geschaffen, der sämtliche oben angesprochenen Kritikpunkte ausstechen kann.

Handlung:

Vier Elternparteien klopfen an einem unterrichtsfreien Tag an die Tür der Schule. Nachdem die Gruppe bereits jetzt Ihren Unmut über die Lehrerin ihrer Kinder deutlich macht (sie hat vergessen den Hausmeister über den Elternsprechtag zu informieren), gehen die Hauptfiguren ihren Plan noch einmal durch: Sie wollen Frau Müller „abschießen“  also eigentlich nur erreichen, dass Sie Ihre Kinder nicht mehr unterrichtet  doch inszeniert die Gruppe ihr Vorhaben wirklich als eiskalte Entlassung: Eine Unterschriftensammlung der Elternschaft soll die Sache ohne Gegenwehr besiegeln. Um ihre Karriere nicht dauerhaft zu schädigen, darf sich Frau Müller immerhin (fristgerecht) einen eigenen Rücktrittsgrund überlegen. Sogar einen Blumenstrauß wollen sie der Klassenlehrerin als ein letztes Dankeschön für ihr Engagement überreichen. Und all das nur, weil die Lehrerin angeblich die Leistung der Kinder verschlechtert hat? Gerade wegen des so ausgefeilten Vorhabens, kommt beim Zuschauer bereits nach den ersten zehn Filmminuten das Gefühl auf, dass etwas an der Aktion faul sein muss…

Man sollte zwar keine doppelten Böden oder spektakulären Paukenschläge erwarten, aber Frau Müller muss weg kann in vielen Momenten sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch durchaus überraschen. Dass im Zentrum der Komödie nicht Frau Müller sondern die aufgebrachte Elternschaft steht, ist natürlich der Theaterstückvorlage zuzuschreiben – das Zusammenbringen eines talentierten Schauspielensembles ist aber in jedem Fall eine respektvolle Eigenleistung der Verfilmung.

Anke Engelke (Ladykracher), Mina Tander (Buddy), Ken Duken (Coming In), Alwara Höfels (Fack ju Göhte) und Justus von Dohnányi (Das Experiment) nutzen ihren großen Spielraum und empfehlen sich sehr für zukünftige deutsche Produktionen. Zwar mögen ihre Filmfiguren anfangs noch etwas stereotypisch überzeichnet wirken, wer sich an diesen klaren Rollenbildern stört, wird im Laufe des Films aber umso mehr mit ihrem spektakulären Auseinanderbrechen belohnt. Wer schon einmal bei einem Elternabend war, dem werden unterschwellige Sticheleien, bis hin zu elterlichen Kleinkriegen ohnehin gar nicht mal so überspitzt vorkommen. Dass Frau Müller muss weg so sehr an die Realität erinnert, ist einerseits natürlich ein großer Spaß für den Zuschauer, andererseits auch bittere Gesellschaftskritik:

Der Film erzählt von einer Elterngeneration, die ihre individuellen Träume für einen sicheren Arbeitsplatz aufgeben musste. Die einen übertragen ihre Frustration auf die nächste Generation, die anderen wollen auf Krampf, dass wenigstens ihre Kinder den eigenen Traum leben.

Eine klare Aussage des Films ist, dass man Kinder für das nehmen sollte, was sie sind. Nicht jeder braucht ein Abitur, wenn ihm zum Beispiel Handwerkliches oder Künstlerisches besser liegt, als Wissenschaft. Der Großteil der heutigen Elternschaft, für den Anke Engelke und co. Pate stehen, ist aber nicht nur durch ihre eigene Vergangenheit gehindert an so ein Ideal zu glauben, sondern vor allem durch die Hackordnung des heutigen Berufssystems.

Frau Müller muss weg präsentiert uns also nicht direkt die Lösung des Konflikts, sondern ausschließlich das, was der Lösung im Wege steht. Das Klassenzimmer wird im Film zu einem Schlachtfeld, auf dem systemkonforme Berufstätige die Kriege des ihren Kindern bevorstehenden Arbeitsmarktes austragen.

Bei all diesen gesellschaftskritischen Ansätzen sei nicht zu vergessen, dass Frau Müller muss weg vordergründig natürlich eine verdammt gute Komödie ist, die das Potenzial hat, auch Kritiker des deutschen Films zu überzeugen. Zwar kommt man an wenigen Stellen nicht um ein wenig Kitsch herum, verfällt aber niemals in die Dimensionen deutscher Mitstreiter. Ebenso wird der Film mit einer stets ausgeglichenen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Komik nie zum puren Klamauk.

Zuletzt hat dieser Film sogar einmal nichts mit deutscher Geschichte zu tun! Umso bemerkenswerter ist es, dass Frau Müller muss weg ganz nebenbei eine wichtige gesellschaftliche Debatte anschneidet, ohne dabei plakativ den Zeigefinger heben zu müssen.

 


müller poster
Quelle: Constantin Film

FAZIT

Sönke Wortmanns neuester Film weiß die Vorzüge seiner Theatervorlage voll auszuspielen: FRAU MÜLLER MUSS WEG   konzentiert sich zu 90 Prozent auf Figuren, Dialoge und Schauspiel- kunst und liefert mit den letzten 10 Prozent eine erfrischend originelle Inszenierung. Die sozialkritische Botschaft bekommt durch einen gelassenen und übergestellten Erzählstil zusätzlichen Biss.


Wertung: 8,5 Kinokatzenpunkte

 

SPIELZEITEN:
Studio Filmtheater am Dreiecksplatz: TÄGLICH 16:00 – 18:15 – 20:30
( Aktuell bis einschließlich 11.02. )

Titelfoto: obs / Constantin Film / TOM TRAMBOW

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