Als ich ungefähr elf Jahre alt war, gab mir meine Mutter ein einfaches Bustier mit den Worten: „Hier, das kannst du jetzt tragen, denn ab jetzt wird dein Busen wachsen.“ Natürlich habe ich mich gefreut, immerhin hieß das, dass ich endlich erwachsen werden würde. Auch wenn es eigentlich noch nichts an meiner Brust gab, was von diesem Bustier gehalten werden musste, schien es wichtig, dass ich meine heranwachsende Oberweite frühzeitig bedeckte.

In der Mittelstufe war es dann wichtig, von außen nicht sehen zu können, ob mir kalt war oder ob meine Brustwarzen aus anderen Gründen aus dem Stoff hervorstechen wollten. Böse Nippel. Niemand sollte das sehen, denn wie peinlich wäre das bitte? 

Je älter ich wurde, desto mehr fragte ich mich, warum die Gesellschaft eigentlich so einen Hehl um das weibliche Dekolleté zu machen schien. Einen BH zu tragen, gehört scheinbar zur Norm, hängende Brüste sind sowas von unsexy. Und bitte, pass auf, dass niemand deine Nippel sieht!

Da stellt sich doch glatt die Frage, was den weiblichen Nippel vom männlichen unterscheidet. Kaum ist das Fettgewebe drum herum nicht mehr vorhanden, sind Brustwarzen plötzlich das Normalste der Welt. Und wenn sich ein Transmann für eine Mastektomie entscheidet, so sind die Mamillen vor der OP bitte zu zensieren, nach der OP jedoch harmlos für die Gesellschaft. Es scheint, als wären nicht die Nippel der Inbegriff des Bösen, sondern das Fettgewebe. Oder besser gesagt: genau dieses Fettgewebe und kein anderes. An allen anderen Stellen des Körpers ist Fett nämlich in Ordnung. Diese Logik muss erst einmal verstanden werden.

Ich weiß nicht, wer sich in dieser Gesellschaft dieses verquere Denken jemals ausgedacht hat. Ich weiß auch nicht, wie Menschen einerseits die weibliche Brust für ihre Ästhetik feiern können und andererseits dafür sorgen, dass sie in den Medien zensiert werden muss, weil sonst… Ja, was eigentlich sonst? Was passiert denn, wenn mal ein Nippel rausguckt? Ich weiß es nicht. Aber diese Ansicht passt nicht ins 21. Jahrhundert und Gleichberechtigung sollte auch für die Nippel gelten. Free the nipples!

Autor*in

Rebecca ist 27 Jahre alt, studiert Deutsch und Philosophie im Profil Fachergänzung und ist seit Oktober 2018 beim ALBRECHT. Sie schreibt Artikel für alle Ressorts, vorzugsweise welche, in denen sie sich aufregen kann. Von Januar 2019 bis Januar 2022 leitete sie das Lektorat.

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