Lasse Petersdotter (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) im Interview zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein 

Am 8. Mai findet in Schleswig-Holstein die Landtagswahl statt. Daher hat sich der ALBRECHT mit dem Campus Radio Kiel zusammengetan. Philipp Nyzik vom Radio und Eileen Linke vom ALBRECHT interviewen gemeinsam Politiker:innen aus Kiel, die Rede und Antwort zu hochschulbezogenen Themen stehen und euch dabei die Forderungen und Programme ihrer jeweiligen Partei näherbringen.  

Dieses Mal haben wir mit Lasse Petersdotter von der Grünen Fraktion gesprochen. Er ist durch und durch Kieler, er habe „immer in der 24118 gelebt“, wie er sagt. Schon bevor er 2016 seinen Abschluss in Politik- und Islamwissenschaft machte, engagierte er sich politisch. Lasse war erster Vorsitzender des AStA, war im Studierendenparlament und im Senat. Seit 2017 ist er Landtagsabgeordneter für die Grünen in Schleswig-Holstein, steht jetzt zur kommenden Wahl auf Listenplatz Nummer Vier und ist Direktkandidat für Kiel Nord. 

Philipp: Du bist der perfekte Experte für uns, wenn wir über Hochschulthemen sprechen wollen. Dann fangen wir damit an – wir haben jetzt ein neues Hochschulgesetz, bist du Fan davon?  

Lasse: Es kommt drauf an, wann wird man denn von etwas Fan? Wir haben 2014 das letzte Mal im Hochschulgesetz novelliert. Auf der einen Seite wurde die Anwesenheitspflicht abgeschafft, und der erweiterte Senat und sehr viele Dinge, wie der Ethikrat oder Diversitätsbeauftragte, wurden geschaffen. Auf der anderen Seite haben wir auch die Stärkung der Nachhaltigkeit im Hochschulgesetz durchgebracht. Das sind Sachen, die auf der Habenseite sind, aber ich glaube, es wäre noch mehr möglich. Insofern schauen wir mal, was die nächsten Jahre bringen.  

Philipp: Tarifverträge für HiWis zum Beispiel? 

Unbedingt! Im Entwurf der Landesregierung vom Hochschulgesetz in §69 stand, dass studentische Hilfskräfte auch im administrativ-technischen Bereich eingesetzt werden sollen. Machen wir uns nichts vor, das passiert heute schon. Es ist in vielen Instituten üblich, dass sie solch relativ wissenschaftsferne Aufgaben übernehmen. Das soll so nicht sein. Jetzt wollte die Landesregierung es auch im Hochschulgesetz festschreiben. Das habe ich blockiert. Im Zuge der Anhörung, die wir im Landtag durchgeführt haben, kam es dann nicht dazu. Bei den Tarifverträgen für studentische Beschäftigte ist es einen kleinen Schritt komplexer.

Das Ziel ist, studentische Beschäftigte in den Tarifvertrag der Länder hineinzubekommen und das ist etwas, das wir dringend befürworten. Wir haben es auch im Wahlprogramm explizit benannt, dass wir TV Stud als gewerkschaftliche Organisation unterstützen. Monika Heinold als unsere Finanzministerin hat sich bei der letzten Tarifrunde bereits dafür eingesetzt, was dazu geführt hat, dass bereits jetzt erste Verhandlungen und Diskussionen stattfinden. Also ja, wir brauchen einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, der Status quo ist absurd. 

Philipp: Ich habe bereits mit Theresa Leinkauf von der FDP gesprochen und mit ihr auch über Tarifverträge diskutiert. Sie hat gesagt, das sei im Wahlprogramm der FDP nicht vorgesehen und wäre Grund für Koalitionsverhandlungen.  

Dass die FDP Tarifverträge in ihrem Wahlprogramm nicht vorsieht, wundert mich nicht. Ich hatte neulich eine Diskussionsrunde, unter anderem mit dem Fraktionsvorsitzenden der FDP. Dabei kam die Frage auf, was für sie einen guten Arbeitsplatz ausmache. Da hat der FDP-Abgeordnete gesagt, wenn die Räume nicht schimmeln und wenn es nicht reinregnet. Ich muss sagen: Gute Arbeit fängt für Grüne woanders an. Gute Arbeit bedeutet, dass Leute sich über die Zukunft keine Sorgen machen müssen, dass die Arbeit selbst gesund ist und dass sie auch anständig entlohnt wird. Jetzt gibt es für studentische Beschäftigte quasi Maximallöhne. Das kann auch in der freien Wirtschaft niemandem mehr vermittelt werden und insofern braucht es hier dringend eine Reform. Andere Bundesländer sind da schon weiter, Berlin allen voran. Insofern glaube ich, dass es da Fortschritte geben wird.  

Philipp: Wie sieht es beim BAföG aus?  

Das ist sehr spannend. Ich dachte immer, wir wären uns einig. Wir als Grüne möchten das BAföG elternunabhängiger machen. Sogar ganz elternunabhängig, bis hin zu einem Modell, wie wir das aus Dänemark kennen. Die FDP hingegen möchte den Darlehensanteil nicht so reduzieren, dass Studierende sich weniger verschulden, sondern dass sie weniger Geld bekommen. Dieses Modell besteht auch darin, dass jede:r 200 Euro zusätzlich vom BAföG-Betrag bekommt – wenn man sich entweder ehrenamtlich engagiert oder arbeiten geht. Die Menschen sollen möglichst sorgenfrei studieren. Wir sollten nicht den Anreiz setzen, für diese 200 Euro arbeiten zu müssen. Wir möchten beim BAföG – wenn nicht elternunabhängiger, zumindest realistischer – an die Lebensrealität von Studierenden andocken. Deswegen wollen wir die realen Wohnungskosten darin widergespiegelt haben. Und einen Studierenden-Warenkorb schaffen.  

Eine Sache, die für mich in den Verhandlungen in Berlin persönlich wichtig war, ist die bundesweite Studien-Starthilfe. Das ist ein Modell, das wir hier in Schleswig-Holstein entwickelt haben. Studierende, die aus Bedarfsgemeinschaften kommen und deren Eltern Sozialleistungen beziehen, bekommen zu Beginn des Studiums einmalig 800 Euro. Die müssen sie nicht zurückzahlen und sie sind für die ersten Anschaffungen wie Bücher oder den Semesterbeitrag gedacht. Das haben wir in Schleswig-Holstein als erstes Bundesland gestartet und es ist mir gelungen, die bundesweite Durchführung durchzusetzen. 

Eileen: Anderes Hochschulthema – die Freiversuche sind wieder abgeschafft worden, weil Dozierende damit überlastet seien. Wie stehst du zu den Freiversuchsregelungen? 

Ehrlicherweise ist das nicht ganz verkehrt. Ich hatte mich in der Pandemie sehr dafür eingesetzt, dass es Freiversuchsregelungen gibt, weil das Studium in der Pandemie ein komplett anderes ist, als ich es beispielsweise damals erlebt habe. Ich habe aber auch beständig von den Dozierenden die Kritik gehört, dass sie das zwar nachvollziehbar fänden, aber damit viel mehr kontrollieren und korrigieren müssten. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Es ist doch so, dass viele in eine Klausur reingehen und ausprobieren, ob sie es schaffen oder nicht. Das wird nicht bei der Masse so sein, aber es gibt diese Fälle und die sind dann in der Summe gar nicht so wenig. Deswegen kann ich verstehen, dass an einem gewissen Punkt gesagt wird, dass zu einer klassischen Regelung mit drei Versuchen zurückgekehrt wird. Freiversuche sind wichtig, aber immer eine Härtefallsituation. Das wird kein Standard werden, davon gehe ich zumindest aktuell aus. 

Philipp: Wie steht es denn momentan um die Digitalisierung an den Hochschulen? 

Es ist in einem kurzen Zeitraum eine Menge passiert. Dieser Zeitraum fing nur sehr spät an. Bis vor Kurzem war fast alles noch komplett analog. Das hat sich ehrlicherweise heute auch durch die Pandemie verbessert. Da haben wir auch gezielt mehr Mittel reingegeben. Aber wir brauchen einen Digitalpakt wie in Schulen auch für Hochschulen, bei dem sich der Bund einbringt, denn dieser hat mehr finanzielle Möglichkeiten als das Land. Auf der anderen Seite haben wir ein Investitionsprogramm, das Impuls heißt, aus dem wir Investitionen tätigen können. Dabei war die Überlegung, wie wir schnell Mittel umsetzen können.

Und ich habe mich daran erinnert, dass ich Freund:innen hatte, die im Studierendenwohnheim lebten, die alle kein WLAN hatten. Man musste immer extra dafür zahlen und es funktionierte nur mit einem Kabel. Deswegen habe ich 2019 durchgesetzt, dass wir WLAN in allen Studierendenwohnheimen bekommen. Ob das jetzt überall umgesetzt wurde, weiß ich nicht, aber wir haben dafür zwei Millionen Euro ausgegeben. Ich hoffe, dass wir aus der Pandemie lernen. Lasst uns doch die Vorlesungen, die gestreamt wurden, auch weiterhin aufnehmen. Und jemand, der doziert und Angst hat, dass Menschen nicht mehr in deren Vorlesung kommen, muss etwas an der Lehre ändern und nicht die Lebenswelt und die Umstände schwieriger machen.

Wir werden ein Labor nicht digital machen, aber es gibt Bereiche, da könnten wir weiter sein. Das müssen wir mit den Hochschulen gemeinsam machen, dafür müssten teilweise Anreiz, teilweise Regeln geschaffen werden. Wir haben aber auch im Hochschulgesetz mehr Möglichkeiten für digitale Prüfungsabnahmen gegeben. 

Philipp: Sprechen wir über Miete. Wenn ich als Ersti nach Kiel komme, finde ich zunächst nicht wirklich eine Wohnung oder nur sehr schwer. Es gibt nur wenig Wohnheimplätze und die Mieten sind teuer. Ihr seid für eine Mietpreisbremse. Wieso genau? 

Die Mietpreisbremse ist nur ein Element, weil sie nicht das strukturelle Problem ist. Das strukturelle Problem ist, dass wir einen kaputten Markt haben. Die Mietpreisbremse gibt einen individuellen Schutz vor unmittelbaren Mieterhöhungen. Aber der wichtigere Schritt ist, dass der Staat auf den Markt tritt. Wir haben das in Kiel mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die selbst Wohnungen baut. Das wollen wir landesweit mit einer Landeswohnungsbaugesellschaft, organisiert als Investitionsgesellschaft. Der Staat muss wieder aktiv Probleme lösen, anstatt immer nur an der Seite zu stehen. Dann haben wir die Studierendenwohnheime. Wir haben aufgrund der Pandemie unser Ziel von 600 weiteren Wohnheimplätzen nicht erreicht, aber wir sind auf einem guten Weg.  

Philipp: Wie viele habt ihr denn geschafft? 

Momentan sind wir bei etwa 480. Die anderen sind noch in Planung, sind aber eben nicht in der Geschwindigkeit fertig geworden, wie wir uns das vorgestellt haben und werden auch immer teurer im Bau. Was wir aber schaffen müssen, ist, Hürden abzubauen. Zum Beispiel gibt es immer noch Wohnheime, die Parkplätze in großer Anzahl zur Verfügung stellen müssen. Die meisten haben kein Auto. Lasst uns auf den Flächen doch Wohnheime bauen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Wenn ihr noch mehr erfahren wollt – das ausführliche Interview gibt es als Podcast beim Campus Radio Kiel zu hören. Dort sprechen wir mit Lasse Petersdotter auch über Nachhaltigkeit, den Ausbau der ÖPNV und über Windkraftenergie!

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Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und ist seit Januar 2022 die Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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